Athen

Erster Anblick. — Pluton und Christo. — Spaziergang. — Ein Wiener, Justizminister. — Plastik der Gestalten. — 200.000 Lämmer. — Ein origineller Freund. — Klingende Steine. — Der königliche Palast. — Die Kapelle. — Ein gefangener Adler. — Warum die Griechen russisch sind. — Der Zeustempel. — Ein unheimlicher Mann. — Aussicht vom Sikabetos.

Die Nacht war eine durch zu laute Nachbarn sehr gestörte, wir werden, später von diesen eigentümliche Geschichten erzählen. Lebhaftes, fast ununterbrochenes Hundegebell mahnte daran, dass ich mich jener Stadt des Orients näher befinde, wo die Hunde einen eigenen Staat bilden, indem sie mehr als Hunderttausend an Zahl, in den Straßen wohnen. Nach deutscher Gewohnheit fühlte ich mich an ein Dorf erinnert, wo Hunde die stets lauten Wächter sind. Hat doch auch die Stadt, als wir beim späten Abenddunkel von Piräus einfuhren, eher den Eindruck eines kleinen Landstädtchens, denn einer Residenzstadt auf mich gemacht. Keine Stadtmauer, kein Tor, hinderte oder gewährte den Zutritt; kleine Häuschen, da und dort ein Schutthaufen, konnten keinen bessern Eindruck hervorbringen. Die gewaltigen Denkmale des Altertums waren durch die Dunkelheit verhüllt.


Die Aufregung der fünftägigen Seefahrt, des Gedankens, mich in Hellas, dem von den Göttern geliebten Lande, in der von der „blauäugigen Tochter des Zeus“ beschützten Stadt des Theseus, zu befinden, trugen wohl auch bei, mir den Schlaf fern zu halten. Wachend sehnte ich mich dem Morgen entgegen; beim ersten Sonnenstrahle trat ich ans Fenster. Mir gegenüber glänzte die Akropolis im Morgenlichte. Von ihrem Fuß, bis zu mir heran mäßig ansteigend, lag die moderne Stadt, kleine meist nur einstöckige Häuser, gelb, rötlich oder blau, selten weiß getüncht. Eine einsame Palme ragte über einer Häusergruppe empor. Zur Rechten hinaus erblickte ich den Tempel des Theseus, seine goldbraunen Säulen schimmerten im Sonnenlichte. Zur Linken auf mäßiger Höhe der weiß marmorne Palast des Königs.

Ich betrachtete lange die Szene, auf der noch die Ruhe und das Schweigen des frühen Morgens lag und deren Bauwerke so merkwürdig die antike und die moderne Welt verbinden und scheiden. Heroen und Gensd'armen, christliche Kirchen und Tempel der Götter, Platon mit der weißen Stirnbinde und Soldaten mit der bayerischen Pickelhaube, Nektar und Bier schwebten mit fantastischem Humor, wie ein wirrer Maskenzug in meiner Fantasie.

Der Hoteldiener Pluton kam, um meine Wünsche zu erfragen, und da ich ihm in einigen altgriechischen, von meinem Gedächtnisse grausam zerbröckelten Sätzen antwortete, merkte er, dass ich nicht ihn und er nicht mich verstehe. Er rief einen andern Diener, der Christo hieß, und so befand ich mich, durch den zufälligen Umstand der Namen, wieder zwischen zwei Welten, die heidnische und christliche gestellt. Immerhin ist es charakteristisch, dass in dem jetzt christlichen Athen ein Kind mit dem Namen eines heidnischen Gottes in die Taufregister eingetragen wird.

