2. Im Fjordgebiet der Südinsel.

Jeden Sommer kommen mehrere Dampfer der neuseeländischen Dampfschiffahrtsgesellschaft der Reihe nach in die interessantesten dieser Fjorde, so daß es sehr leicht ist, sie zu besuchen. Auch über Land vom östlichen Seegebiet aus können einige erreicht werden; doch ist das eine sehr mühsame, zeitraubende und teure Sache, auch lernt man nur einige Fjorde kennen. Jene Dampfer pflegen von Dunedin auszugehen und über den Bluff d. h. den Hafen von Invercargill zur Südwestspitze der Südinsel hinabzufahren. Diese wird umschifft und dann in den südlichsten der Fjorde eingefahren. Ein ziemlich enger Eingang führt in das Innere des Fjords hinein.

Niedrige, von dichtem Urwald bekleidete Hügel umgeben auf allen Seiten den Fjord, und auf seinem Spiegel ruhen zahlreiche, gleichfalls dicht bewaldete Eilande. Diese Inseln sind abgerundete, wenig über den Meeresspiegel vorragende Felsen, durch die Gletscher der Eiszeit abgeschliffene Rundhöcker. Von der mittleren Erweiterung dieses Fjords geht ein ziemlich schmaler Arm nach Nordosten, in dessen Hintergrund schon höhere Berggipfel sichtbar werden. In diesen fährt der Dampfer ein, um dann wieder zum offenen Meer zurückzukehren und die Küste entlang in nördlicher Richtung bis zum Eingang in den Dusky-Sund weiter zu fahren. Hier sind die Berge höher und kühner gestaltet. Er steht in Verbindung mit dem Breaksea-Sund. Dicht bewaldete Abhänge umgeben diesen scheinbar rings eingeschlossenen, einem Gebirgssee ähnlichen Meeresarm, in den mehrere Wasserfälle sich stürzen. Der Dampfer fährt wieder ins offene Meer und setzt seinen Weg weiter der Küste entlang nach Norden. Der Reihe nach passiert er den Doubtful-, Thompson-, Nancy-, Charles-, Caswell- und Georgsfjord, wo er wieder einfährt. Dieser Fjord ist wieder ungleich großartiger als die weiter südlich gelegenen. Die höchsten Gipfel der Berge, die ihn einfassen, ragen 2000-2300 Meter über das Meer auf. Ihre Abhänge sind steil, in ihren unteren Teilen mit Wald bedeckt und gekrönt mit Firnfeldern und Gletschern. In der Südostecke des Fjords stürzt ein wasserreicher Wasserfall von einem kanzelartig vorspringenden Felsen herab, hinter welchem ein herrlicher Waldsee liegt.


Am nächsten Bligh-Sund wird wieder vorbeigefahren und dann der nördlichste und zugleich schönste, der Milford-Sund, besucht. Da das Hochland, in dem diese Fjorde eingeschnitten sind, nach Norden hin ansteigt, sind die Abhänge, die den Milford-Sund einschließen, und die Berggipfel, die ihn umgeben, höher als die Einfassungen der südlichen Sunde. Fast überall steigen diese Abhänge unmittelbar vom Meeresspiegel auf. Nur am oberen Ende, wo die Flüsse Cleddau und Poseidon münden, findet sich eine größere Delta-Ebene, auf der neuerdings ein Unterkunftshaus errichtet worden ist. Von den Berggipfeln der Umgebung ist namentlich der Mitre Peak im Süden zu erwähnen. Er zeichnet sich durch außerordentliche Steilheit und Schlankheit aus. Allenthalben stürzen Wasserfälle Silberfäden gleich über die dunklen Fjordwände in das Meer; überall ziert üppiger, immergrüner Urwald die weniger steilen Stufen und Absätze der unteren Wandpartieen, und häufig schmücken glänzende Schneefelder und Gletscher mit bläulich schimmernden Schründen die Bergeshäupter, die von schwindelnder Höhe herabschauen auf den ruhigen, dunkelgrünen Spiegel des Sundes. Alle Besucher des Fjords schwärmen von seiner Großartigkeit und landschaftlichen Schönheit. Ich selbst habe ihn »Juwel der Antipoden« genannt; er ist jedenfalls das Schönste, was ich in Australien und Neuseeland gesehen habe. Von den vielen Wasserfällen, die sich in ihn stürzen, ist der 160 Meter hohe Bowenfall im Norden der bedeutendste.

