Die Akropolis
Pitakkis. — Elginmarbels und Child Harold. — Eine Turmuhr. — Entführung von Kunstschätzen. — Ein Landsmann Thorwaldsens. — Ein geraubter Gott. — Kein Museum. — Die Regierung zu großmütig. — Ewiger Gewinn. — Ein Marmorfragment.
Mit einer Empfehlung des Herrn Levidis stellte ich mich dem Konservator der Altertümer des Königreichs vor, um mir eine Einlasskarte in die Akropolis, die Jedem unentgeltlich verabfolgt wird, zu erbitten. Ich fand in Herrn Pitakkis einen kleinen, hagern, ältlichen Mann mit feurigen Augen, französisch, fast ärmlich gekleidet, in der Hermesstraße in einer kleinen Stube, zwischen Hunderten von Marmorfragmenten und Büchern und Manuskripten arbeitend. Herr Pitakkis fertigte mir in zuvorkommender Weise die Eintrittskarte aus und sagte: „Sie können zu jeder Stunde, jeden Tages die Akropolis betreten; aber auf ihrem ersten Gange dahin gestatten Sie mir die Freude, Sie zu begleiten. Das Entzücken des Fremden ist der schönste Lohn meines Hüteramtes und den lasse ich mir nicht entgehen.“
Herr Pitakkis erzählte mir auf dem Gange zur Akropolis, den wir in einer Viertelstunde vollendet hatten, Einiges von seinem Lebensgange. Zur Theologie bestimmt, lebte er in Athen und wählte seine Wohnung so, dass er die Akropolis immer vor Augen hatte. Es war zu seiner Jugendzeit nicht gestattet, die Burg zu betreten und so konnte der Jüngling mit immer sehnsuchtsvolleren Blicken an den ewig heiligen Ruinen hängen, bis ihm der Franzose Fauvel den Eintritt erwirken, aber nicht vor mancher Misshandlung roher türkischer Soldaten schützen konnte. Er durchkletterte, durchsuchte alle Räume, hob jeden Stein von der Erde, legte zusammen, verbarg, ja vergrub manche Fragmente, wenn er sich allein wusste. Vieles in seinem Gedächtnisse sammelnd, schrieb er, was er oben nicht hätte wagen dürfen, in einzelnen Notizen nieder. Während des Befreiungsaufstandes musste er nach Corfu flüchten, wo er, von den Engländern geschützt, medizinische Studien trieb, vor Allem aber sein archäologisches Wissen zu bereichern strebte. Zurückgekehrt nach Athen, verweilte er, nur des Nachts die Lagerstätte seiner Wohnung suchend, ununterbrochen auf der Akropolis im Dienste der Altertümer; Anfangs unentgeltlich, dann, um nur nicht zu verhungern, um 25 Thaler jährlich. Herr Pitakkis spricht wie jener römische Kaiser: „Ich habe einen Tag verloren!“ wenn er, zufällig gehindert, die Akropolis nicht betreten bat. Er kennt jeden Stein und bemerkt es, wenn Jemand, ein Stück berührend, es zufällig verschoben hat. Die gelehrte Welt verdankt ihm die Mitteilung von 2.800 Inschriften antiker Denkmale.
Als einen eigentümlichen Zufall erzählte Herr Pitakkis, dass die erste Bombe, die von den Freiheitskämpfern gegen die Akropolis geschleudert wurde, jenes Stück einer Säule herunterschlug, in welchem der Tempelräuber Elgin seinen Namen eingemeißelt hat. Herr Pitakkis bewahrt dieses Fragment, das britische Museum den Raub, fast alle Kunstakademien Europas — nur die von Athen nicht — die Gipsabgüsse, welche, um den Namen des schottischen Vandalen zu verewigen, die „Elginmarbels“ heißen.
In einer Straße Athens ragt ein Turm mit einer Uhr — der einzigen öffentlichen in der Stadt — empor, auf welchem zu lesen ist: „Comes Elgin dedicat Atheniensibus“ et volat setzte mein Begleiter hinzu. Höher und unvergänglicher ragt aber die Säule empor, welche der größte englische Dichter nach Shakespeare, in seinem Child Harold aufgerichtet und mit der Inschrift versehen hat:
„Wen hat am rohesten man plündern sehn?
Von Schottlands Sohn, von keinem Briten ist's geschehn.