Die frühen Sonnenblicke, die mir die Szene so golden verklärten, verschwanden, und es war ein grauer, kühler Morgen, als ich das Haus verließ, mit der Absicht, die Straßen Athens zu durchwandern, ohne einen andern Führer als den Zufall. Ich befand mich, wie es mich die Aufschrift lehrte in der Äolusstraße, die abwärts führend, schmal und lang gestreckt, mich durch eine bedeutende Länge hinabblicken ließ, bis wo sie durch den Turm der Winde einen Abschluss findet. Die Straße, sehr lebhaft durch die in ihr auf und nieder gehenden Menschen, hat zu beiden Seiten Kaufläden und Werkstätten, in denen schon der Fleiß tätig war. Mir fielen die vielen Apotheken auf, von denen ich später erfuhr, dass sie alle anderen des Königreichs mit Arzneien zu versorgen haben. Die Schaufenster eines stattlichen Buchladens fesselten mich eine gute Weile. Es interessierte mich, unter den vielen alt- und neugriechischen Werken auch zwei deutsche zu finden, die beide von in Wien lebenden Schriftstellern herrühren; das eine von meinem parnassischen Genossen Joh. Gah. Seidl: „Über das italische Schwergold“ und das andere von Bonitz: „Über die Kategorien des Aristoteles.“ Die Portraits der seit dem Befreiungskampfe in Europa berühmten Helden, Diplomaten und Priester, welche Letztere zuweilen beides waren, fesselten meine Aufmerksamkeit eben so sehr, wie einzelne Szenen aus jenen glorreichen, totvollen, freiheitsbegeisterten Tagen. Die Portraits Napoleon I. und Friedrich II. waren mitten unter den andern griechischen Helden zu sehen. Der Besitzer des Buchladens, Herr Nast, ein Deutscher, lud mich, als er die Teilnahme eines Fremden an den Gegenständen bemerkte, in den Laden und stellte mir jedes Buch, das einem Fremden in Athen interessant sein kann, mit freundlichster Zuvorkommenheit während meines Aufenthaltes zur Verfügung. Eine gleiche Güte für mich hatte später Herr Botlys, ein geborner Wiener und Doktor der Rechte, der eben das Portfeuille des Justizministers von Griechenland niedergelegt hatte.

Je tiefer ich in die Straße hinabstieg, desto lebhafter und bunter war die Bewegung; jedoch anderer Art, als ich sie in den südlichen Städten Italiens fand. Während in diesen Hast und der Lärm charakteristisch sind, herrschte hier Ruhe und Anstand. Man kann bemerken, dass der Orient schon näher liegt, und der in der Erscheinung ruhige, würdevolle Mohammedaner hier lange die Herrschaft übte. Die Tracht erhöht noch die, den südlichen Völkern überhaupt natürlichen Anlagen des Anstandvollen und der Plastik in allen Bewegungen. Dieser Adel ist etwas, was dem stumpfsten Beobachter, der aus dem Norden kommt, auffallen muss. Die nationale, sogenannte albanesische Tracht ist nicht vorwaltend, aber nirgends erschien mir der Frack, in unsterblichem Wahnsinn schwänzelnd, so lächerlich wie hier. Der nationale Grieche ist mit der Fustanella, einem weißen, in Hunderte von Falten gelegten Rocke, der von den Hüften bis zu den Knien reicht, umkleidet. Die ursprüngliche Gestalt dieses Kleidungsstückes ist noch an einzelnen Inselbewohnern sichtbar, ein platt herabhängendes Hemd, das mit einem meist roten Gürtel zusammengehalten ist, vielleicht das Chiton der alten Griechen. Dem Oberleibe liegt eine blaue, oder rote, meist gestickte Weste knapp an, die vorne das blanke Hemd sehen lässt. Über diese Weste wird ein Kamisol mit weiten, geschlitzten Ärmeln, die sich dem Arme nicht anschließen, getragen. Ein roter Feß mit blauer Quaste deckt den nicht selten schwarz gekrausten Kopf, blaue oder rote Gamaschen, zierlich gestickt, umschließen vom Knie bis zum Knöchel das Bein; rote oder schwarze Schuhe bekleiden den Fuß. Gestalten in schwarzen, oder blauen Pumphosen, den Feß etwa mit einem Tuche noch turbanartig umwunden, Sandalen an den Füßen charakterisieren den Inselbewohner. Frauengestalten sind wenige sichtbar, die meisten französisch gekleidet.

Ein lauter Ruf: „Kyrie!“ Herr! mahnt, dass der Fußgänger in den eben mit Pflasterung beginnenden Straßen ausweichen muss. Ein offener viereckiger Kasten ruht auf zwei hohen Rädern und rollt, von einem Pferde gezogen, langsam heran. Im Wagen liegt vorgebeugt ein schöner Knabe mit roter, phrygischer Mütze über blond gelockten Haaren und treibt das Pferd mit einer kurzen Geißel an. Die reine Schönheit seines Hauptes ist überraschend; er wäre würdig gewesen, dass ein Adler ihn ergriffen hätte, ihn zu den Füßen des olympischen Zeus zu tragen.

