3. Einst und jetzt in Neuseeland.

Vor etwa 500 Jahren wurde Neuseeland von den Maoris, Polynesiern, die vom Norden, vielleicht von der Samoagruppe her einwanderten, besiedelt. Rasch breiteten sie sich über die beiden Inseln aus. Sie nährten sich von Pflanzen und den Moa-Vögeln. Als diese ausgerottet waren, wurden sie aus Not Kannibalen. Ihre Tapferkeit und kriegerische Geschicklichkeit zeigten die Maoris beim ersten Zusammenstoß mit Europäern. 1642 wurde Neuseeland von Tasman entdeckt, dabei wurde ein Boot überfallen und vier Europäer fanden ihren Tod.

127 Jahre lang wurde die unwirtliche Küste gemieden. 1769 besuchte Kapitän Cook Neuseeland. Er wiederholte seinen Besuch 1773 und 1777. Dem Kannibalismus ist er am wirkungsvollsten dadurch entgegengetreten, daß er die Kartoffel und das Schwein dorthin verpflanzte. So freundlich die Beziehungen der Maoris zu Cook waren, so sehr haßten sie die Franzosen, die gleichzeitig landeten. Kapitän De Surville hatte 1769 einen Häuptling entführt; die Maoris überfielen daher 1772 die Mannschaft eines französischen Schiffes, töteten und verspeisten 16 Franzosen, darunter den Kapitän Maron, eine Tat, die dann von den Franzosen wieder blutig gerächt wurde. Durch diese Kämpfe, die von beiden Seiten mit großer Grausamkeit geführt wurden, kam Neuseeland wieder in Mißkredit.


Dagegen wurde der Handel von Sydney immer rühriger. Auch kamen entflohene Verbrecher aus den australischen Strafkolonien, verbanden sich mit Maori-Weibern und führten ein wildes, abenteuerliches Leben. Trieb es einer zu bunt, so wurde er ohne weiteres gelyncht, aufgehängt und dann erschossen. Der Haupthandelsartikel war der Rum. Und womit bezahlten ihn die Eingeborenen? Mit den Erzeugnissen ihrer Felder, mit Schweinen, mit ihren Frauen und Töchtern. Endlich hatten sie nichts mehr, und nun begannen sie zu morden, um die abgeschnittenen Köpfe den Europäern zu liefern, die sie gut absetzen konnten, weil die anthropologischen Sammlungen in Europa solche Köpfe sehr gut bezahlten.

Das klingt wie ein wüster Traum, so greulich ist es, und doch ist es buchstäblich wahr.

Eine Wendung zum Bessern trat ein, als die anglikanische Mission 1814 nach Neuseeland kam. An ihrer Spitze stand Marsden. Er brachte Pferde, Rinder, Schafe, Geflügel mit und fand bei einigen Häuptlingen freundliche Aufnahme. Am Weihnachtstage 1814 wurde von ihm die erste christliche Predigt gehalten. Der Einfluß der anglikanischen Mission wuchs mit jedem Jahr, und schon 1820 schien es, als ob Neuseeland sich in einen christlichen Maoristaat verwandeln werde.

Ein Häuptling, Hongi, der treueste Anhänger der Missionare, kam nach England und wurde hier sehr gefeiert. Er hörte von Napoleons Siegeslaufbahn und beschloß, ihn nachzuahmen und ganz Neuseeland unter sein Szepter zu beugen. Mittelst der reichen Geschenke, die er erhalten hatte, kaufte er sich Gewehre und Munition, und an der Spitze von 3000 Mann unternahm er seine Kriegsfahrt, die bis 1828 dauerte, d. h. bis er einer Wunde erlag. Das unterbrochene Missionswerk konnte nun wieder beginnen; Schulen wurden errichtet und der Kannibalismus so bekämpft, daß er seit 1843 ganz erlosch.

