d) Heringsfischerei

Man findet in dem Weltmeere keine Gattung Fische, welche sich so stark vermehrt als die Heringe. Man fängt sie vorzüglich in der Nordsee, auch in einigen Gegenden der Ostsee, besonders an den großbritannischen, dänischen, norwegischen, schwedischen und gotländischen Küsten. Der letztere ist magerer als der an der großbritannischen Küste gefangene. Wie groß der Vorrat von diesen Fischen sein müsse, lässt sich unter andern daraus abnehmen, dass man in dem norwegischen Kirchsprengel Svanoe, in einer einzigen Bucht, im Jahre 1748 so viel Heringe fing, dass 80 Jagden damit angefüllt wurden (zur Ladung einer Jagd gehören 100 Tonnen, und eine Tonne enthält von den norwegischen kleinen Heringen 1.200 Stück). Da nun, nach der Versicherung des PONTOPPIDAN*), wegen der großen Menge eben so viel in der Bucht erstickt und umgekommen sind, so muss der Bezirk über neunzehn Millionen Heringe in sich gefasst haben. FABRICIUS**) versichert, dass man aus einer einzigen Bucht, welche man mit Netzen umspinnen würde, manchmal viele tausend Tonnen Heringe auffischen könne.
Die Heringsfischerei geschieht zwar von verschiedenen Nationen an ihren eigenen Küsten; allein der starke Fang ist doch vornehmlich im schottischen Meere, bei den Inseln Orkney und Schettland, wo sich die Heringe, gegen den 8. oder 10. Juni, in unglaublicher Menge einfinden.

*) ERICH PONTOPPIDANS Versuch einer natürlichen Historie, aus dem Dänischen übersetzt; 1ster u. 2ter Teil, 8; 1753 u. 1754.
**). FABRICIUS Reise nach Norwegen; 8. Hamburg, 1779; S. 280.


Die ältesten Heringsfänger sind, so viel man Nachricht hat, die Strandbewohner von Schottland, welche ehemals ihre eigene Gilde und Fischergesellschaft hatten. Auch war diese Fischerei schon vor vielen Jahrhunderten ein Haupt-Nahrungszweig der Flamländer, durch deren Beispiel wahrscheinlich die Seeländer und Holländer zu diesem einträglichen Geschäfte aufgefordert wurden. Letztere hatten in den früheren Jahrhunderten keinen Anteil an demselben, sondern mussten diese Fische von den Schotten kaufen, welche dadurch reich wurden. Man erzählt, dass ein, mit seiner Zunft und Fischergesellschaft unzufriedener, schottischer Fischer, Namens Violet Stephens, gegen die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, nach Enkhuysen in Holland übergegangen sei, und den dortigen Einwohnern das Geheimnis des Heringsfanges entdeckt habe. England und Schottland sahen dieses Unternehmen einer fremden Nation an ihren Küsten nicht gleichgültig an, und es entstanden Streitigkeiten zwischen England und Holland, die bald abgebrochen, bald mit größerem Eifer fortgesetzt wurden, bis im Jahre 1667, und zuletzt im Friedensschlusse von 1674, der Streit geendigt, und den Holländern die Fischerei frei gegeben wurde.

Der Fang dieser Nation wurde gar bald der beträchtlichste, und ist es auch bis auf die zwei oder drei letzten Jahre des französischen und batavischen Revolutionskrieges geblieben, in welchem die holländische Fischerei nur zu sehr durch die Engländer eingeschränkt wurde.