Eine Gruppe kleiner Esel kommt uns entgegen; einige tragen in Körben, die ihnen zu beiden Seiten hängen, Pomeranzen, Zitronen, Gemüse. Anderen, deren Korbvorrat verkauft ist, sitzt der Besitzer auf dem Rücken, die Beine zwischen den beiden Körben hoch empor haltend, oder er hat die Körbe dem Tierchen nach einer Seite gebunden und sitzt auf demselben, wie auf einem Stuhle.

Eine größere Menschenmenge hält unfern Gang auf, wir sind vor einem Kaffeehause, oder einer Barbierstube, welch letztere, wie schon im Altertume ein Auskunftskomptoir über alle Stadt-Neuigkeiten sein sollen. Der Grieche lässt den Wangen- und Kinnbart abnehmen, und wendet nur dem langen, überhängenden Schnurrbarte besondere Sorgfalt zu, der seinem braunen Antlitze, aus welchem Nase und Kinn stark vorspringen, ein meist kriegerisches Ansehen gibt.

Durch die eleganten, albanesisch und französisch gekleideten Männer wandelt eine eigentümlich hohe Gestalt heran; auch ihr Haupt deckt ein roter Feß, den Rücken herab fällt das zottige Fell eines Widders, Fustanella und Gamaschen sind von weißer Wolle, die Füße tragen Sandalen. Quer über den Rocken des Mannes liegt ein schneeweißes Lamm, dessen vier Beine er mit der linken Hand zusammengefasst an seiner Brust festhält, die Rechte führt einen langen Stab. Es ist Karwoche und der Mann bringt in dieser Weise, stumm und edel daherschreitend, das Lamm zum Verkaufe. Ich erinnerte mich dergleichen Gestalten auf antiken Basreliefs gesehen zu haben. Man erzählte mir, dass Griechenland in der Osterwoche mehr als zweimalhunderttausend Lämmer schlachtet und verzehrt; das Lamm ist das Nationalgericht der Griechen.

Wir gelangen an einen Punkt, wo die Äolusstraße von der des Hermes im rechten Winkel durchschnitten wird; der bayrische Witz hat diese in Ladenschwengel-, jene in die Windbeutelstraße umgetauft. Uns weckten diese Namen und die anderer Straßen, die der Athene, dem Euripides, dem Themistokles zu Ehren genannt sind, andere Vorstellungen und Erinnerungen.

Wir sind am Ende der Straße angelangt und befinden uns vor dem Turm der Winde, um ihn zu betrachten, aber nicht um wieder zu schildern, was hundert gelehrte und ungelehrte Bücher über Griechenland beschrieben haben. Ich werde nur jene Erlebnisse und jene Personen schildern. mit denen ich in näheren Verkehr getreten bin und die geeignet sind, die geistigen und sozialen Zustände der griechischen Hauptstadt zu beleuchten. Ich bemerke dies ausdrücklich, damit jene Leser sich nicht getäuscht fühlen, die eine Schilderung und poetische Anschauung der altgriechischen Welt erwarten. Was ich an idealer Betrachtung gewann, hoffe ich in anderer Form, nicht in diesem Reisebuche, dem Leser vorzulegen.
Ein albanesisch fein gekleideter Mann gesellte sich zu mir und mich artig grüßend, fragte er italienisch: „Ihr seid ein Fremder?“ Ja, Herr! „Aus welchem Lande?“ Aus Österreich. „Also sind wir Freunde? Da kann ich Euch mein trauriges Schicksal mitteilen. Ich komme von der Insel Hygra, um beim Kriegsminister einen Verlust von mehreren tausend Thalern zu reklamieren. Habt Ihr schon jemals bei Ministern etwas gesucht? Ihr findet eher die alten Götter auf dem Olympos, als bei denen ein geneigtes Ohr. Ich muss Euch ernstlich vor allen Ministern warnen und der Aufenthalt in Athen ist so teuer! Wir sind Freunde, da Ihr aus Österreich seid, nicht wahr? Gebt mir eine Unterstützung.“ Ich war durch diese Wendung ganz betroffen, denn Betragen und Anzug des Mannes ließen sie nicht voraussetzen, auch fühlte ich mich nicht geneigt, dem jedenfalls unberechtigten Ansinnen zu genügen. Als ich ihm denn meine Meinung sagte, erwiderte er ganz höflich: „Wir bleiben trotzdem Freunde!“ und entfernte sich.

