Nonnenprozession

Autor: Ueberlieferung
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Tages noch früh in der Dämmerung ging ein Priester von Krauthausen nach Creuzburg. Es war gerade St. Ursulentag. Als er nun aus dem Felde an die Straße kam, welche nach der Stadt führt, begegnete ihm ein Zug weißgekleideter Nonnen mit brennenden Kerzen und sangen den Hymnus de profundis. Der Priester vermochte vor Furcht und Schrecken zunächst weder zu singen, noch auch davonzugehen. Da schaute aus dem Zuge eine ältere Schwester zurück und sprach zu ihm mit freundlicher Stimme: »Du bist ein Priester und schweigst? Komm herbei und singe mit uns! « Der Priester faßte Mut und tat, wie ihm geheißen war. Bald naheten sie der Stelle, wo jetzt die St. Liboriuskriche steht, und ein Greis im Priestergewand trat heran, vor dem die ganze Versammlung demütig die Knie beugte, seinen Segen zu empfangen. Als er solchen erteilt hatte, ging er selber als Führer mit einem Stabe dem Zuge voran, und sie stiegen drüben über der Werra unter lautem Singen einen Bergpfad hinan; der Priester aber machte sich inzwischen heimlich davon. Von der Höhe kam da plötzlich eine laute Stimme: »Du magst gehen, wirst aber in dein Verderben gehen!« - Am dritten Tag darauf kam er um, von einem Blitzstrahl getroffen.

Andere sagen, er sei vom Pferde gestürzt, als er nach Falken wollte, um dort eine Predigt zu halten.