Die beste Zeit zur Heringsfischerei lässt sich, nach ANDERSON *), im Allgemeinen nicht bestimmen: bald ist die Sommerfischerei, bald die Winterfischerei, reichlicher; bald ist sie an den Küsten von Schottland, bald an denen von Irland, am ergiebigsten. Aus den gesammelten Nachrichten ergibt sich, dass, im Ganzen genommen, im November und Dezember eine verhältnismäßig größere Anzahl Heringe an den schottischen Küsten gefunden wurden, als in der früheren Jahreszeit. Der Heringsfang geschieht jetzt, wenn man die schwedischen Küsten davon ausnimmt, fast allein an den Küsten von Großbritannien, wo dieser Fisch seinen Aufenthalt genommen zu haben scheint, nachdem er die Küsten von Schonen verlassen hat. Er wird hier von Johanni bis Jakobi, oder vom 24. Juni bis 25. Julius, in der Gegend von Hittland, Foirhill und Bockens; von Jakobi bis zur Kreuzerhöhung, oder vom 25. Julius bis den 14. September, in der Gegend von Bockens oder Jeveniot; und von der Kreuzerhöhung bis Katharinentag, das ist, vom 14. September bis 25. November, tief in der See, gegen Osten von Yarmouth, und nicht weit davon bis zu Ende des Januars, gefangen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass der Hering nicht eher zur Vollkommenheit, Größe, Reife und Fettigkeit gelanget, als gegen den Ausgang des Brachmonats, wenn er sich einige Zeit schon bei den Inseln Schottlands vereiniget hat. Die Staaten von Holland, welche diesem Zweige der National-Industrie ihre Aufmerksamkeit widmeten, haben, wie vorhin schon gedacht worden, durch Verordnungen festgesetzt, dass von ihren Fischern vor dem 24. Juni kein Netz ausgeworfen werden darf, und dass kein, vor diesem Tage gefangener, Hering als Kaufgut passieren soll; so wie auch, dass der Hering erst zehn Tage nach seiner Einpökelung verkauft werden soll.

*) ANDERSONS Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der Hebridischen Inseln und der westlichen Küste von Schottland; 8. Berlin, 1789.

Im Jahr 1609 schloß die Stadt Hamburg mit den Staaten von Holland einen Vertrag, welcher enthielt, dass kein Heringsjäger oder Jagdschiff, dessen man sich zur geschwinden Überbringung der ersten Heringe bedient, zu Hamburg eingelassen, und zum Ausladen und Verkauf eines Herings Erlaubnis haben soll, wenn er nicht durch
Zertifikate beweisen oder eidlich erhärten kann, dass die mitgebrachten Heringe nicht vor Johanni oder vor dem 24. Juni gefangen worden sind. Den Engländern und Schotten wurde die Einbringung ihrer Heringe auf eben den Fuß und auf eben die Bedingungen, wie den Holländern, durch einen Vertrag vom Jahr 1711, bewilligt. Diesen Vertrag hat man auch von Seiten Großbritanniens 1719 erneuert, ohne dass hierin etwas geändert wurde. Als im Jahre 1747 eine Heringsgesellschaft errichtet wurde, um diese Fischerei, nach dem Beispiel der Holländer, bei Schottland und den Orkadischen Inseln zu treiben, so wurde alles nach den Grundsätzen der Holländer eingerichtet, und die Britten unterwarfen sich zu Hamburg, in Ansehung der Zeit des Heringsfanges, eben den Formalitäten. Die verschiedenen Namen, welche die Heringe nach der Zeit ihrer Erscheinung, nach ihrer Güte und Behandlung erhalten, sind:

1. Jagd-Heringe, holländ. Jagersharing, engl. Summers, franz. Harengs chasseurs, Heringe vom ersten Fang; sie führen diese Namen, weil sie von den Holländern in eigenen Fahrzeugen, welche sie Ventjagers oder schlechtweg Jagers nennen, nach Hause gebracht, und weiter verführt werden
2. Jungfer-Heringe, holl. Maatjeshaaring, franz. Harengs vierges, sind die besten Heringe vom ersten Fange, in welchen noch zur Zeit weder Milch noch Rogen (keine Kütte) vorhanden ist, die aber an sich fett und zart sind, auch ein wohlschmeckendes Fleisch haben
3. Voll-Heringe, holländ. Valleharing, engl. Fulleherings, franz. Harengs pleins; so heißen diejenigen, die um Bartholomäi gefangen werden, weil sie alsdann auf dem Punkte sind zu laichen, und daher voll Milch und Rogen sind.
4. Eine sehr gute Sorte von den Küsten Frankreichs heißt Harengs halbourgs, Hohl-Heringe; holländisch, Schottharing, Holharing; engl. Schottenherings, Sickherrings; franz. Harengs vides ou gais, d. h. geringe, oder die erst gelaicht, folglich keine Milch oder Rogen haben.
5. Etwas besser sind die Harengs marchais.
6. Heringe, welche sich, während des Einsalzens, ihrer Milch oder ihres Rogens entlediget haben, heißen in verschiedenen Gegenden Frankreichs Harengs boussards ou à la bourse, und wenn ein Teil der Milch oder des Rogens zurückgetreten, und sich hornartig verhärtet hat, Harengs cornés.

