Die Literatur

Eben so steht es mit der Literatur. Zwar haben die Amerikaner einige bedeutende Schriftsteller im Fache des Romans gehabt; allein außer diesen wenigen, die obendrein ihre Bildung der alten Welt verdankten, gibt es keine Dichter von hervorragendem Talent, und so dürfte es wohl noch eine Zeitlang bleiben, da wenig oder nichts geschieht, um einheimisches Talent und Genie zu fördern. —

Ein Werk, das als eine schwache Nachahmung der Sueschen „mystèries de Paris“ betrachtet werden muss, führt den Titel „ the miseries and mysteries of Newyork“, und hat einen gewissen Nedd Bundlein zum Verfasser. Es ist für den gebildeten Geschmack völlig ungenießbar; ich wenigstens habe mich nur mit Mühe und Ekel hindurch arbeiten können und bedaure die Zeit, die ich darauf verwendet. Allein eben das, was mir daran zuwider war, machte das Glück dieses Buches in Amerika, die darin aufgehäuften Greuel und die krasse Schilderung der scheußlichsten Verbrechen. Nach den „miseries and mysteries“ zu urteilen, müsste man Newyork für eine große Mord- und Raubhöhle halten und dürfte es kaum wagen, eine Stunde nach Dunkelwerden seine Wohnung zu verlassen. Man behauptet, viele im Buch vorkommende Personen, und zwar die allerscheußlichsten, seien wohlgetroffene Porträts, und da fast jeder sie kennt, sind sie für immer gebrandmarkt. Der Verfasser beruft sich auf den Nutzen, den sein Werk geschafft, indem mehrere Spielhöllen und Bordelle von der Polizei ausgenommen worden, nachdem er ihre Wohnsitze genau bezeichnet. Dem mag wirklich so sein; allein nach meiner Ansicht stiften Bücher der Art tausendmal mehr Schaden als Nutzen, indem sie nicht nur den Geschmack, sondern auch, was noch schwerer ins Gewicht fällt, die Moral verderben und zugleich die Phantasie jugendlicher Individuen beschmutzen. Wunderbar genug hat, so viel ich weiß, das Werk keinen Übersetzer in Deutschland gefunden — möge es auch keinen finden!


Der Verfasser, der so viele grässliche Kerkerszenen schildert, bekam Gelegenheit, zu erproben, ob er der Wahrheit nicht zu nahe getreten; er selbst wurde mehrere Jahre eingesperrt, nachdem er sich bei einem Volksaufruhr beteiligt. —

Ein höchst schätzbares und interessantes amerikanisches Werk ist die „Geschichte der Regierung Ferdinands und Isabellas der Katholischen,“ von W. Prescott (History of the Reign of Ferdinand and Isabella, the Catholic of Spain), wovon in wenigen Jahren fünf Auflagen sowohl in England als in Amerika, erschienen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches New-York – Juni 1852