Moses Israel ( 1769-1807) Herzoglich Meining’scher Hofkommissär

Aus: Neue artistisch-literarische Blätter von und für Franken. Vaterländischer Nekrolog
Autor: Dr. Ihling, Konrektor am Lyceum, Erscheinungsjahr: 1808

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Nekrolog, Nachruf, Juden, Judentum,
Dem Andenken eines ausgezeichneten Juden, dem ich im Leben schon ein Denkmal der Freundschaft setzte*), bringe ich auch im regen Gefühle meines Herzens dieses Totenopfer. Lange ist ja schon die Zeit vorüber, wo, durch die Scheidewand des Glaubens getrennt, der Mensch den Menschen nicht Bruder nennen durfte. Und doch hat sich die Zahl der auf weiter Erde in der Zerstreuung lebenden Juden mancher große Geist in Künsten und Wissenschaften und manche schöne Seele in edlen Taten hervorgetan. Unter die vorzüglichsten Männer der jüdischen Nation gehörte unstreitig auch mein Freund, Moses Israel. Schon als Knabe von acht Jahren, unter der sorgsamen Obhut seines ehrwürdigen Vaters, des verstorbenen Hoflieferanten Israel Moses, zeichneten ihn seine natürlichen Talente und seine glücklichen Fortschritte in Erwerbung nützlicher Kenntnisse vorteilhaft aus. Mit dem Eintritt in das elfte Jahr ward er, um als Rabbiner zu studieren, nach Frankfurt am Main auf höhere Schulen gebracht. Rastlos nutzte er hier jeden Augenblick der Zeit; seine Aufmerksamkeit war auf alles gerichtet, was nur wissenswürdig sein konnte; mit sichtbarer Liebe hing er an seinen Lehrern, aber er ward kein – Rabbiner, sondern er erwarb sich, wie sich die Juden selbst auszudrücken pflegen, den Namen eines – Weltgelehrten, mit anderen Worten: er war ein philosophischer Jude, oder ein jüdischer Philosoph, ein Mann, der mit treuer Anhänglichkeit an seinen Glauben eine helle, richtige Einsicht und eine zwang-, aber doch tadellose Lebensweise verband. Als aufgeklärter oder gebildeter Jude kehrte er in sein Vaterland zurück, verheiratete sich mit der mit vielen weiblichen Tugenden ausgestatteten Jüdin Jette Wertheim aus Frankfurt am Main, und trat nach seines Vaters Tode mit seinen Brüdern in gemeinschaftliche Handelsgeschäfte, wo er, weil er insbesondere viele Kenntnisse in der englischen, französischen und italienischen Sprache besaß, hauptsächlich die Handelskorrespondenz zu führen, und die bedeutendsten Reisen zu machen hatte. Aber bei allen merkantilischen Arbeiten, die ihm oblagen, zeigte er eine fortdauernde Liebe zu den Wissenschaften. Er verwand viel Zeit auf die Lektüre von Journalen (Literatur und belletristischen Zeitungen) und klassischen Schriften der Deutschen (z. B. Schillers), aber er fühlte zugleich auch einen unwiderstehlichen Drang in sich, selbst als Schriftsteller aufzutreten.

Dies geschah auch in Gemeinschaft mit dem Meining’schen Obereinnehmer bei der Landschaftskasse, Herrn Johann Friedrich Lange, in dem mit Mühe und Kostenaufwand ausgearbeiteten Werk: Übersicht und Berechnung aller Münzen, Ellenmaße und Handelsgewichte von allen Weltteilen, nebst den Wechselarten von allen großen Handelsstädten in Europa nach dem Kettensatze entworfen. Leipzig 1804, in Kommission bei Gräff. Nach Beendigung dieser Schrift schritt er sogleich mit mir und dem Pfarrer Heusinger zu Eicha bei Römhild zur Bearbeitung und Ergänzung von Savary Dictionn. univers. de commerce. etc. wovon so eben, nach nunmehr vierjährigen Vorarbeiten, wozu der biedere und tätige Moses Israel so treulich half, bei Gräff in Leipzig unter dem Titel: Universallexikon über die gesamten Handlungswissenschaften etc. der erste Band erschienen ist. Mit unaussprechlicher Sehnsucht sah er die ersten gedruckten Bogen von seiner letzten Arbeit auf Erden erscheinen, und ob er sie gleich nicht vollenden helfen konnte, so war er doch bis zur Stunde seines Todes dafür besorgt, indem er dadurch seinen Kindern ein Denkmal seines Fleißes und seiner Kenntnisse zur Nachahmung hinterlassen wollte. Seine Beiträge gingen bis zu dem Artikel Bank, den er noch vollendete. D. Cleminius zu Frankfurt a. M. hat seine Stelle bei der Fortsetzung übernommen. Außer diesen zur Kunde des Publikums gekommenen Arbeiten des zu früh Verstorbenen, schuf er oft im Stillen auch poetische Produktionen, namentlich kleine Theaterstücke und Skizzen zu Romanen, die er mir zuweilen zur freundlichen Beurteilung übergab, wovon ich aber in seinem literarischen Nachlass nichts mehr vorfinden konnte.