Die fremden, zum Heringsfange ausgerüsteten, Schiffe der Holländer, der Preußen in Embden, der Dänen in Altona, der Franzosen in Dünkirchen, und der Niederländer, gibt ANDERSON zu 275 Buysen mit 3.765 Mann an. Die Schiffe, sowohl als die Netze, deren man sich zum Heringsfange bedient, sind unter sich an Größe merklich verschieden. Diejenigen Nationen, welche nur an den Küsten ihren Fang treiben, haben weit kleinere Schiffe und Netze nötig, als andere, welche dieses Geschäft im hohen Meere verrichten.
1. Die, zu diesem Fange bestimmten, Schiffe werden Buisen, Büysen, Büschen, Heringsbuisen oder Huker genannt. Die holländischen halten gewöhnlich 24 bis 3o Lasten, oder 48 bis 60 Tonnen (die Tonne zu 2.000 Pfund gerechnet); doch gibt es auch welche von 80 bis 100 Tonnen, wovon die größten sechs Last Heringe tragen.*)

*) Last und Tonnen werden hier teils als Schiffsmaß, zur Bestimmung
der Größe eines Schiffs, teils als Heringsmaß gebraucht. Im ersteren Falle hält eine Last zwei Tonnen, und die Tonne 2.000 Pfund; im zweiten Falle hält die Last zwölf Tonnen, und die Tonne 1.000 Stück Heringe.

Diese Fahrzeuge sind dreimastig, haben ein Verdeck, und hinten und vorne eine Kajüte, von welchen die letztere als Küche gebraucht wird. Ihre Länge beträgt 50 bis 60, und die Höhe des ganzen Fahrzeugs, vorne 20 und hinten 22 Fuß. An den Orten, wo diese Buisen ausgerüstet werden, z. B. zu Enkhuysen, Delfshafen, u. s. w., wird vor dem Absegeln erst ein Buisentag, d. h. ein Feiertag gehalten, an welchem die Geistlichen, unter einem großen Zulauf der Menschen, eine Anrede halten, und den versammelten Seeleuten den Schutz des Himmels und einen reichen, gesegneten Fang erflehen. Nach dieser feierlichen Handlung segeln die Fischer ohne Verzug ab. Sie führen, außer den nötigen Fanggerätschaften, auch Handgewehr gegen feindliche Anfälle, oft sogar einige kleine Kanonen, mit sich. Jede Buise ist mit 10 bis 14 Mann besetzt, und mit 40 bis 45 Netzen versehen. Eine solche Buise kostet in Holland neu 5 bis 9.000 holl. Gulden, und die Ausrüstung zu drei Reisen beinahe eben so viel. Der Steuermann bekommt von jeder Last Heringe (die Last zu 12 Tonnen gerechnet) fünf Gulden; die übrige Mannschaft fährt auf Wochenlohn.*) Zu einer jeden Buise gehören noch drei oder vier Jägers (Jagdschiffe), welche den Fischern die nötigen Bedürfnisse zuführen, und die in den drei ersten Wochen gefangenen Heringe auf das geschwindeste nach den Seehäfen hinschaffen. . . .

*) Buse, Beschreib. des Heringsfanges, im 4ten Bande seiner Warenkunde, S. 390.