Hier verlassen wir den Dampfer, um dem Tal des Poseidon zu folgen. Es ist ein der Küste und der Hauptwasserscheide parallel laufendes Längstal, das weitaus größte von allen, die in einen Fjord münden. Der Boden des unteren Tales ist breit, flach und dicht bewaldet; fast eben geht es hinauf bis zu einem See, dem Ada-See, der die ganze Breite des Tales einnimmt. In einem der dort befindlichen Boote fahren wir zu dem Südende des langgestreckten Sees hinauf. Steile, zerrissene Felswände fassen seitlich den See ein. Jenseits geht es noch eine kurze Strecke im Boot durch den Poseidonfluß hinauf bis zu der Stelle, wo das Talgefälle zuzunehmen beginnt. Von hier führt ein rauher, dicht bewaldeter Pfad weiter hinauf. Nach einem ziemlich mühsamen Marsch erreichen wir die Hütte, von wo aus der Weg zum Kinnanpaß führt. Anderthalb Kilometer jenseits dieser Hütte liegt der berühmte, 600 Meter hohe Southerland-Fall. Es ist dies kein freier Fall, sondern das Wasser schießt über einen steilen, teilweise bewaldeten, an zwei Stellen durch Stufen unterbrochenen Abhang hinab. Die obere dieser Stufen ist 40 Meter breit. Man kann den ganzen Fall gut auf einmal überblicken, und er macht einen großartigen Eindruck. Aber auch die Umgebung ist sehr schön. Hohe Wälder schließen die breite Talmulde ein. Namentlich die Südwand ist von unvergleichlicher Schönheit.

Im Osten ragt die Felspyramide des Mount Balloon auf, an dem der Weg zum Te Anausee vorbeiführt. Der erste, dem es gelang, über den steilen Abhang zum oberen Ende des Southerlandfalles emporzusteigen, war ein gewisser Quill. Er ist später bei dem Versuch, einen Übergang vom Milford-Sund zum Wakatipu-See zu finden, abgestürzt. Im Hintergrund des Cleddautales erhebt sich der Mount Tutoko zu einer Höhe von 2758 Meter. Er ist wohl der höchste Gipfel des ganzen Fjordgebiets. Hodkings und die Gebrüder Roß haben ihn 1895 erstiegen. Sie gingen vom Milford-Sund das Cleddautal entlang, bis es sich spaltet, folgten dem linken Talast, und erreichten, den Urwald durchbrechend und den Fluß durchwatend, eine Talweitung. Hohe Felswände schließen sie ein, und durch die schmale Schlucht, zu der das Tal sich nach oben hin verengt, hinaufblickend, sieht man den Tutoko mit seinem schmalen, bis zu 300 Meter Meereshöhe nach Süden hinabsteigenden moränen-armen Gletscher.

Eine kurze Strecke unterhalb der Stirne dieses Eisstroms wurde das Lager aufgeschlagen und dann von hier aus über einen vom Tutoko nach Südwesten abgehenden Kamm angestiegen. An einem hübschen Eisfall vorübergehend, erreicht man ein Firnplateau mit nur unbedeutenden Spalten und über dieses den Fuß des noch 600 Meter emporragenden Gipfels. Nun muß eine Wandstufe erklettert und weiter durch eine steile Schneerinne an den zackigen Gipfelfelsen angestiegen werden.

Das Gebirge im Nordosten zwischen dem Fjordgebiet und dem Aorangi gehört wohl zu den ungangbarsten Teilen der Erdoberfläche. 1000 Meter tief eingerissene Schluchten, deren schmale Sohlen von haushohen Felstrümmern erfüllt sind, zerschneiden das Land. In der Tiefe bekleidet üppiger, verfilzter Urwald die weniger breiten Talmulden. In den höheren Regionen breiten sich wildzerklüftete Gletscher aus. Eines der wildesten Täler ist das Twaintal, zu dem vom Mount Seston aus der Douglasgletscher in unvergleichlicher Schönheit niedersteigt.