Eislawinen
Eine Erscheinung, der Gletscherbewegung angehörig, wird auch zu den Lawinen gestellt. Nicht regelmäßig, alljährlich wiederkehrend sind die Gletscherlawinen; sie haben Ursachen, die von Fall zu Fall verschiedene sein können, Ursachen, die nicht periodisch auftreten und periodisch Katastrophen auslösen. Die Gletscherlawinen sind mehr eine Ausnahmeerscheinung, und für sich wollen wir sie betrachten. Schon im ersten Abschnitt (S. 28) ist darauf hingewiesen worden, dass die Bewegung der Eisströme wie aller talwärts eilender Massen vom Gefälle abhängt. Je steiler sich der Untergrund senkt, desto rascher, geht die Fahrt zu Tal. Bei den zähplastischen Eismassen äußert sich dies in der vermehrten Spaltenbildung, die bei rascherer Bewegung zu einer Auflösung in ein wildes Trümmerwerk von Eistürmen und Pyramiden, von Wänden und gähnenden Abgründen führen kann. Ein „Gletscherbruch“ (Tafel 28) überkleidet mit bläulich-weiß schimmerndem Chaos das steiler werdende Bett. Stets um Mittag, wenn im Sommer das Tauen beginnt, wird es in den „Seracs“ lebhaft. Ständig krachen und donnern die stürzenden Eispfeiler. — Noch weiter kann die Auflösung des Gletschers gehen. Eine Felswand durchzieht sein Bett. Wie ein dunkles Band teilt sie den Hellen Strom. Und wie ein Wasserfall wälzen sich die Eismassen über die Wandstufe. Freilich geschieht dies nicht in geschlossenem, ununterbrochenem Strahl, sondern partienweise brechen die Eisränder ab, im selben Maße, als aus dem Firnbecken ein Nachschieben, ein Zuströmen erfolgt. Unter der Felsstufe lehnen sich an sie spitze Kegel blendend weißer Eislawinentrümmer, die sich weiter unterhalb wieder zu geschlossenem Eisstrom vereinen: ein erneuter Gletscher nimmt aus den Trümmerhaufen seinen Ursprung (Tafel 27).
Indes sind es nicht diese „Eiskaskaden“, die eigentlich den Namen „Gletscherlawinen“ verdienen. Handelt es sich bei ihnen doch mehr um eine Einzelheit, eine Bewegung innerhalb des Eisstromes, nicht um ein Abreißen, ein Niedergehen eines Gletscherstückes, das mit verheerender Gewalt in die Täler bricht. Solche Katastrophen, wiewohl nur selten, sind doch in unseren Alpen eingetreten, haben sich wegen ihrer Größe und Gewalt tief in die Erinnerung der Bergbewohner eingeprägt. Hierher gehört auch der Gletscherbruch an der Altels, den ich hier kurz beschreiben möchte, um durch dies eine genau bekannte Beispiel die seltene Art von Katastrophen zu charakterisieren.
Am 11. September des Jahres 1895 ereignete sich an dem vielbegangenen Weg über die Gemmi, einen Pass, der von Kandersteg im Berner Oberland nach dem Rhonetal leitet, das furchtbare Unheil. Die Altels (Tafel 29) ist eine prächtig geformte Pyramide, deren obere Hänge von schimmerndem Firn und Gletscher bedeckt sind. Ein Teil des Gletschers löste sich zu früher Morgenstunde los und stürzte in das Kandertal. Von dem Sturz weiß kein Augenzeuge zu berichten: alle Bewohner der Spitalmatte am Fuß des Berges kamen ums Leben. Undeutliche Staubwolken, ein Zittern des Erdbodens, verbunden mit anhaltendem unheimlichem Getöse, der Niedergang eines feinen Sprühregens von Eispulver und Wasser, den verschleppten Eiswolken, die der Sturz aufwirbelte, — das ist alles, was in näherer und fernerer Umgebung wahrgenommen wurde. Die Verunglückten wurden bald aus den Trümmern der Lawine, nur wenig von Eisschutt überdeckt, aufgefunden. Sie waren zum Teil entsetzlich verstümmelt und scheinen gerade beim Aufstehen vom Verhängnis ereilt worden zu sein. Darauf deutet der Mangel der Bekleidung, der Umstand, dass einer der Männer einen Schuh am Fuß, einen Strumpf in der Hand hatte. Wie elementar, wie rasend schnell musste die Lawine zu Tal gebrochen sein! Der Schall, der Vorbote der Katastrophe, konnte der Lawine nur wenige Sekunden vorausgeeilt sein.
Indes sind es nicht diese „Eiskaskaden“, die eigentlich den Namen „Gletscherlawinen“ verdienen. Handelt es sich bei ihnen doch mehr um eine Einzelheit, eine Bewegung innerhalb des Eisstromes, nicht um ein Abreißen, ein Niedergehen eines Gletscherstückes, das mit verheerender Gewalt in die Täler bricht. Solche Katastrophen, wiewohl nur selten, sind doch in unseren Alpen eingetreten, haben sich wegen ihrer Größe und Gewalt tief in die Erinnerung der Bergbewohner eingeprägt. Hierher gehört auch der Gletscherbruch an der Altels, den ich hier kurz beschreiben möchte, um durch dies eine genau bekannte Beispiel die seltene Art von Katastrophen zu charakterisieren.
Am 11. September des Jahres 1895 ereignete sich an dem vielbegangenen Weg über die Gemmi, einen Pass, der von Kandersteg im Berner Oberland nach dem Rhonetal leitet, das furchtbare Unheil. Die Altels (Tafel 29) ist eine prächtig geformte Pyramide, deren obere Hänge von schimmerndem Firn und Gletscher bedeckt sind. Ein Teil des Gletschers löste sich zu früher Morgenstunde los und stürzte in das Kandertal. Von dem Sturz weiß kein Augenzeuge zu berichten: alle Bewohner der Spitalmatte am Fuß des Berges kamen ums Leben. Undeutliche Staubwolken, ein Zittern des Erdbodens, verbunden mit anhaltendem unheimlichem Getöse, der Niedergang eines feinen Sprühregens von Eispulver und Wasser, den verschleppten Eiswolken, die der Sturz aufwirbelte, — das ist alles, was in näherer und fernerer Umgebung wahrgenommen wurde. Die Verunglückten wurden bald aus den Trümmern der Lawine, nur wenig von Eisschutt überdeckt, aufgefunden. Sie waren zum Teil entsetzlich verstümmelt und scheinen gerade beim Aufstehen vom Verhängnis ereilt worden zu sein. Darauf deutet der Mangel der Bekleidung, der Umstand, dass einer der Männer einen Schuh am Fuß, einen Strumpf in der Hand hatte. Wie elementar, wie rasend schnell musste die Lawine zu Tal gebrochen sein! Der Schall, der Vorbote der Katastrophe, konnte der Lawine nur wenige Sekunden vorausgeeilt sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Naturgewalten im Hochgebirge
Naturgewalten im Hochgebirge Tafel 027 Lobbiagletscher
Naturgewalten im Hochgebirge Tafel 029 Die Altels. Die Abrissnische im Gletscher
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