Nun wurde auch England auf den Wert dieser Gebiete aufmerksam. Unter dem Vorsitz des Lord Durham wurde trotz alles Protestes der Missionare eine Gesellschaft zur Kolonisation von Neuseeland gegründet. Am 22. Januar 1840 brachte die »Aurora« die ersten Einwanderer nach Port Nicholson, andere folgten, und im Laufe eines Jahres zählte die Ansiedelung 1200 Personen. Außerdem schickte die Regierung den Vertreter Gobson, der Auckland als Residenz wählte und Verträge mit den Häuptlingen abschloß. Um Flinten, Rum, Tabak, Decken, Spielereien kaufte man ihnen weite Gebiete ab. Doch bald merkten sie, daß sie betrogen werden. Schon 1843 kam es zu blutigen Aufständen. Endlich 1848 gelang es dem Kapitän Grey, einen Frieden zu erzwingen. Doch die letzte entscheidende Auseinandersetzung sollte erst 1859 bis 1870 kommen. Elf Jahre lang tobte der Kampf, in dem die Maoris um ihre Existenz kämpften mit wechselndem Glück. Besonders zähen Widerstand leistete der Häuptling Te Kuti, dem es gelungen war, der Gefangenschaft auf den Chatham-Inseln zu entrinnen, und die letzten Getreuen, Todesmutigen um sich zu scharen. Endlich im März 1870 eroberten die kolonialen Truppen die Verschanzungen Te Kutis in Maraetahi, wobei die meisten seiner Anhänger getötet oder gefangen genommen wurden. Te Kuti selbst aber entkam auch diesmal mit einer Hand voll Leuten. Vergebens waren alle Bemühungen, seiner habhaft zu werden; er blieb frei und unbezwungen. Amtlich hörte seine Verfolgung erst 1883 auf, in welchem Jahr er »begnadigt« wurde.

Im Jahr 1887 kam es wieder zu einem kleinen Aufruhr. Doch streckten sie vor einer Abteilung von Freiwilligen und Polizei ohne Schwertstreich die Waffen. Ihre Widerstandskraft ist gebrochen; sie gehen friedlich und resigniert ihrem unausbleiblichen, tragischen Schicksal entgegen. Ihre Zahl beträgt heute noch etwa 40 000.

Rasch und kräftig hat sich die Kolonie inzwischen entwickelt. Längst hat der letzte englische Soldat Neuseeland verlassen. 1864 wurde Wellington, am Südende der Nordinsel gelegen, als Sitz der Zentralregierung bestimmt. 1870 erhielt Neuseeland eine Universität. 1872 wurden vom Statthalter zwei Maorihäuptlinge zu Mitgliedern des Oberhauses ernannt. Seit 1876 verbindet ein Kabel Neuseeland mit Australien, 1877 wurde der allgemeine Schulzwang eingeführt und das Schulgeld abgeschafft, 1885 fand eine Gewerbeausstellung statt und 1893 wurde auch den Frauen das Wahlrecht erteilt. Neuseeland ist ein reiches Land und erfreut sich eines ausgedehnten Eisenbahnnetzes. Seine Bevölkerung besteht fast ausschließlich aus tüchtigen, unternehmenden anglo-sächsischen Germanen.

An der Spitze der Regierung steht ein von England ernannter Statthalter, der den Vorsitz im Ministerium führt und der Höchstkommandierende der neuseeländischen Streitkräfte ist. Tatsächlich hat er gar keinen Einfluß auf die inneren Angelegenheiten. Er vertritt in Neuseeland die Gesamtinteressen des großbritannischen Weltreichs im allgemeinen und des englischen Mutterlandes im besonderen und kann in Anbetracht der äußerlich lockeren Verbindung der Kolonie mit Großbritannien nicht mit Unrecht als ein großbritannischer Gesandter angesehen werden.

Die eigentliche Regierung liegt beim Parlament. Es besteht aus dem Oberhaus, dessen Mitglieder vom Statthalter auf sieben Jahre gewählt werden und das gegenwärtig 45 Mitglieder, darunter 2 Maoris zählt, und dem Unterhause, dessen 74 Mitglieder (darunter 4 Maoris) auf Grund des allgemeinen Stimmrechts, das sich auch auf die Frauen erstreckt, auf drei Jahre gewählt sind.

Eine wichtige Rolle spielt der Generalagent der Kolonie, der seinen Sitz in London hat und in ähnlicher Weise die Rolle eines neuseeländischen Gesandten in Großbritannien spielt wie der Statthalter die Rolle eines englischen Gesandten in Neuseeland.