C. Indische Sagen

Es wird sich herausstellen, daß auch die indischen Berichte von der Entstehung der Erde mit den europäisch-asiatischen Schöpfungslegenden verwandt sind, ja ihnen in mancher Hinsicht näher stehen, als die iranischen und babylonischen Erzählungen. Die Annahme genetischer Beziehungen zwischen östlicher und westlicher Tradition wird demgemäß neue Stützen erhalten. Da aber die unmittelbare Entlehnung bei der geographischen Verschiedenheit der Völker ausgeschlossen ist, so wird sich alsdann die Frage erheben: durch wessen Vermittlung sind diese kosmogonischen Sagen nach dem Westen gelangt?

Ich beginne mit der einfachsten und wohl auch ältesten Erzählungsform des Ramayana (XI, 110, 3 = Muir S. 54), die nur das ozeanische, aber nicht das dualistische Motiv enthält:


Alles war nur Wasser, und darinnen wurde die Erde geformt. Dann erhob sich Brahma mit den Göttern, er wurde ein Eber und brachte die Erde herauf.

Ausführlicher ist dies im Vishnu Purana (Wilson I, Kap. 4 = Muir 1, S. 50 — 51) erzählt, wobei das Erschaffen der Berge besonders hervorgehoben wird.

Brahma erwachte aus seinem Schlaf und sah, daß das Weltall leer war. Da er erkannte, daß die Erde unter den Wassern lag und er sie herausheben wollte, schuf er eine andere Gestalt zu diesem Zweck, und wie er in vorhergehenden Kalpas die Gestalt eines Fisches oder einer Schildkröte angenommen hatte, so nahm er in dieser die Gestalt eines Ebers an . . . Er, der Erhalter aller geistigen und körperlichen Wesen, tauchte in den Ozean . . . Und der mächtige Eber, dessen Augen wie der Lotes waren, und dessen Körper ungeheuer wie die Ni'la Berge, von der dunklen Farbe der Lotosblätter war, hob auf seinen mächtigen Hauern die Erde aus den untersten Regionen . . . Durch die Eindrücke, die seine Hufe gemacht hatten, stürzten die Wasser mit Donnergeräusch in die unteren Tiefen ... Er setzte die Erde auf den Kamm des Ozeans, wo sie schwimmt wie ein ungeheures Schiff, und durch ihre furchtbare Größe sinkt sie nicht unter die Wasser.

Darauf schafft er die Berge wieder, die bei der Zerstörung der Welt verschwunden waren.

Eine wertvolle Übereinstimmung mit unseren Sagentypen bieten zwei andere Quellen.

Im Taittiriya Sanhita 7, 1,5, 1 ff . (= Muir 1,52 f.) wird erzählt:

Das Universum war früher Wasser. Prajapati [-brahma] wurde zum Wind und bewegte sich und sah die Erde. Er wurde ein Eber, er nahm sie herauf, er wurde Visvakaram, er wischte sie ab, sie wurde größer, sie wurde die Weite, dann schafft er Götter.

Im Taitt. Brahmana 1, 1, 3, 5 ff. (= Muir S. 53) heißt es:

Das Universum war früher Wasser. Prajapati sah ein Lotosblatt stehen. Er dachte: Dieses Blatt ruht auf etwas, und er als Eber, nachdem er diese Form angenommen hatte, tauchte daraufzu. Er fand die Erde da unten, er brach ein Stück davon ab und stieg an die Oberfläche. Er breitete es auf dem Lotosblatt aus. Soweit er es ausbreitete, so weit ist die Ausbreitung der weiten Erde. Der Wind blies sie nach den vier Himmelsgegenden. Er stärkte sie mit Kies usw.

Wie man sieht, entspricht das Wachsen der Erde und das Heraufholen nur eines abgebrochenen Erdstückes durchaus dem Vorgang in unseren Sagentypen.

Eine neue Ähnlichkeit findet sich in der heutigen hindustanischen Volksüberlieferung, insofern Brahma sich auf den Meeresgrund herabläßt und ein Antagonismus von Göttern vorhanden ist.

