Modernes und Merkwürdiges in der Vergangenheit - Reisen, Post und Verkehr

Aus: Kultur-Kuriosa. Band 1.
Autor: Kemmerich, Max Dr. (1876-1932) Philosoph, Kunsthistoriker, Privatgelehrter, Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1910
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Moderners, Merkwürdiges, aus alten Zeiten, Reisen, Reisegeschwindigkeit, Tagesstrecken, Altertum, Post,
Dass die Reisegeschwindigkeit im Altertum gar nicht so gering war, mag aus folgenden Notizen hervorgehen: Mit der Staatspost legte man die 150 geographischen Meilen von Antiochia bis Konstantinopel in sechs Tagen zurück, also pro Tag etwa 190 km. Cäsar reiste von Rom bis an die Rhone in nicht vollen acht Tagen, machte also 150 km pro Tag, was mit Recht, in Berücksichtigung der großen Entfernung, für sehr schnell galt. Geradezu verblüffend schnell ritt der Kurier, der die Nachricht von der Ermordung des Maximin — natürlich auf gewechselten Pferden — in knapp vier Tagen von Aquileja nach Rom brachte. Er legte also mindestens 200 km pro Tag zurück, eine Leistung, die jeder Kavallerist erstaunlich hoch finden wird, da sie weit die Durchschnittsleistungen unserer allerdings mit einem Pferde bestrittenen Ritte um den Kaiserpreis übertrifft. Aber selbst wenn er im Wagen gefahren sein sollte, was nach der Notiz möglich ist, könnte er mit den hervorragendsten sportlichen Leistungen der Gegenwart erfolgreich konkurrieren. Brauchte doch die Distanzfahrt im Sommer 1908 von Berlin nach München — etwa 700 km — vier Tage, also bedeutend mehr Zeit auf die Einheit des Weges.

Die Kuriere, die die Nachricht vom Aufstand in Belgien, im tiefen Winter des Jahres 69 n. Chr., nach Rom brachten, legten neun Tage lang je etwa 240 km zurück! Hierbei ist aber zweifellos an Relais zu denken. Die schnellste bekannte Reise ist die des Tiberius zum erkrankten Drusus von Pavia nach Germanien. Durch das Land der eben besiegten Chatten ritt er mit nur einem Begleiter — natürlich mit Pferde-Wechsel — in 24 Stunden etwa 290 km!!! Das ist natürlich nur möglich, wenn er weite Strecken galoppierte und rücksichtslos die Pferde tot ritt. Trotzdem bietet die Sportgeschichte des letzten Jahrhunderts dazu kein Analogon. Im Durchschnitt legte der im Wagen fahrende Reisende täglich zur Römerzeit auf weite Entfernungen etwa 60— 73 km zurück 05), während der frühmittelalterliche Tagesmarsch nur 20—30 km betrug 06).

Im Jahre 1188 brauchte ein am 17. März mit einer päpstlichen Bulle von Rom abgehender Bote 25 Tage, bis er am 15. April in Canterbury eintraf 07).

In römischer Zeit galt eine Seereise von fünf Tagen von Ostia bis Taraco in Spanien für schnell. Eine in umgekehrter Richtung in weniger als vier Tagen gemachte bezeichnet der ältere Plinius als eine der schnellsten je vorgekommenen. Cervantes nannte schon eine 12tägige Fahrt von Neapel nach Barcelona eine glückliche 08).

Richard Löwenherz brauchte von Marseille bis Messina vom 16. August 1190 bis zum 23. September, also sehr lange. Er schiffte sich am 9. Oktober 1192 in Akka ein und gelangte am 11. November nach Korfu; das war die normale Geschwindigkeit im Mittelalter, — also bedeutend geringer als zur Römerzeit 09).

Viel schneller ging natürlich die Nachrichtenübermittlung durch Brieftauben. Die Griechen und Römer, ebenso wie die Araber bedienten sich bereits dieser Post, und zwar in besonders ausgedehntem Maße die letzteren, die von Bagdad bis Aleppo sowie längs der kleinasiatischen Küste bis Alexandrien Brieftauben benutzten. Gelegentlich wurden auch Schwalben zum gleichen Zwecke verwandt (Plinius nat. bist. X, 71)10). Polybios erzählt (CX, 42ff.) sogar von der Feuertelegraphie der Griechen, die lange vor ihm Aeschylos (Agamemnon 268 ff.) schon kannte. Doch handelt es sich um vorher verabredete Mitteilungen.

Vom Verkehr zur Römerzeit gibt die Tatsache eine Vorstellung, dass fast in jeder größeren Villa oder Ortschaft der Schweiz Austernschalen gefunden wurden. Zu Avenches fand man auch Reste von Datteln und Oliven. Die Tongefäße von Lugdunum (Lyon) finden sich in ganz Gallien, England, Ober-Italien, dem Alpengebiet bis Tirol und Ungarn, und zwar überall mit demselben Fabrikstempel bezeichnet 11).

Die alten Römer bauten bereits Seeschiffe mit einem Raumgehalt von 2.670 Tonnen 12).

064. Guidoriccio Fogliani. Von Simone Martini. Siena, Palazzo Publico.

064. Guidoriccio Fogliani. Von Simone Martini. Siena, Palazzo Publico.

067. Reiterbildnis eines Imperators. Römische Bronze. Neapel, Nationalmuseum.

067. Reiterbildnis eines Imperators. Römische Bronze. Neapel, Nationalmuseum.

068. Die römischen Bronzepferde vor der Markuskirche. Venedig.

068. Die römischen Bronzepferde vor der Markuskirche. Venedig.

069. Reiterdenkmal des Gattamelata. Von Donatello. Padua.

069. Reiterdenkmal des Gattamelata. Von Donatello. Padua.

070. Reiterdenkmal des Colleoni. Von Verrocchio. Venedig.

070. Reiterdenkmal des Colleoni. Von Verrocchio. Venedig.

074. Roberto Malatesta. Marmorrelief von einem unbekannten norditalienischen Meister, 1484. Paris, Louvre.

074. Roberto Malatesta. Marmorrelief von einem unbekannten norditalienischen Meister, 1484. Paris, Louvre.

065. Reiterbildnis des Condottiere Niccolo Marucci da Tolentino. Fresko von Andrea del Castagno. Florenz, Dom.

065. Reiterbildnis des Condottiere Niccolo Marucci da Tolentino. Fresko von Andrea del Castagno. Florenz, Dom.