1. Auckland und Rotorua

Unter dem 37. südlichen Polarkreis sind in der Nordinsel von Neuseeland zwei gegenüber liegende Buchten, so tief eingeschnitten, daß nur eine schmale Landzunge zwischen ihnen übrig bleibt. Diese Buchten, der Hauraki-Golf im Nordosten und die Manukau-Bai im Südwesten, zeigen eine reichgegliederte Strandlinie und entsenden kleine, schmale Ausläufer – Creeks – ins Land hinein. Diese schneiden in den etwa zehn Kilometer breiten Isthmus an zwei Stellen tief ein. An einem Punkt nähern sich die gegenüber liegenden Creeks bis auf eineinhalb Kilometer. Über diese und über noch eine andere Stelle, wo das Land ebenfalls sehr schmal ist, haben seiner Zeit die eingeborenen Maoris Boote von dem Hauraki nach dem Manukau-Golf geschafft und umgekehrt.

Zwischen diesen beiden Einschnürungen liegt die Stadt Auckland. Ihre Umgebung ist sehr reich an Vulkankegeln. Einer derselben, der Mount Eden, ist ein häufig besuchter Aussichtspunkt. Seinen Krater füllt ein kleiner See aus. Nach außen ziehen grasbewachsene Hänge von seinem Walle herab zu den von schwarzen Basaltmauern abgegrenzten Feldern, die sich an seinem Fuße ausbreiten. Weiterhin sieht man die Obstgärten und Parkanlagen, die Häuschen und Villen der nächstliegenden Vorstädte. Den langen Meeresarm, welcher den Hafen von Auckland bildet, entlang, breitet weißglänzend die Stadt sich aus. Wie künstlich in den Boden eingelegte Spiegel schimmern etwa dreiundsechzig kreisrunde Seen in den umliegenden Kratern. In unzähligen Armen dringt das Meer in das Land ein. Im Norden, jenseits des Hafens, erhebt sich der stattliche Kegel des Rangitoto und rechts sehen wir den mit zahllosen Inseln geschmückten Hauraki-Golf. Fern im Norden schließt die im blauen Duft verschwimmende kleine Barrier-Insel das herrliche Bild ab. Im Osten sieht man die durch ihren Goldreichtum berühmten Hügelreihen der Koromandel-Halbinsel. In der weiteren Umgebung von Auckland breitet sich das Gebiet der Kauriwälder und jener Sumpfflächen aus, wo die Pechgräber zu Tausenden umher wandeln, den Boden mit ihren Spießen untersuchend und die Klumpen des kostbaren Harzes mühsam ausgrabend.


Eine Eisenbahn führt von Auckland nach Rotorua, dem Hauptorte des Thermengebiets. Die Fahrt nimmt acht bis zehn Stunden in Anspruch. Sechzig Kilometer weit führt die Bahn durch reich kultivierte Gegenden mit Dörfern und Ortschaften in südwestlicher Richtung der Mitte der Nordinsel zu. Bei der Station Mercer kommt man an den Waikato-Fluß heran, hier ein breiter, wasserreicher Strom. Einige Kilometer weit folgt die Bahn dem Flußufer. Dann verläßt man den Strom, um ihn erst bei Huntley wieder zu erreichen. Fünfzehn Kilometer weiter wird Ngaruawahia, die einstige Residenz des Maorikönigs Potatau erreicht, ein an der Vereinigungsstelle des Waipa mit dem Waikato malerisch gelegenes Dorf. Die westliche Talwand ist hier dicht bewaldet, 500 Meter hoch und ziemlich steil. Auf schöner Eisenbahnbrücke wird der Maikato überschritten. Jenseits des Flusses wird die Gegend öde und unfruchtbar. Vor Hamilton, dem Hauptort des Maikatogebiets, teilt sich die Bahn: in südlicher Richtung geht es nach Mokau, in östlicher nach Te Aroha oder nach Cambridge. Der Rotoruareisende folgt der Linie Te Aroha bis Morrimsville. Hier zweigt die Linie nach Südosten ab. Man kommt da an einen festen, mit Schießscharten versehenen Turm von ganz mittelalterlichem Aussehen vorüber, der zum Schutz gegen die Maori erbaut, aber nie benützt worden ist, und erreicht Okoroire. Nicht sehr weit entfernt finden sich einige heiße Quellen, und es ist da eine Badanstalt mit Hotel errichtet worden. Nun wird die Wasserscheide überschritten und vor uns liegt der Rotorua-See.