Brahma, der sich auf einem Lotos in der Mitte des Ozeans befand und nichts anderes im Universum erblickte, dachte, daß er der erste von allen Wesen sei. Er ließ sich an dem Lotosstengel herab und traf Vishnu, welcher schlief. Brahma fragte ihn: Wer bist du? Ich bin der Erstgeborene, antwortete Vishnu. Brahma fing an zu streiten und überfiel sogar Vishnu, aber während des Kampfes stieg Civa herab, sie zu trennen, und rief: Ich bin der Erstgeborene. Aber ich werde den als den Älteren ansehen, der imstande sein wird, den Scheitel meines Hauptes und die Sohle meines Fußes zu sehen. Vishnu verkörperte sich in den Eber, grub die Erde aus und drang in die untersten Gebiete, wo er den Fuß Civas sah. Nach seiner Wiederkunft erkannte ihn Vishnu als den Ältesten der Gotteswesen an (Aus Burnouf, l’Iinde francaise, bei Dragomanov).

Auffallend ist hier die Verwandtschaft mit den oben erwähnten zervanitischen Erzählungen.1) (Die Frage: Wer bist du? und der Anspruch, älter zu sein, Civa = Zrvan erkennt Vishnu = Ormuzd an. So bliebe übrig die natürlich ganz äußerliche Gleichsetzung Brahma = Ahriman, wozu der Kampf gegen Vishnu stimmt.)

Andere Sagen nähern sich den dualistischen Schöpfungssagen insoweit, als von zwei bei der Schöpfung beteiligten Gottheiten die Rede ist. Die eine (Brahma) überlegt, wie die Erde zu schaffen ist, die andere (Vishnu in der Inkarnation des Ebers) vollzieht das Werk durch Tauchen und Heraufholen.

„Als der Mann Svâjambhuva und seine Frau geschaffen worden waren, sprach er (zu Brahmâ): . . . Du allein bist der Schöpfer, der Vater, der Ernährer aller Wesen . . . Geruhe aber, o Herr, auf der Welt mir und den Meinigen eine Wohnstätte anzuweisen. Die Erde, die Wohnung aller Geschöpfe, ist im großen Ozean versunken, schaffe, o Gott, daß diese herrliche Erde aus dem Abgrund heraufsteige.“ Da Paramêchthin wirklich die Erde mitten in den Wassern hatte liegen sehen, überlegte er lange bei sich: „Wie kann ich sie heraufholen? Da ich gerade schaffen will, ist die Erde, von den Wassern verschlungen, in den Abgrund gefallen, was kann ich nur tun, da ich doch mit der Schöpfung beauftragt bin? Möge der höchste Herr, aus dessen Herzen ich entstanden, mir den Weg zeigen!“ Während er so nachdachte, der Weise ohne Sünde, kam ein daumengroßer Eber aus seiner Nase heraus. Als Brahmâ das Tier, das sich in der Luft hielt, ansah, wurde es sofort so groß wie ein Elefant, das war . . . ein großes Wunder. Brahmâ überlegt, was das Wunder bedeuten kann, da brüllt das Tier, und sie erkennen, wessen Gestalt sich darunter verbirgt. Das Wesen, dessen Gestalt in den Vedas beschrieben ist, . . . tauchte in die Wasser . . . nach mehrmaligem Brüllen . . . Den Himmel durchkreuzend mit aufgerichtetem Schweif, stark von Körper, seine Mähne schüttelnd, ganz bedeckt mit spitzen Haaren, die Wolken unter seinen Füßen niedertretend, seine weißen Hauer zeigend, mit flammendem Blick, so erschien Bhagavat, um die Erde zu heben, und . . . tauchte in die Wasser. Durch die Kraft des Falles dieses einem Diamantberg gleichenden Körpers zerrissen die Seiten des Ozeans, und er streckte seine langen Wellenarme aus, seufzte wie ein Kranker und rief: „O Herr, habe Mitleid mit mir.“ Dieser . . . sah in der Tiefe des Abgrunds die Erde, ... er erhob sie auf einem seiner Hauer und stieg glänzend aus dem Abgrund herauf.
(Le Bhâgavata Purâna p. Eugene Burnouf I, Livre 3, p. 397.) 2)

Dieser Kampf des schaffenden Gottes gegen das urgewaltige Meer, das er zerteilt, erinnert an die babylonische Erzählung von Marduk und Tiamat.

