Hoffestlichkeiten beim König der weißen Elefanten. - Nach Hesse-Wartegg, in den Monatsheften von Velhagen und Klasing. 1896/97.

Für den Reisenden ist es eine wahre Erquickung, auf ein Volk zu stoßen, das unter allen Anzeichen einer eigenartigen Kultur die reizvollste Ursprünglichkeit zeigt. Das gilt insbesondere von dem hinterindischen Königreich Siam. Sein König Tschulalongkorn war der weiseste König, den Siam je gehabt hat, der weiseste Reformator, dem sein Volk unendlich viel verdankt. Den größten Beweis seiner Begabung lieferte er damit, daß er nicht wie die Japaner sich mit Haut und Haar der europäischen Bildung verschrieb, sondern auf die konservativen Neigungen seines Volkes Rücksicht nahm.

Seine Hauptstadt Bangkok ist von ihm ganz modernisiert worden; aber das Leben darin ist vollkommen ursprünglich geblieben. Dort drängt ein Fest das andere, so wie wenn in Europa ein Karneval wäre, und die Kosten trägt der König. Zu den regelmäßigen Festen (Neujahr, Geburtstag, Wasser-, Saat-, Erntefest, Geburt und Tod Buddhas) kommen noch außerordentliche: Geburt eines Prinzen, Tod einer Königin, erstmaliges Haarschneiden eines Prinzen, Fang eines weißen Elefanten u.s.w. Da der König achtzig Kinder hinterließ, während sein Sohn deren schon hundertfünfzig zählt, so fehlt es nicht an Gelegenheit zu Feiern. Ja, es ist sogar nötig, daß mehrere Geburten oder Todesfälle zusammengenommen werden. Die Bestattung einer Leiche z.B. erfordert riesige Vorbereitungen. Durch Verbrennung wird der Verstorbene dem Gipfel buddhistischer Glückseligkeit eine Stufe näher gerückt, deshalb die Festlichkeit. Den Glanz und die Seltsamkeit des Aufzugs, welcher die goldenen Särge zu der Verbrennungsstätte begleitet, ist schwer zu schildern. Militär, Hofchargen, Prinzen und Würdenträger begleiten sie, scharlachrot gekleidete Diener ziehen die Wagen, andere Prunkwagen sind mit den schneeweiß gekleideten Prinzen und Prinzessinnen gefüllt. Jeden Wagen umgeben Gestalten in phantastischen Trachten und mit jenen fünf bis acht Meter hohen Schirmen aus Gold und Seide, jeder einzelne mit sieben nach oben sich verjüngenden Schirmen übereinander. Dem Zug voran wird der König getragen mit allerhand goldenen, juwelengeschmückten Abzeichen seiner Würde. Er sitzt mit zwei seiner Kinder in Weiß gekleidet auf einem vergoldeten Thron. Dann folgen Paukenschläger und Musiker, sodann auf vergoldetem Prunkwagen der Hohepriester, ein Bruder des Königs. Zwei volle Tage wird gefestet, ehe die eigentliche Verbrennung stattfindet. Der König verkehrt leutselig unter seinen Untertanen und verteilt Geschenke an jeden, der ihm vorgestellt wird. Am dritten Tag steigt der König zu den Katafalken empor und zündet mit einem Span den Scheiterhaufen an. Nach ihm werfen alle Anwesenden nach ihrer Rangordnung ebenfalls brennende Späne in das Feuer; die Gesandten und europäischen Gäste erhalten für diesen Zweck schöne geschnitzte Hölzer aus Sandelholz. Bald lodert das Feuer hoch empor, dichte Rauchwolken steigen zum Himmel, die drückend schwüle Atmosphäre, die in Bangkok fast das ganze Jahr über herrscht, füllt sich mit dem Parfüm der wohlriechenden Hölzer, das aber den widerlichen Geruch der langsam verzehrten Leichen nicht unterdrücken kann. Im Augenblick, da die Priester die Asche in eine Urne sammeln, bricht der Freudenjubel los, das Volk verteilt sich in die Theater und Tanzbuden und der König schenkt herrliche Früchte, in denen Lotteriezettel verborgen sind, seiner Umgebung. Mit Einbrechen der Nacht erreicht die Festlichkeit ihren Höhepunkt, wenn der König mit eigener Hand das großartige, chinesische Feuerwerk entzündet. Die Chinesen sind ja die geschicktesten Meister in der Zusammensetzung von Feuerwerkskörpern. Den Abschluß bildet ein Ballet im königlichen Palast. Hunderte von jungen, hübschen, geschmeidigen Mädchen, in lange, weiße, durchscheinende Kleider gehüllt, mit Kronen und Juwelen bedeckt, tanzen ihre eigentümlichen javanischen Tänze, oder bilden malerische Gruppen. Am folgenden Tag werden alle die prächtigen, kostbaren Gebäude, die für eine solche Verbrennung erstellt worden sind, von Hunderten von Arbeitern wieder abgetragen, um nach vier oder acht Wochen für eine neue Verbrennung wieder errichtet zu werden.