Das am Ufer gelegene gleichnamige Dorf macht einen freundlichen Eindruck. Das bedeutendste Gebäude ist das Sanatorium mit hübschen Anlagen; auch von den Hotels haben einige beträchtliche Größe. Besonders sehenswert ist die 2½ Kilometer von der Bahnstation Rotorua entfernte Gruppe von heißen Quellen. Da finden sich ein Teich, dessen Wasser eine Temperatur von nahezu 100° C. hat, ein mit heftig kochendem Schlamm erfüllter Krater, eine Gruppe von kleinen Dampfstrahlen, welche die Eingeborenen zum Kochen benützen und dergleichen mehr. Vielerorts ist der Boden mit Kieselsinter (Absatz von Kieselsäure, durch heiße Quellen gebildet) bedeckt. Auf einer kleinen Anhöhe befindet sich ein von einer niedrigen Ringmauer umgebenes Loch, welches kochendes Wasser enthält. In diesem hat einmal ein erzürnter Maori einen jungen Mann, der seine Tochter entführt hatte, gekocht und dann sein Gehirn und seine Augen verspeist, worauf die Stätte von dem alten Herrn mit einer Mauer umgeben und für unberührbar – » tabu« – erklärt wurde.

Dort finden sich auch zwei Löcher, die unterirdisch mit einander zusammenhängen. Das eine ist breit und mit kochendem Wasser gefüllt, welches abwechselnd steigt und sinkt; es steigt, bis es den Beckenrand erreicht hat, wallt dann auf und sprudelt wohl auch an einzelnen Stellen in Springbrunnengestalt mehrere Meter hoch empor, worauf es wieder sinkt. Wenn in diesem Becken der Wasserspiegel zu sinken anfängt, pflegt in dem andern ein Geyser-Ausbruch stattzufinden, welcher 20 Minuten bis drei Stunden dauert. Während derselben steigt hier das Wasser bis zu einer Höhe von 25 Meter empor. Diese Ausbrüche pflegen zweimal am Tag stattzufinden; sie setzen jedoch bisweilen auch mehrere Tage aus.

In der Umgebung des Rotorua-Sees liegen mehrere andere Seen, die sehenswürdig sind. Wie hübsch auch der Rotorua-See mit der Mokoia-Insel in der Mitte sein mag, so besitzen doch die andern Wasserbecken Reize, die ihm fehlen. Nichts ist angenehmer, als im Sommer am Ufer des malerischen Rotoiti-Sees zu biwakieren. Dieser 14 ½ Kilometer lange See hat eine reichentwickelte Strandlinie; lange Landzungen reichen weit in den See hinein, und dazwischen liegen liebliche Buchten. Im Osten zieht stellenweise dichter Wald bis zum Wasser hinab, und zwischen den Waldstrecken ragen Felswände auf. Ein 3 Kilometer langer Pfad führt vom Rotoiti-See durch üppigen Urwald zum Rotoehu-See. Der kleine Rotoma-See zeichnet sich durch die intensiv blaue Farbe seines Wassers aus. Üppiger Wald schließt ihn auf allen Seiten ein; der Strand selbst ist zum Teil sandig, zum Teil felsig.

Interessanter als diese Seen ist die Höllenpforte von Titikere, ein breites Tal, dessen Boden von heißem Wasser und Dampf ganz durchwühlt ist. In der Mitte liegen zwei kleine siedende Seen, von denen dichte Dampfwolken und Schwefelwasserstoffgas emporsteigen. Eine schmale Landbrücke trennt die beiden Seen von einander. Eingehüllt in den giftigen vulkanischen Dampf und zitternd unter der vulkanischen Kraft, welche sich hier so nahe der Erdoberfläche betätigt, erscheint diese von den kochenden Wassermassen der beiden Seen eingefaßte Brücke in der Tat wie die Pforte in der Unterwelt. Nördlich von diesen Seen breiten sich schwefelreiche Sümpfe aus, jenseits derselben gähnt ein dunkler Abgrund, auf dessen Boden ein bös aussehender Schlammgeyser brodelt und zischt.

Sehr interessant ist auch die Stätte des Tarawera-Ausbruchs von 1886. Überall sieht man die vulkanischen Auswurfsmassen, welche seither vom Wasser tief durchfurcht worden sind. Ein langer von einer Kraterreihe gekrönter Spalt durchzieht die Gegend. Das ist der Spalt, in dem der berühmte Rotomahana-See versunken ist. An Stelle dieses Sees befand sich nach dem Ausbruche ein gewaltiger Abgrund, in dessen Tiefe siedende Schlammassen brodelten. Jetzt füllt sich dieser Schlund immer mehr mit Wasser; es ist dort ein neuer See in Bildung begriffen