NORDHAUSEN. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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NORDHAUSEN. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Dom (Kreuzstifts-K.). Gegr. 961 von der Königin Mathilde als Nonnen-Klst., 1219 in Kanonikerstift umgewandelt. Der jetzige Bau: Ostpartie rom. und frgot., Lhs. spgot. — Chor gestreckt rck. mit plattem Schluß (17,5 : 7,8 m). Der Raum wird durch einen breiten, auf schlichten Konsolen ruhenden Gurtbogen halbiert; über der östl. Hälfte ein rippenloses Kreuzgwb. auf unterspitzen Schildbgg.; in der westl. Hälfte 2 rck. Kreuzgwbb. mit frühestgot. profilierten Rippen; der Triumphbogen unterspitz mit gerader Leibung. Schmale spitzbg. Fenster mit romanisierendem Gewände; an der OWand zu Dreien pyramidal geordnet (sog. Dreifaltigkeitsfenster), am Gewände Rücksprung mit Säulchen (Schaftringe, Knospenkaptt.). Unter dem Quergurt des Chors Kragstein mit Mondsicheln, wie in Maulbronn und Walkenried. Außen an den [pg 306] Ecken Lisenen, die auf zirka 4 m Höhe abbrechen; unter dem Dach Bogenfries mit Diamantschnitt. Zu Seiten des Choreingangs erheben sich 2 schlanke quadr. Türme. Sie sind in drei, auch im Werkstoff unterschiedenen Abschnitten erbaut; die unteren haben im O kleine Kapp. Die geschilderten Bauteile vermutlich nach Brand 1234, zuerst von einem noch in rein rom. Formanschauung lebenden Meister, dann von einem gotisierenden, der aus Walkenried kam (neben mehreren anderen Anklängen die Halbmondkonsolen der Quergurte). — Unter dem Chor rom. Krypta aus M. oder 2. H. 12. Jh. Sie erstreckt sich nur über die westl. Hälfte des jetzigen Oberbaues. Die Gwbb. grätig zwischen breiten Gurten, stämmige Würfelknaufsäulen; Treppen führen in den Unterbau der Türme. — Das gegen M. 14. Jh. völlig erneuerte, im 15. vollendete (oder überarbeitete?) Langhaus geht zu größerem Maßstab über. Im Gr. 26,5:32 m. Hallensystem mit etwas breiterem Msch.; 5 Joche; Pfll. 8eckig mit Bündeldiensten, an den Kapitellen krauses Laubwerk; Netzgwbb. etwa A. 16. Jh.; an den Fenstern reiches Fischblasenmaßwerk; das Hauptportal am östl. Ende des südl. SSch.; die WFront, der Türen entbehrend, war nicht Schauseite. Der hohe OGiebel verdeckt die rom. Türme. — Hochaltar mit Statuen aus Holz, 1726. — Sakramentshäuschen 1455. — Chorgestühl E. 14. A. 15. Jh., überladen mit ornamentalen und figürlichen Schnitzereien wenig gewählten Geschmackes. An den Wänden des Chors 6 Steinstatuen, 3 männliche und 3 weibliche, in fürstlicher Tracht, ihrer Bestimmung nach den Stifterbildern des Naumburger Doms zu vergleichen, jedoch die Personen nicht gesichert; Entstehungszeit E. 13. bis A. 14. Jh.; von einem (lokalen?) Meister, der an Herstellung von Grabfiguren gewöhnt gewesen sein mag; die Körperformen ganz ungenügend, die Gewandmotive gekünstelt; belustigend die Humoresken an den Kragsteinen (in den Gegenständen zum Teil mit dem sog. Physiologusfries des Straßburger Münsters übereinstimmend). — An der O— und WWand des Lhs. Statuen des 17. Jh. ohne Wert. — Ikon. Grabsteine: 2 aus 14. Jh., 5 aus 16. Jh. — Kreuzgang, nur geringe Reste, rom. 12. Jh. mit spgot. Umbau.

Frauenbergs-K. (Klst. S. Mariä novi operis). Einheitlicher, aber im Detail zurückgebliebener Bau des fr. 13. Jh. (rest. von Zeller 1912). Rom. Pfeilerbasilika von einfacher Formenbehandlung. Gr. normal kreuzförmig 38 m lang, 6 Arkaden auf einfachen quadr. Pfll., die Kämpfer aus Platte und Schmiege. Die Nebenapsiden am Qsch. abgebrochen. Keine Krypta. [pg 307] — Hochaltar; Schnitzwerk von 1459 (die überlieferte Inschrift nicht mehr vorhanden); im Mittelschrein Kreuzigung, an den Seiten je 4 Gruppen aus der Passion in frei herausgearbeiteten Gruppen; das ornamentale Beiwerk zerstört. — Kanzel und Taufgestell 1768. — An der südl. Außenwand Grabstein, 1370 mit eingeritzter Figur Klostergebäude verbaut, Kreuzgang abgebrochen.

