6. Helmold (1160 — 1170).

Helmold, Pfarrer in Bosow (? im Lübekischen), der von Jugend an in Faldera lebte, stand in freundschaftlichem Verhältnisse mit Wicelin, und begleitete den Bischof Gerold auf seiner Reise durch Wagrien 1155; er begann seine slawische Chronik um das Jahr 1160 und endete sie 1170, war aber nach dem Zeugnisse einer Urkunde noch 7 Jahre später am Leben. Er erwähnt der großen Stadt an der Mündung der Oder, die er Wineta nennt, zwei Mal; zuerst in der geographischen Aufzählung der slawischen Völkerschaften: „Fluvius Odora, vergens in boream, transit per medios Winulorum populos, dividens Pomeranos a Wilzis. In cujus ostio, qua balticum alluit pelagus, quondam fuit nobilissima civitas Vinneta, praestavs celeberrimam stationem barbaris et Graecis, qui sunt in circuitu. De cujus praeconio urbis, quia magna quaedam et vix credibilia recitantur, libet aliqua commemorare, digna relatu. Fuit sane maxima omnium, quas Europa claudit, civitatum, quam incolunt (sic) Slavi cum aliis gentibus permixtis, graecis et barbaris. ...“In einer andern Stelle, wo von der Flucht (984) und dem Tode (965) des Königs Harald die Rede ist, heisst es: „Ipse Haraldus graviter sauciatus fugit ex acie, ascensaque navi elapsus est ad civitatem opulentissimam (so lese ich statt opinatissimam) Slavorum nomine Winnetam. Ubi praeter spem, quia barbari erant, humane receptus, post aliquot dies ex eodem vulnere deficiens, in Christi confessione migravit.“ Was den Gegenstand anbelangt, so ist hieraus klar, dass Helmold in beiden Stellen eigentlich nur dem Adam von Bremen und seinem Scholiasten mit Abänderung einiger hier gesperrt gedruckter Wörter nachgeschrieben hat, und zwar so flüchtig, unaufmerksam und ungründlich, dass er das Wörtchen incolunt bei der, seinen Worten nach, zerstörten Stadt, stehen liess, obgleich er das vorangehende est in fuit verwandelt hatte. Das einzige, was er selbst zugeschnitzt, ist die Verdrehung der Worte bei dem Scholiasten Adams über die Plünderung Jumin’s durch König Magnus im Jahre 1043, die er als vollständige Vernichtung und Zerstörung der Stadt, die er hier Wineta nennt, auffasst. Daraus folgt, dass Helmold von den allen Begebenheiten auf dieser Seite des Slawentums keinerlei neue, eigentümliche und glaubwürdige Nachrichten besaß, so dass auch sein Zeugnis in unserer Sache keine gar große Geltung hat. Hinsichts des Namens steht in dem gedruckten Texte allerdings Vinneta oder Winneta; allein in den besseren Handschriften soll Jumneta, in anderen Niniveta, wieder in andern Imuneta oder Immuneta; bei dem ungenannten Priester von Susel, der um das Jahr 1418 Helmold excerpirte, steht in der entsprechenden Stelle verderbt, Lunneta. Aus allem dem wollen einige neuere Forscher die Leseart Jumne ableiten und Wineta für einen Irrthum der Abschreiber erklären. Allein die überall gleicherweise auftretende Endung — ta widerspricht der Verwandlung dieses Namens in Jumne, und weiset vielmehr darauf hin, dass Helmold wirklich Wineta geschrieben habe. Das Monstrum Luneta ist durch falsche Lesung aus Uineta entstanden, und zwar um so leichter, weil der Abschreiber an die ihm bekannte Stadt Lunden dachte. Winneta, keineswegs aber Jumneta, las die Stelle bei Helmold auch der Mecklenburgische Analist Kirchberg beim Jahre 1378: „Und von der Stad Wynneta — so nennt man sy Winthi; — — — als Wynneta wart verstört, — ich hans gelesen und gehört, — das sy widder buwete sus — mechtig der Keyser Julius — und nante sy do Julyn, nu nennet man sy Wollin“.