Ich gelangte, mich links wendend, in ruhigere Straßen; in einer derselben wurde ein Haus gebaut und eben die zur Bekleidung der Wände dienenden Steinplatten gemeißelt. Ich sah und hörte der Arbeit zu. Die Steinplatten, vom Meißel berührt, gaben einen eigentümlich klingenden Ton. In dem Zauber gefangen, den die wunderbare, alte Welt mit ihren Göttern und Mythen, mit ihrer Geschichte und ihrer Kunst um mich spann musste ich bei dem klingenden Tone an die Lyraklänge Amphions denken, denen die Quadern sich harmonisch fügten, bis die unbesiegbaren Mauern von Theben sich erhoben.

Von ferne fing es zu läuten an, und wie vor einem Hahnenrufe waren die schönen Geister der Götter und Heroen plötzlich entschwunden.

Langsam ansteigend, gelangte ich auf eine breite Straße, die von geschmackvoll gebauten Häusern auf der einen und vom Hofgarten auf der anderen Seite gebildet ist und der Königin zu Ehren die Amaliastraße heißt. Ich hatte den königlichen Palast vor mir und zwar von jener Seite, wo er mit seinen prächtigen Säulen sich am schönsten darstellt. Seine der Stadt zugewendete Fronte macht keinen gleich künstlerischen Eindruck. Riesige Kaktus- und Baumpflanzungen zieren eine kleine Anhöhe, die zum Palaste führt. Ich trat durch den marmornen Portikus in die hohe und lichte Vorhalle und einem kleinen Zuge von Menschen folgend, befand ich mich bald in der Kapelle der Königin, die zum Gottesdienste erwartet wurde. Es war der grüne Donnerstag in der Karwoche; der Altar mit einem schwarzen Tuche, auf dem sich ein weißes Kreuz befand, verhängt. Zwei silberne Leuchter brannten vor demselben. Die Wände der Kapelle von blassrosigem Marmor mit roten Flachsäulen, deren Kapitäle vergoldet sind, tragen eine blaue Decke, welche durch weißgoldenes Gebälk in Felder geteilt ist. Vor den Fenstern wiegten sich blühende Orangen- und Ölbäume, zu denen der im Hintergrunde aufragende und mit Schnee bedeckte Likabetos einen eisigen Gegensatz bildete. Man wies mich in einen der Betstühle und reichte mir ein Gesangbuch. Die Versammlung war nicht groß, Männer und Frauen, alle in französisch modernem Anzuge.

Um Uhr erschien die Königin in der dem Altar gegenüber gebauten Loge und der Gottesdienst begann. In einer Ecke der Kapelle, zur Rechten des Altars stand ein kleines tragbares Organen, vor das sich ein deutsch blonder Mann setzte, ihm zur Seite zwei andere, dann sieben Mädchen und vier Knaben. Jedes von ihnen war anders und in bunte Farben gekleidet, was den feierlichen Eindruck eben so störte, wie das nur wie zufällig hingestellte Organon. Als ob der Künstler einen Raum für eine Orgel anzubringen vergessen hätte. Es begann ein schönes Lied:

„O mein Herz! warum schwankst Du noch?
Was hilfts Dir, zu ringen
Nach irdischen Dingen,
Noch immer zu ziehen am Joch?“

Der Pastor bestieg sodann die Kanzel zur Linken des Altars und las, was in diesem Lande von besonders eigentümlicher Wirkung und frappanter Vergegenwärtigung ist, den Brief des Apostel Paulus an die Korinther. Dann sprach er eine salbungsvoll monotone Rede, die es nicht zweifelhaft ließ, dass sich keine feurige Zunge auf die Hörer niedersenke.

Rührend aber war es mir, als der Prediger den Segen sprach: über das ganze Land, über die See und die Inseln, über das Volk und das Königspaar, dass er nur einen Segen nicht sprechen konnte, welcher der schönste für ein Weib ist und nach dem das Volk der Griechen sich nicht weniger, als die geist- und anmutsvolle Königin sehnen mag.