Eine kurze Erwähnung der Sage findet sich im Satapata Brahmana 14, 1, 2, 11 (= Muir S. 53): Früher war die Erde nur so groß wie eine Spanne. Ein Eber namens Eniüsha hob sie herauf (und brachte sie Prajapati, dem Herrn dieser Erde).

Hier ist wiederum wichtig, daß die Erde anfangs nur winzig klein war. Das entspricht den beiden ersten indischen Sagen, nur sind diesmal zwei Wesen an der Schöpfung beteiligt. Ganz so, wie Satanael (Erlik) Sandkörner oder Schlammteilchen zu Gott heraufbringt, trägt der Eber jene Spanne zu Prajapati.

Eine interessante Parallele findet sich im Taittiriya Arenyaka 1, 23 (= Muir 1, 32 f.), wobei vorauszuschicken ist, daß in mehreren Schöpfungssagen die Entstehung der Teufel durch Ausspritzen von Meerwasser geschieht. 3) Es heißt dort:

Prajapati allein wurde hervorgebracht auf einem Lotosblatt (im Wasser). In seinem Geist entstand der Wunsch: Laß mich dies schaffen. Dann schüttelte er seinen Körper, daraus entstanden die Rishis, Arunas, Ketus, Vatärasanas. Seine Nägel wurden die Vaikhanasas, sein Haar die Balakhilyas, das Flüssige [seines Körpers] wurde eine Schildkröte, die sich in den Wassern bewegte. Er sagte zu ihr: Du bist aus meinem Fleisch und Blut entsprungen. Nein, erwiderte sie, ich war vorher hier. Die Schildkröte wurde zum Mann mit 1000 Köpfen, 1000 Augen, 1000 Füßen und stieg auf (aus den Wassern). Prajapati sagte zu ihm: Du bist vor mir entstanden, mache du zuerst dies. Er nahm Wasser von diesem in die Höhlung seiner Hände und spritzte es nach Osten, Süden, Westen, Norden. So entstanden die vier Himmelsgegenden. Dann schuf er durch Spritzen den Mittelpunkt, spritzte in die Höhe und schuf die oberen Regionen, die Götter, Menschen usw. Von den Tropfen, die zur Seite fielen, entstanden (folgt eine große Zahl von Namen).

Wir haben hiermit über die Vergleichung unserer zwei Sagentypen hinausgegriffen und auf Varianten hingewiesen, die erst noch mitzuteilen sind. Übereinstimmungen mit diesen zeigt auch noch die Sage vom Milchschaum des kosmischen Meeres.

Im dritten Buche des Bagavadam heißt es:

In der Fülle der Zeit war das Weltall noch im Schoße des Vishnu. In betrachtenden Schlummer versenkt, auf der Schlange Adiseschen ruhend, schwebte dieser Gott auf dem Milchmeer. (Majer 1, 247.)

Dazu stellt sich eine Parallele aus der Kosmologie der Kalmücken.

Im Anfange war Chubi Sajagar, ein ungeheurer Raum oder Chaos . . . In diesem weiten Räume zogen sich goldfarbige Wolken zusammen und schütteten einen so heftigen und dichten Regen aus, daß ein unermeßliches Meer daraus wurde. Auf diesem Meere erzeugte sich nach und nach ein Schaum, wie auf Milch, und aus diesem Schaume sind alle lebendigen Geschöpfe, auch die Menschen, und aus dem menschlichen Geschlechte die Burchanen oder Götter hervorgekommen.4)

So wird auch in manchen unserer Schöpfungssagen der Teufel auf dem dicken Meerschaum schwimmend gedacht. Gott findet ihn, der offenbar aus diesem Schaume entstanden ist, und nun entwickelt sich die Begebenheit zwischen beiden. In anderen Sagen wieder schwimmt der Teufel in einer Blase, die sich auftut, so daß Gott ihn erblickt. Das erinnert an die indischen Sagen von einem Weltei. In dem Gesetzbuch des Menü wird gelehrt:

Das Universum befand sich ursprünglich bloß in der ersten göttlichen Vorstellung, durch Offenbarung noch nicht entdeckt, so als wäre es gänzlich in Schlummer versenkt. Dann erschien die einige, durch sich selbst bestehende Macht und verscheuchte das Dunkel, so daß glänzend hervorging der, der von Ewigkeit und selbst die Seele aller Wesen ist.

Als dieser beschlossen hatte, verschiedene Wesen aus seiner eigenen göttlichen Substanz hervorzubringen, schuf er zuerst mit einem Gedanken die Wasser und legte einen Keim der Fruchtbarkeit in sie. Dieser fruchtbare Same wurde ein Ei, glänzend wie Gold und strahlend wie die Sonne, und in diesem Ei wurde er, der von Ewigkeit ist, selbst geboren in der Gestalt des Brahma, des großen Urvaters aller Geister. In diesem Ei saß die große Macht untätig ein ganzes Götterjahr, nach dessen Verlauf aber ließ er bloß durch die Kraft seiner Gedanken das Ei sich auseinander tun. Aus den beiden Hälften bildete er oben den Himmel und unten die Erde, in der Mitte den feinen Äther, die acht Gegenden des Himmels und den bleibenden Wasserbehälter.5)

Die vielfache Ähnlichkeit, die sich zwischen indischer und europäischasiatischer Kosmogonie ergeben hat, berechtigt zu dem Satze, daß die indischen Quellen weithin geströmt und den Norden Asiens, wie den Osten Europas befruchtet haben. Das alte Kulturland, dessen Schätze so oft ausgebeutet worden sind, hat wieder einmal zu ausgiebiger Entlehnung sich geöffnet. Dabei ist das Motiv des Tauchens nach der Erde, das in dem ozeanischen Indien sich von selbst und mit Notwendigkeit darbot, in kontinentale Gebiete gelangt, denen es ursprünglich durchaus fremd sein mußte. Diese Entlehnung kann aber nicht unmittelbar stattgefunden haben. Die Kombination jener Einzelheiten, die wir als übereinstimmend erkannt haben, also die vollständige Sagenform, wie wir sie in Asien und Europa besitzen, fehlt in Indien. Es gilt also die Mittelströmungen zu suchen und Sagen nachzuweisen, die sich noch mehr unseren Sagentypen und deren Varianten nähern.




1) Eine ähnliche Sage ohne solche Färbung steht im Bagavadam, Buch III. Danach wuchs aus Vishnus Nabel ein Lotosstengel hervor, auf dem eine Blumenknospe erschien. Durch die Strahlen der höchsten Sonne, die Vishnu selbst ist, erschloß sie sich, und Brahma wurde in ihr erschaffen. Brahma wandelte lange in dem hohlen Lotosstengel umher (vgl. oben), um das Geheimnis seines Ursprungs zu erforschen. Endlich setzte er sich müde auf der Blume nieder. Durch tausendjährige Büßung „kam er zum Besitz aller der Kenntnisse, die zu dem großen, ihm anvertrauten Werk der Schöpfung nötig waren“, doch hätte er es durch Eitelkeit verdorben. Vishnu läuterte ihn daher durch eine Bußezeit von hundert göttlichen Jahren. Dann trank Brahma die Wasser des Meeres, in welchen die Welt versammelt lag, und sah sie wie aus dem Wasser hervorsteigen. Er setzte den Abgrund und die Prinzipien der Dinge und brachte Berge, Bäiune und Pflanzen, Götter, Menschen, Riesen und Tiere hervor. (Vgl. Majer, Mythol. Lexikon 1, 247 ff.)