Nikolai-K. Spätgot. Hallenkirche ohne Bedeutung. Der Unterbau der turmlosen WFassade einfachst rom. — Hochaltar um 1600, wahrscheinlich ein Hauptwerk des Nordhäuser (später vornehmlich in Magdeburg tätigen) Bildhauers Christoph Kapup, erst 1646 zusammengesetzt von Joh. Duck. Alabasterbau reich mit Reliefs und Statuetten besetzt. — Kanzel und Taufgestell 1588. — Umfangreiches Marmorepitaph des Dr. Conrad Frommann † 1683 mit Relief der Grablegung. — Epitaph der Elisabeth Stromer † 1596 in Form eines gemalten Flügelaltars; die Gemälde ohne Bedeutung. — Weitere Grabdenkmäler 1664, 1676, 1774. — Bronzene Epitaphplatte von 1577. — Im südl. Ssch. Maria auf der Mondsichel, spgot. Schnitzwerk. — 9 Kelche, der älteste 1351, die anderen 15. bis 17. Jh.

Blasien-K. Unregelmäßiger Gemengbau. Das stattliche got. Sch. mit gestrecktem, aus Achteck geschlossenem Chor deutet auf bedeutendere Bauabsichten (Maßwerk teils geometrisch, teils Fischblasen); indessen kamen vom Lhs. nur 3 Joche zur Ausführung (Hallensystem), so daß der sprom., von 2 wohlgegliederten Achtecktürmen überstiegene WBau geschont blieb. Hochaltar und Gestühl 1735. — Kanzel 1592. An den 6 Brüstungsfeldern Reliefs. — Reich geschnitztes hölzernes Epitaph des Cyriacus Ernst 1585. — Alabastergrabmal W. v. Eberstein 1700. — Grabgemälde 1592. — Epitaphgemälde für Ursula Meienburg von L. Cranach d. Ä. 1529. — Desgl. für Michael Meienburg † 1555, große bedeutende Arbeit von L. Cranach d. J. bez. 1558, Auferweckung des Lazarus unter Assistenz der Reformatoren und der Familie M.

Petri-K. Der gerade geschlossene Chor in romanisierender fr. Gotik. Das Lhs. im Hallensystem, 14. Jh., öfters umgebaut und geflickt. — Kanzel reiche Renss. E. 16. Jh. — Bronzener Taufkessel 1429; an der Wandung 16 Heiligenreliefs, als Träger 4 Männer in der Zeittracht; rohe Handwerksarbeit bez. Mester Tile. — Alabasterepitaph mit lebensgroßer Figur des Stadtschreibers Joh. Pfeiffer † 1552.
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Altendorfer K. Ehem. Cisterc.-Nonnen-Klst., um 1350. Ungewöhnlicher Weise 3sch. Hauptschiff polyg., Nebenschiffe platt geschlossen. Nonnenempore Südschiff. Das Ganze sehr entstellt.

S. Jakobi-K. 1744 an Stelle eines rom. Baues.

Kirchhof S. Cyriaci. Im 18. und 19. Jh. gründlich umgebaut. In der Kapelle bmkw. gravierte Grabplatten, darunter die bedeutendste für die Brüder Segemund 1412; die anderen Platten beziehen sich auf Personen, die zwischen 1394 und 1397 starben; sie scheinen alle aus derselben (niederdeutschen? niederländischen?) Werkstatt zu stammen. — [3 andere Hospize mit Kapellen, S. Martin, S. Georg, S. Elisabeth, sind untergegangen, ebenso die 3 Bettelordenskirchen der Stadt. Dem Martinsstift gehörte eine kunstgeschichtlich wichtige Reihe gravierter Messingplatten (Gedenktafeln der Familien v. Urbach und v. Werther) aus E. 14. Jh., nicht flandrisch, sondern aus einer thüringischen Werkstatt; jetzt im Museum, wo auch andere Kunstwerke aus den Kirchen der Stadt.]

Rathaus. 1608-10 auf älterem Gr. Im Erdgeschoß eine Laube von 6 Bogenöffnungen und polyg. Treppenturm. In den zwei Obergeschossen rck. gestürzte Kuppelfenster. Umgebaut 1733 und 1883. Einige Gemächer des 17. Jh. erhalten. — Ratskeller 1710.