Der Gottesdienst war zu Ende und ich ging in den Garten, der hinter dem Palaste sich ausdehnt. Nach abwärts gestreckt enthält er in phantasiereicher Anlage eine Musterpflanzung aller Bäume und Blumen fast der ganzen Erde. Künstlich bewässert, gedeiht Alles rasch und vortrefflich. Wir freuen uns, dass wie wir eben lesen, die wenigen Palmen durch ein chevalereskes Geschenk des Dei von Tunis für die Königin um 200 Palmen, also um einen ganzen Wald, vermehrt werden sollen. Durch die labyrinthischen Anlagen hinwandelnd, war die Landschaft oft durch hohe Bäume verdeckt, zumeist aber offen liegend und da die Einfriedigung des Gartens eine niedere ist, scheint die Landschaft nur der weit hinaus sich dehnende Garten. Einen traurigen Eindruck machte auf mich ein Adler an der Kette. Das Bild ist von Dichtern oft gebraucht für eine sonnenhafte Natur, welche wie der königliche Dulder Prometheus

„Am Äther hängt
Und in Banden schmachtet“

und den die „Gewalt“ und die „Notwendigkeit“ fesseln.

Ich erinnerte mich an die fremden Schiffe, die ich in Piräus sah, die das stolze, gerne aufstrebende Volk der Griechen im Zaume hielten. Der geistvolle Redakteur der „Elvis“ Hoffnung, Herr Levidis, sagte mir später: „Europa irrt sich, wenn es glaubt, dass die Griechen russische Sympatien haben, wenn sie auch durch gleiche religiöse Anschauungen mit ihnen verbunden sind. Die Griechen sind russisch, weil Russland der Feind der Türken ist. So tief wurzelnd ist aber der Türkenhass in jedem Griechenherzen, dass es mit jeder Nation der Erde sympathisieren wird, welche das Schwert erhebt, um den Türken zu schlagen.“

In Gedanken aller Art vertieft, gelangte ich in den prächtigen Gartenräumen auf eine kleine, künstliche Anhöhe. Vor mir ragten plötzlich die ewigen Säulen des Jupitertempels empor und hinter ihnen, zwischen grünen Bergeinschnitten glänzte das himmelblaue Meer; zur Rechten die Ruinen der mächtigen Akropolis. Dieser eine Anblick und Moment ist allein wert, eine träge Heimat zu verlassen, über Länder hin zu reisen und eine stürmevolle See zu durchschiffen.

Ich konnte mich von dem Anblicke lange nicht trennen, und als ich es tat, musste ich wieder zurückkehren und noch einmal, um lange gefesselt wieder in Betrachtung zu versinken.

Von fern her erklang türkische Musik und ich machte mich auf, um wieder empor gegen das Schloss zu kommen. Ein ältlicher Mann grüßte mich und schritt, ohne weiter zu reden, neben mir her. Ich blieb stehen, um eine fremde Pflanze zu betrachten, er tat es auch. Ich eilte ihm voran, er erreichte mich. Ich ging langsamer, um ihm den Vortritt zu gönnen, er hemmte seine Schritte ebenfalls. So folgte er mir schweigend, durch alle Windungen des Gartens, in welchem außer uns beiden Niemand sichtbar war. Plötzlich hinter einem dichten Gebüsche fragte er mich, wie viel Uhr es sei, er möchte seine Uhr gerne nach der meinen richten. Ich erklärte ihm keine zu besitzen, schwang wie spielend meinen Stock, und war herzlich froh, mich wieder am Palaste zu befinden. Der Mann murmelte unverständliche Worte, die wie ein Fluch klangen, und fing mit dem Wachposten am Portale des Palastes zu reden an.

Mich lockte es nach den nahen Likabetos empor. Der Berg erhebt sich fast kegelförmig aus der Ebene, ich hatte ihn in dreiviertel Stunden erstiegen, und genoss von der Georgskapelle aus, die auf dem Gipfel steht, der ewig schönen Aussicht über die Stadt, das Meer, über die Ebene von Attika, und die sie umgrenzenden Berge.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Nach Jerusalem! Band 1