Der neue Pikte prahlt zu seiner Schmach
Mit dem, was nicht die Zeit, der Türke nicht verbrach.“
Selbst der Türke, erzählt Lord Byron, war nicht unempfindlich, als er bei Herabnahme der Metopen das Untergebäude stürzen sah; er nahm die Pfeife aus dem Munde und sagte bittend:
„Genug!“
Das Schiff, als die Kunstschätze fortgeführt wurden, scheiterte im Archipelagus.
Die Entführung von Kunstschätzen hat aber in Griechenland nicht aufgehört, wiewohl ein Gesetz sie auszuführen streng verbietet, Herr Pitakkis erzählte mir, dass die Franzosen während der Okkupation im Jahre 1855, leider auch in dieser Beziehung auf die Engländer eifersüchtig, unbefugte Nachgrabungen in Pythion und Phyläon auf der heiligen Straße nach Eleusis unternommen und Statuen und Inschriften fortgenommen haben.
Aber auch Einzelne entblöden sich nicht, griechisches Eigentum fortzutragen. Vor mehreren Jahren wurde von Landleuten in der Nähe von Korinth eine sehr wohlerhaltene Statue gefunden, von einer bekannten Persönlichkeit gekauft und auf ein fremdes Kriegschiff gebracht. Herr Pitakkis, dem davon Kunde wurde, machte sogleich, wie es ihm die Pflicht gebot, dem Minister Anzeige hiervon. Dieser dankte dem treuen Hüter griechischer Kunstschätze, meinte aber bedauernden Tones: „Soll ich mit der Macht, welcher das Kriegschiff gehört, einen Notenwechsel beginnen?“ Die polytechnische Schule in Athen besitzt einen, wie zur Ironie dankbarst hingestellten Gipsabguss dieser einzigen Statue, die, aus parischem Marmor gemeißelt, einen Apollo oder Horus darstellt; ein Seitenstück zu Lord Elgins Turmuhr. Als ich Herrn Pitakkis mitteilte, dass ich in einem europäischen Kabinette diese Statue ausgestellt und um den Preis von 20.000 Gulden feilgeboten sah, bemerkte er: „Und den Bauern wurde sie um 1.000 Drachmen, d. i. 300 Gulden, abgehandelt.
Zehn Invaliden bewachen die Akropolis und jeden Fremden begleitet einer von ihnen; nichtsdestoweniger wird mancher Wandalismus verübt. Ein englischer Seeoffizier schlug einer Statue die Nase ab, wurde aber vom Admiral verurteilt, 60 Thaler zu zahlen und drei Jahre nicht den Bord zu verlassen. Ein dänischer Architekt schlug einer Basreliefstatue den Kopf ab, um ihn mitzunehmen in die Heimat Thorwaldsens.
Athen besitzt noch kein Museum, und dieser Nachteil ist der Fantasie des Beschauers günstig. Die Gegenstände sind da aufgestellt, wo sie gefunden worden sind. Es machte mir immer einen schmerzlichen Eindruck, die Häuser in Pompeji kahl und leer zu sehen und die Gegenstände, die sie füllten, außer allen lebendigen Zusammenhang gebracht, im Museum zu Neapel suchen zu müssen.
Die griechische Regierung ist übrigens viel zu uneigennützig, die Besichtigung der Kunstschätze zu gewähren. Zur Zeit, als ich Neapel bereiste, musste jeder das Königreich betretende Fremde 2 Thaler und ebenso, wenn er abreiste, 2 Thaler für die Visierung seines Passes bezahlen. Dieses Geld wurde, teilte man mir mit, zu neuen Ausgrabungen verwendet, und so hatte nicht allein die Kunst, sondern jeder nachreisende Kunstfreund, indem er immer wieder mehr Kunstschätze fand, Vorteil und Genuss davon. Zugleich konnte ein ausreichend überwachendes Personal angestellt werden.