In Hinsicht seines Charakters war er im schönen Sinne des Wortes ein Humaner Mann; sein Herz schlug stark für Freundschaft und Liebe; die zarten Gefühle der Wohltätigkeit, deren Äußerung sich auf Juden und Christen erstreckte, waren innig mit seiner Natur verwebt; er war gefällig und zum Guten stets bereit, voll Redlichkeit und Biedersinn, ein zärtlicher Gatte und Vater, geneigt zum geselligen Umgang und erheitert bei den Freuden der Menschen.

Seit mehreren Jahren hatte er mit allerlei kleinen Körperbeschwerden zu kämpfen, aber der Krankheitsstoff, der schon länger in ihm gelegen hatte, scheint besonders durch seine beiden letzten Reisen nach Warschau und gleich darauf nach Frankfurt a. M. in ganzer Fülle erregt worden zu sein. Er starb, der Gute, nach einer 14 wöchentlichen schmerzhaften Krankheit im 38sten Lebensjahre am Weihnachtsfest des Jahres 1807. Er hinterließ eine Witwe mit 5 unerzogenen Kindern.

Seine Werke folgen ihm nach. Der Genius der Kunst und Wissenschaft, der die Nationen entfernter Länder und die Parteien der Religionen zur holden Eintracht verbindet, schloss auch das Freundschaftsbündnis zwischen mir und dem Vollendeten. Die Stunden, in welchen ich seine literarischen Überreste untersuchte, und die Augenblicke, in denen ich dieses niederschrieb, waren mir heilig und wehmuntsvoll.

*) Ich dedizierte ihm mein Buch: Eduard Tieftrunk oder die Geheimnisse des Lebens.

Mag er sanft ruhen, der Freund, unter den Toten von den Mühen des Tags!
                  Meiningen, den 6. Juni 1808
                          Dr. Ihling, Konrektor am Lyceum

Neue artistisch-literarische Blätter 1808

Neue artistisch-literarische Blätter 1808

Moses Israel 1

Moses Israel 1

Moses Israel 2

Moses Israel 2

Frankfurt, 001 Der ständige Handel seit 1554

Frankfurt, 001 Der ständige Handel seit 1554

Frankfurt, 005 Die Judengasse im Jahre 1552

Frankfurt, 005 Die Judengasse im Jahre 1552

Frankfurt, 061 Blick in die Judengasse

Frankfurt, 061 Blick in die Judengasse

Frankfurt, 066 Der große Speicher in der Rotekreuzgasse. Neubau von 1587 des Seidenfärbers Franz de le Boöe aus Lille

Frankfurt, 066 Der große Speicher in der Rotekreuzgasse. Neubau von 1587 des Seidenfärbers Franz de le Boöe aus Lille

Frankfurt, 063 Geschäftshaus zum Landseck, Neubau des Junkers Flad von 1544

Frankfurt, 063 Geschäftshaus zum Landseck, Neubau des Junkers Flad von 1544

Frankfurt, 067 Hoffassade des großen Speichers von 1587 nach einer Abbildung in den Baudenkmälern

Frankfurt, 067 Hoffassade des großen Speichers von 1587 nach einer Abbildung in den Baudenkmälern

Frankfurt, 068 Haus zur goldenen Waage, erbaut um 1620 von Abraham de Hamel

Frankfurt, 068 Haus zur goldenen Waage, erbaut um 1620 von Abraham de Hamel