2) Vgl. ebda, livre 1, p. 21: Im Anfang nahm Bhagavat, der die Welt schaffen wollte, die Gestalt Puruchas an . . . Während er auf dem Ozean ruhte, in den Schlummer des Nachdenkens versenkt (vgl. die Erzähl, der Zervaniten), kam aus seinem Nabel wie aus einem Teich eine Lotosblume hervor, aus der Brahma entstand. Um nun die Welt zu schaffen, nahm dieser (rott die Gestalt eines Ebers an, um die Erde aus den Tiefen des Abgrundes zu holen, in den sie gefallen war. — Eine sehr ähnliche Sage bei Majer, Myth. Lex. 1, 44, welcher zitiert: Bagavadam, Buch 6; Sonnerats Heise nach Ostindien 1, 137; Baldaeus, Beschreibung der ostindischen Küsten 478. Auf die Bitte Brahmas, der von Suyambu und dessen Weib angerufen ist, hebt Vishnu die Erde aus dem Meere empor. In Gestalt eines Ebers, der aus anfänglicher Zollgröße so anwächst, daß er die ganze Welt erfüllt, kämpft er mit dem mächtigen Riesen Eruniakschen, der einst die Götter und Menschen vertrieben und die Erde zu sich hinabgezogen hatte. Der Riese führte mit einer ungeheuren Keule einen Schlag nach dem Eber; aber Vishnu wich ihm mit Geschicklichkeit aus, stürzte auf ihn los und riß ihm den Leib auf. Danach hob er die Erde mit den Spitzen seiner Hauer aus dem Abgrunde, und indem der Körper des getöteten Riesen ihm zur Fußbank diente, legte er sie auf die Wasser, wie sie vordem gelegen hatte. Damit sie aber im Gleichgewicht bleiben möchte, brachte er Ketten von Gebirgen an, auch setzte er noch einige Berge darauf.




3) In anderen Versionen werden Teufel und Engel aus einem Stein hervor gehämmert. Diese Änderung stellt sich als sehr natürlich dar bei Völkern, die die Metallschätze des Altai ausnutzten. Hierüber, wie über das Ansehen der Schmiede bei den Nomadenstämmen Hochasiens siehe Heinrich Schurtz, Hochasien und Sibirien S. 154.




4) Eine japanische Sage lautet:
Im Anfang der Welt bewegte Isanagino Mikotto, der erhabenste der sieben himmlischen Geister das Chaos mit einem Stabe. Als er ihn wieder herauszog, tropfte ein schlammiger Schaum davon herunter, verdichtete sich, vergrößerte sich und bildete den Archipel Japans. Zur Erinnerung daran heißt noch heute eine Insel: Awadzi-Sima = Insel der Schaumerde.
(Aus Charencey, Une legende cosmogonique.)

Auch die moslemischen Schriftsteller berichten von diesem kosmischen Schaum, zum Beispiel Abou Hodhaifa: Als Gott Himmel und Erde schaffen wollte, entfesselte er den Wind, daß er das Wasser aufwühlte, so daß Wellen, leichter Regen und Dunst entstand. Gott ließ den Schaum sich verdichten. Daraus machte er die Erde (aus den Wellen die Berge, aus dem Dunst den Himmel). (Huart, livre de la creation d'Abou-Zeül p. 2.)




5) Vgl. die Schöpfung nach den Vedas (Majer 1, 261).
Als das Urwesen sich offenbaren wollte, erschien es als ein Ei, blieb ein Jahr und spaltete sich dann. Die eine Hälfte seiner Schale, die Silber war, ist die Erde, die andere, goldene, ist der Himmel. Aus dem, worin das Junge enthalten war, wurden die Berge, aus dem dünnen Häutchen, in welchem das Junge und Feuchtigkeit enthalten war, wurden die Wolken und der Blitz, aus den Adern die Meere und aus der Feuchtigkeit, die sich in der das Junge enthaltenden Hülle befand, wurde der Ozean. Das Junge selbst aber wurde die Sonne. Hierzu die Parallele im finnischen Epos Kalewala, Rune 1 (in Schiefners Übersetzung S. 4). Die goldenen Eier, die eine Ente auf das Knie der Wassermutter gelegt hat, stürzen ins Urmeer und zerbrechen:

Nicht verkommen sie im Schlamme,
Nicht die Stücke in dem Wasser,
Sondern werden schön verwandelt.
Schön gestaltet alle Splitter.
Aus des Eies untrer Hälfte
Wird die niedre Er den Wölbung,
Aus des Eies obrer Hälfte
Wird des hohen Himmels Bogen;
Was sich Gelbes oben findet.
Strahlet schön als liebe Sonne,
Was sich Weißes oben findet,
Leuchtet hold als Mond am Himmel,
Von dem Dunkeln in dem Eie
Wird Gewölke in den Lüften.

Über das Ei als kosmogonische Vorstellung vergl. im übrigen Lukas, Zeitschr. des Vereins f. Volksk. 4, 227.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Natur Sagen - Band 1 - Sagen zum Alten Testament