Einen liebenswürdigeren Cicerone gibt es nicht als Herrn Pitakkis. Nicht nur, dass er jeden Stein kennt und seine Geschichte weiß, er liebt ihn auch und hat, wiewohl er jeden tausendmal betrachtet und berührt hat, die Begeisterung für ihn nicht verloren. „Ich bin nur ein fleißiger, treuer Sammler,“ bemerkte Herr Pitakkis, „es werden einmal Künstler kommen, die sollen zusammenfügen, Schriftsteller, die sollen beschreiben und die Geschichte der Kunst bereichern.“ Als er mich von all dem Großen, das in seinen Trümmern größer als alles Ganze auf der Erde ist, erschüttert sah, reichte er mir die Hand: „Ihr seid ein frommer Pilger in Hellas!“
Ich weiß den gelehrten Forschungen über die erhabenen Altertümer nichts Neues hinzuzufügen und will die tausend Schilderungen von Poeten und Reisenden nicht vermehren. Nur Eines sei dem Leser vertraut: wer den Parthenon sah, wer auf den Trümmern wandelte, die wie Grabsteine der Schönheit hingesät sind, und all dies durch die purpurgoldene Mythe, durch die erhabenen Gestalten der hellenischen Welt sich bevölkern und lebendig machen konnte, wer hinaussah in die weite Ebene, auf die von Licht und Erinnerungen verklärten Berge, auf diese himmelblaue See — er kann nicht mehr ganz unglücklich werden. Das Erhabene ist fortan der Schild, der ihn gegen die Alltäglichkeit, gegen die Gemeinheit des Lebens schützt. Wer auf der Akropolis stand, ist zum Zeitgenossen unsterblicher Geschlechter und Gedanken geworden.
Ich bat Herrn Pitakkis um ein Stückchen Marmor, um es, weil er mich einen frommen Pilger nannte, in die Heimat tragen zu können, als Zeichen, dass ich im Heiligtume gewesen. Er suchte am Boden und reichte mir ein kleines Fragment, das zu einer Rinne gehörte und so, wenigstens die Spur des Meißels zeigte. Als ich es dankbar empfing, nahm er mir es wieder aus der Hand und sprach es wehmütig betrachtend an: „Geh, du dritthalbtausend Jahre altes Stück! Vielleicht, dass dich die Hand des Perikles berührte, sein Auge dich gesehen hat. Trotz aller Zerstörung bliebst du noch so lange hier, und jetzt sollst du fort, in das Land der — Barbaren! Nehmt mir diesen Ausdruck nicht übel, Herr! alle Welt ist das Barbarentum, wenn von Hellas die Rede ist!“ Ich wollte, da ich sah, wie ihm die Trennung schmerzlich sei, den Stein nicht annehmen. „Ich habe es überwunden — nehmt, nehmt!“
Wir stiegen schweigend die Akropolis herab. Fortan besuchte ich sie jeden Tag während meines atheniensischen Lebens, vierzehnmal. Eine Nacht oben zuzubringen, wie ich gewünscht hatte, ist nicht gestattet.
Mit einer Empfehlung des Herrn Levidis stellte ich mich dem Konservator der Altertümer des Königreichs vor, um mir eine Einlasskarte in die Akropolis, die Jedem unentgeltlich verabfolgt wird, zu erbitten. Ich fand in Herrn Pitakkis einen kleinen, hagern, ältlichen Mann mit feurigen Augen, französisch, fast ärmlich gekleidet, in der Hermesstraße in einer kleinen Stube, zwischen Hunderten von Marmorfragmenten und Büchern und Manuskripten arbeitend. Herr Pitakkis fertigte mir in zuvorkommender Weise die Eintrittskarte aus und sagte: „Sie können zu jeder Stunde, jeden Tages die Akropolis betreten; aber auf ihrem ersten Gange dahin gestatten Sie mir die Freude, Sie zu begleiten. Das Entzücken des Fremden ist der schönste Lohn meines Hüteramtes und den lasse ich mir nicht entgehen.“
Herr Pitakkis erzählte mir auf dem Gange zur Akropolis, den wir in einer Viertelstunde vollendet hatten, Einiges von seinem Lebensgange. Zur Theologie bestimmt, lebte er in Athen und wählte seine Wohnung so, dass er die Akropolis immer vor Augen hatte. Es war zu seiner Jugendzeit nicht gestattet, die Burg zu betreten und so konnte der Jüngling mit immer sehnsuchtsvolleren Blicken an den ewig heiligen Ruinen hängen, bis ihm der Franzose Fauvel den Eintritt erwirken, aber nicht vor mancher Misshandlung roher türkischer Soldaten schützen konnte. Er durchkletterte, durchsuchte alle Räume, hob jeden Stein von der Erde, legte zusammen, verbarg, ja vergrub manche Fragmente, wenn er sich allein wusste. Vieles in seinem Gedächtnisse sammelnd, schrieb er, was er oben nicht hätte wagen dürfen, in einzelnen Notizen nieder. Während des Befreiungsaufstandes musste er nach Corfu flüchten, wo er, von den Engländern geschützt, medizinische Studien trieb, vor Allem aber sein archäologisches Wissen zu bereichern strebte. Zurückgekehrt nach Athen, verweilte er, nur des Nachts die Lagerstätte seiner Wohnung suchend, ununterbrochen auf der Akropolis im Dienste der Altertümer; Anfangs unentgeltlich, dann, um nur nicht zu verhungern, um 25 Thaler jährlich. Herr Pitakkis spricht wie jener römische Kaiser: „Ich habe einen Tag verloren!“ wenn er, zufällig gehindert, die Akropolis nicht betreten bat. Er kennt jeden Stein und bemerkt es, wenn Jemand, ein Stück berührend, es zufällig verschoben hat. Die gelehrte Welt verdankt ihm die Mitteilung von 2.800 Inschriften antiker Denkmale.
