Der einäugige Borch. Mündlich von einem in Swinemünde ansässigen Mecklenburger

Bei Parchim in Mecklenburg liegt ein See, der ist von einem wunderschönen Buchwalde umgeben, und man erzählt, in ihm sei vor Zeiten eine Stadt Ninove versunken. Den Leuten in der Stadt ist es auch verboten, in dem See zu fischen; nichts destoweniger brachten die Stadtfischer eines Abends auf Wagen ein Boot dahin und fingen in der Nacht an zu fischen; als sie nun das Netz heraufzogen, war's so schwer, dass sie es kaum herausbrachten, und als sie hineinsahen, hatten sie einen großen Hecht gefangen, der wog wohl mehrere Zentner, so dass sie ihn nur mit Mühe ins Boot bringen konnten. Nun fing es aber im See gewaltig an zu lärmen und zu toben, sie hörten die Stimme eines Mädchens, welche mit den Worten: „Nutsche, Nutsche!“ die Schweine lockte, und eine Mannsstimme fragte darauf: „Hast du sie nun alle beisammen?“ worauf jene erste wieder antwortete: „Ja, neun und neunzig habe ich, aber der einäugige Borch fehlt noch!“ Und indem rief sie wieder: „Nutsche, Nutsche!“ da sprang der Hecht mit einem gewaltigen Ruck aus dem Boote und rief: „Hier bin ich, hier bin ich!“ und sogleich war aller Lärm verschwunden und alles totenstill.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche