Eine Frau

Eine Frau wollte mich sprechen. Eine Jüdin. In Landas Dunkelzimmer im Metropol. Eine Schwerfrau, kündigte man mir an. Geistesschwer, hart.

Sie sprach mit mir über die deutsche Revolution. Über den Entwicklungsdurchschnitt der deutschen Revolution, über das Führerproblem und anderes Wesentliche noch.


Ich weiß den Namen nicht mehr. Sie gilt etwas in der Partei, sagte man mir. Sie muss etwas gelten, denn sie ist ein Fels.

Ich hieb, ich analysierte, ich zog, ich suchte zu kneten. Es half nichts. Sie sprach nur selten in meinen Schwall, aber dann sprach sie dicke Steine, Felsbrocken.

Solch eine Frau hatte ich noch nicht erlebt. Lieblich dabei. Der schwarze Kopf, der helle Mittelscheitel gebeugt gegen mich. Kein Zorn, eine steinerne Duldung, eine felsige Duldung, ein lächelnder Fels.

Das war eine politische Frau, eine weise Frau und eine Frau dabei. Ich wusste vorher nicht, daß es solche Frauen gibt. Politische Frauen waren Greuelmärchen für mich. Niemals habe ich die Reden politischer Frauen angehört.

Diese Frau in Landas Dunkelzimmer im Metropol, war eine politische Frau. Ein lieblicher Fels, eine Quadernsprecherin. Ich wundere mich noch, daß eine solche Frau existiert.

Das war nicht Rahel, das war nicht Frau von Stein, das war eine ganz andere Frau. Quadern sprach diese Frau und lieblich war sie dabei. Ein Wunder, ein wirkliches Wunder.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Moskau 1920 - Tagebuchblätter