Als einen eigentümlichen Zufall erzählte Herr Pitakkis, dass die erste Bombe, die von den Freiheitskämpfern gegen die Akropolis geschleudert wurde, jenes Stück einer Säule herunterschlug, in welchem der Tempelräuber Elgin seinen Namen eingemeißelt hat. Herr Pitakkis bewahrt dieses Fragment, das britische Museum den Raub, fast alle Kunstakademien Europas — nur die von Athen nicht — die Gipsabgüsse, welche, um den Namen des schottischen Vandalen zu verewigen, die „Elginmarbels“ heißen.
In einer Straße Athens ragt ein Turm mit einer Uhr — der einzigen öffentlichen in der Stadt — empor, auf welchem zu lesen ist: „Comes Elgin dedicat Atheniensibus“ et volat setzte mein Begleiter hinzu. Höher und unvergänglicher ragt aber die Säule empor, welche der größte englische Dichter nach Shakespeare, in seinem Child Harold aufgerichtet und mit der Inschrift versehen hat:
„Wen hat am rohesten man plündern sehn?
Von Schottlands Sohn, von keinem Briten ist's geschehn.
Der neue Pikte prahlt zu seiner Schmach
Mit dem, was nicht die Zeit, der Türke nicht verbrach.“
Selbst der Türke, erzählt Lord Byron, war nicht unempfindlich, als er bei Herabnahme der Metopen das Untergebäude stürzen sah; er nahm die Pfeife aus dem Munde und sagte bittend:
„Genug!“
Das Schiff, als die Kunstschätze fortgeführt wurden, scheiterte im Archipelagus.
Die Entführung von Kunstschätzen hat aber in Griechenland nicht aufgehört, wiewohl ein Gesetz sie auszuführen streng verbietet, Herr Pitakkis erzählte mir, dass die Franzosen während der Okkupation im Jahre 1855, leider auch in dieser Beziehung auf die Engländer eifersüchtig, unbefugte Nachgrabungen in Pythion und Phyläon auf der heiligen Straße nach Eleusis unternommen und Statuen und Inschriften fortgenommen haben.
Aber auch Einzelne entblöden sich nicht, griechisches Eigentum fortzutragen. Vor mehreren Jahren wurde von Landleuten in der Nähe von Korinth eine sehr wohlerhaltene Statue gefunden, von einer bekannten Persönlichkeit gekauft und auf ein fremdes Kriegschiff gebracht. Herr Pitakkis, dem davon Kunde wurde, machte sogleich, wie es ihm die Pflicht gebot, dem Minister Anzeige hiervon. Dieser dankte dem treuen Hüter griechischer Kunstschätze, meinte aber bedauernden Tones: „Soll ich mit der Macht, welcher das Kriegschiff gehört, einen Notenwechsel beginnen?“ Die polytechnische Schule in Athen besitzt einen, wie zur Ironie dankbarst hingestellten Gipsabguss dieser einzigen Statue, die, aus parischem Marmor gemeißelt, einen Apollo oder Horus darstellt; ein Seitenstück zu Lord Elgins Turmuhr. Als ich Herrn Pitakkis mitteilte, dass ich in einem europäischen Kabinette diese Statue ausgestellt und um den Preis von 20.000 Gulden feilgeboten sah, bemerkte er: „Und den Bauern wurde sie um 1.000 Drachmen, d. i. 300 Gulden, abgehandelt.
Zehn Invaliden bewachen die Akropolis und jeden Fremden begleitet einer von ihnen; nichtsdestoweniger wird mancher Wandalismus verübt. Ein englischer Seeoffizier schlug einer Statue die Nase ab, wurde aber vom Admiral verurteilt, 60 Thaler zu zahlen und drei Jahre nicht den Bord zu verlassen. Ein dänischer Architekt schlug einer Basreliefstatue den Kopf ab, um ihn mitzunehmen in die Heimat Thorwaldsens.