2. Die Netze, deren im Jahr 1416 bekannt gewordene Erfindung den Einwohnern von Horn in Nord-Holland zugeschrieben wird, sind von besonderer Art. Die holländischen dürfen keine zu kleine Maschen haben, damit nur die großen Heringe gefangen werden, und die jungen durchschwimmen und sich wieder vermehren können. Auch müssen sie, einer obrigkeitlichen Vorschrift zufolge, 5 bis 600 Klaftern, oder 1.000 bis 1.200 Ellen, lang sein, und 50 bis 55 Teile oder Wände haben. Sie werden jetzt von einer groben persischen Seide verfertiget, welche so dauerhaft ist, dass ein solches Netz drei Jahre ausdauert; da hingegen ein hanfenes nur ein einziges Jahr aushält. Sie werden durch den Rauch angezündeter Späne schwarz oder braun gefärbt, um sie den Fischen weniger sichtbar zu machen, weil man bemerkt hat, dass diese durch eine zu helle Farbe der Netze leicht verscheucht werden. Es kostet Zeit und Mühe, sie von der Spille in die See zu bringen. Die Buisen dürfen nicht zu nahe liegen, damit sich die ausgeworfenen Netze nicht in einander verwickeln. Oberwärts werden sie mit Tonnen in der Höhe, und unterwärts mit Steinen straffangezogen und im Grunde erhalten. Man wirft sie des Abends aus, weil der Fang der Heringe, so wie bei allen übrigen Fischen, des Nachts am
besten von statten geht: des Morgens werden sie durch eine Winde wieder eingezogen. Die Heringe gehen, so wie alle Fische, dem Lichte nach; es werden daher die Buisen mit Laternen behangen, und jene dadurch in die Netze gelockt, welche manchmal so sehr damit angefüllt sind, dass ein einziges Netz oft 10 bis 11 Lasten enthält. Das mit Fischen angefüllte Netz dient, wegen seiner Schwere, der Buise gleichsam zum Anker. Das Einziehen, welches etwa um fünf oder sechs Uhr Morgens geschieht, kostet wohl drei Stunden Arbeit, worauf dann ein jeder von der Mannschaft das Seinige zu tun findet, um die Heringe zu kaaken (so nennen die Holländer das Abkehlen und Ausweiden der Heringe), in Tonnen zu legen und mit groben Seesalze zu salzen. Fünf Lasten geben schon einer Buise täglich alle Hände voll zu tun. Der Fang fällt zwar verschieden aus, doch erhält man gewöhnlich in einem Zuge drei bis sieben, auch zuweilen, jedoch seltener, zehn bis zwölf Lasten. Alles, was über fünf Lasten in einem Zuge gefangen wird, nennen die Holländer Slabbers. Dieser Überschuss wird nur leicht gesalzen, und oft in besondere Schuiten oder kleine Fahrzeuge geworfen, und nachher am Lande, jedoch nicht so stark als die eigentlichen Bücklinge, geräuchert.

In der Nacht des 24. Juni werden, nach verrichtetem Gebete, die Netze ausgeworfen. Ein Eid verbindet die Heringsfänger, dieses nicht eher zu tun. Die Fischer bemerken mit ihrem geübten Auge gleich in der Morgenstunde, an der Bewegung des Meeres, die Orte, wo die Fische in großer Menge schwimmen. Die frühere oder spätere Ankunft der Fischer in einer und derselben Gegend bestimmt die Ordnung und Zeitfolge, in welcher sie ihre Netze auswerfen. Sonderbar ist es, dass von mehreren Netzen, die nach einander auf einer und derselben Stelle geworfen werden, einige gar keine, andere hingegen volle Netzladungen bekommen. Reist ein Netz, so wird ein anderes um das zerrissene geschlagen, um dadurch den Fang zu retten. Ist aber ein Netz festgeraten, so gehen oft viele Tonnen Heringe samt dem Netze verloren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Natur- und Handelsgeschichte des Herings.