Nicht geringer sind die Festlichkeiten beim ersten Haarschneiden der jungen Prinzen. Den siamesischen Kindern wird nämlich der Schädel kahl rasiert und nur ein Scheitelzöpfchen stehen gelassen. Im Alter von zehn bis zwölf Jahren dürfen sie sich das ganze Kopfhaar wachsen lassen, zuvor aber muß das Haarzöpfchen abgeschnitten werden. Ich war zugegen, als für den Kronprinzen dieser feierliche Augenblick gekommen war. Im innersten Hofe des Palastes war ein Gebäude errichtet von märchenhafter Pracht. Hier erhob sich ein goldener Felsen mit Grotten, Wasserfällen und eingerahmt von üppigster Tropenvegetation. Auf der höchsten Spitze befand sich ein großes goldenes Wasserbassin, umgeben von symbolischen Tieren, aus deren Nüstern Wasser in das Bassin strömte. Der Kronprinz war in ein langwallendes, weißes Gewand gehüllt, und so führte ihn der König empor zu der Spitze des goldenen Berges, wo Braminen das Haarzöpfchen in vier Stränge teilten. Dann schnitten vier königliche Prinzen mit einer goldenen Scheere je einen Strang ab; das Kind wurde hierauf zum Bassin geleitet und schließlich, nachdem es seine nassen Kleider mit goldstrotzenden, juwelenbesetzten Prunkgewändern vertauscht hatte, dem Hof vorgestellt. Natürlich geht auch hier das Volk nicht leer aus, Vergnügungen aller Art, Geschenke und Feuerwerk werden ihm zuteil.

Das Großartigste bietet wohl das Katin, d. h. die Verteilung von Geschenken an die Buddhistenpriester. Siam zählt deren über 100 000. Sie dürfen im elften Monat ihre Tempel und Klöster verlassen und nach Belieben auf die Wanderschaft gehen. Überall werden sie reich beschenkt, vor allem vom König selbst, der ihnen in großem Staat Priestergewänder nach den verschiedenen Tempeln bringt. Seinem ersten Tempelbesuch geht eine wundervolle Regatta auf dem breiten Menaamstrom voraus. Hunderte von herrlich illuminierten Barken schwimmen wie eine meilenlange Feuerschlange an dem Königspavillon vorüber, dem Meere zu; dann entzündet der König das auf dem Strom auf verankerten Flößen angebrachte Feuerwerk, das mit seinem wunderbaren Schein das ganze Weichbild der Stadt beleuchtet. Am folgenden Tag erfolgt der Besuch des Königs. Bangkok ist das Venedig des Ostens, seine Hauptverkehrsstraßen sind der Menaamstrom mit seinen Kanälen. Hier erscheint, vom Königspalast kommend, die Flottille der goldstrotzenden Ruderboote, die an Größe, Zahl und Ausschmückung selbst die glänzendsten Fahrzeuge der alten Dogen Venedigs in den Schatten stellen. Pfeilschnell gleiten diese ungeheuren Barken in regelmäßigem Takt den Strom hinab, voran die der Prinzen, dann die königliche Barke, in deren Mitte auf einem Thron der König in seinem vollen Ornate sitzt, die siebenfache, diamantblitzende Krone auf dem Haupt und ganz mit den kostbarsten Juwelen besät. Vier Mandarinen in reichsten Prachtgewändern sitzen neben seinem Thron, während Pagen mit mächtigen Straußenfedern dem König Kühlung zufächeln. Hinter dem Königsboot folgen die Barken mit den Geschenken für die Priester, dann Hunderte anderer, alle mit Vergoldung und Holzschnitzerei geschmückt. Bei jedem Tempel macht der König Halt, empfängt den Segen der Oberpriester und läßt die Geschenke durch Diener abgeben. Diese bestehen aus prachtvollen Gewändern, Lebensmitteln u.a. Stets sind dabei kleine Päckchen von Zahnstochern aus wohlriechendem Holz und andere Päckchen mit größeren Hölzern, die einen weniger appetitlichen, nicht näher zu bezeichnenden Zweck haben. Der Gebrauch derselben wird durch die Spärlichkeit des Papiers in Siam hinlänglich erklärt.

Zweimal im Jahr findet ein Fest statt, zu dem kein Europäer zugelassen wird: Prinzen, Minister, Edelleute und hohe Würdenträger wiederholen ihrem Landesherrn den Eid der Treue. Dabei erscheinen sie in den altsiamesischen Trachten aus Goldbrokat, Filigrangold und Juwelenschmuck.

So reiht sich an dem glänzenden Märchenhofe des siamesischen Königs Fest an Fest. Der dabei entwickelte Prachtaufwand muß jährlich Millionen verschlingen; aber das Volk ist damit zufrieden und vergöttert seinen König. Im Grund genommen fließt das Geld doch wieder in dieselben Taschen zurück, denen es entnommen wurde. Mit der Zeit wird die Zahl der Feste und ihre Pracht doch abnehmen; denn auch Siam schreitet vorwärts, und die letzte Reise des Königs nach Europa hat sicherlich die Wirkung, daß an die Stelle von Festen und Feuerwerken Nützlicheres tritt.