Athen besitzt noch kein Museum, und dieser Nachteil ist der Fantasie des Beschauers günstig. Die Gegenstände sind da aufgestellt, wo sie gefunden worden sind. Es machte mir immer einen schmerzlichen Eindruck, die Häuser in Pompeji kahl und leer zu sehen und die Gegenstände, die sie füllten, außer allen lebendigen Zusammenhang gebracht, im Museum zu Neapel suchen zu müssen.
Die griechische Regierung ist übrigens viel zu uneigennützig, die Besichtigung der Kunstschätze zu gewähren. Zur Zeit, als ich Neapel bereiste, musste jeder das Königreich betretende Fremde 2 Thaler und ebenso, wenn er abreiste, 2 Thaler für die Visierung seines Passes bezahlen. Dieses Geld wurde, teilte man mir mit, zu neuen Ausgrabungen verwendet, und so hatte nicht allein die Kunst, sondern jeder nachreisende Kunstfreund, indem er immer wieder mehr Kunstschätze fand, Vorteil und Genuss davon. Zugleich konnte ein ausreichend überwachendes Personal angestellt werden.
Einen liebenswürdigeren Cicerone gibt es nicht als Herrn Pitakkis. Nicht nur, dass er jeden Stein kennt und seine Geschichte weiß, er liebt ihn auch und hat, wiewohl er jeden tausendmal betrachtet und berührt hat, die Begeisterung für ihn nicht verloren. „Ich bin nur ein fleißiger, treuer Sammler,“ bemerkte Herr Pitakkis, „es werden einmal Künstler kommen, die sollen zusammenfügen, Schriftsteller, die sollen beschreiben und die Geschichte der Kunst bereichern.“ Als er mich von all dem Großen, das in seinen Trümmern größer als alles Ganze auf der Erde ist, erschüttert sah, reichte er mir die Hand: „Ihr seid ein frommer Pilger in Hellas!“
Ich weiß den gelehrten Forschungen über die erhabenen Altertümer nichts Neues hinzuzufügen und will die tausend Schilderungen von Poeten und Reisenden nicht vermehren. Nur Eines sei dem Leser vertraut: wer den Parthenon sah, wer auf den Trümmern wandelte, die wie Grabsteine der Schönheit hingesät sind, und all dies durch die purpurgoldene Mythe, durch die erhabenen Gestalten der hellenischen Welt sich bevölkern und lebendig machen konnte, wer hinaussah in die weite Ebene, auf die von Licht und Erinnerungen verklärten Berge, auf diese himmelblaue See — er kann nicht mehr ganz unglücklich werden. Das Erhabene ist fortan der Schild, der ihn gegen die Alltäglichkeit, gegen die Gemeinheit des Lebens schützt. Wer auf der Akropolis stand, ist zum Zeitgenossen unsterblicher Geschlechter und Gedanken geworden.
Ich bat Herrn Pitakkis um ein Stückchen Marmor, um es, weil er mich einen frommen Pilger nannte, in die Heimat tragen zu können, als Zeichen, dass ich im Heiligtume gewesen. Er suchte am Boden und reichte mir ein kleines Fragment, das zu einer Rinne gehörte und so, wenigstens die Spur des Meißels zeigte. Als ich es dankbar empfing, nahm er mir es wieder aus der Hand und sprach es wehmütig betrachtend an: „Geh, du dritthalbtausend Jahre altes Stück! Vielleicht, dass dich die Hand des Perikles berührte, sein Auge dich gesehen hat. Trotz aller Zerstörung bliebst du noch so lange hier, und jetzt sollst du fort, in das Land der — Barbaren! Nehmt mir diesen Ausdruck nicht übel, Herr! alle Welt ist das Barbarentum, wenn von Hellas die Rede ist!“ Ich wollte, da ich sah, wie ihm die Trennung schmerzlich sei, den Stein nicht annehmen. „Ich habe es überwunden — nehmt, nehmt!“
Wir stiegen schweigend die Akropolis herab. Fortan besuchte ich sie jeden Tag während meines atheniensischen Lebens, vierzehnmal. Eine Nacht oben zuzubringen, wie ich gewünscht hatte, ist nicht gestattet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Nach Jerusalem! Band 1