Statt einer Vorrede

„’gibt nur a Kaiserstadt!
’gibt nur a Wien!“


Ihr guten, treuherzigen, verständigen Österreicher, Ihr habt wirklich Recht. Eure Stadt ist eine kaiserliche — erstens weil Euer Kaiser d’rin wohnt und dann weil Ihr’s verdient, einen guten Kaiser zu haben. Ja imperatorisch, cäsarisch ist Alles bei Euch und über Euch; und nur mit dem größten Maßstabe können diese Dinge gemessen werden. Nächst Paris und London ist die Eure die einzige Welthauptstadt — ich meine die einzige neben den dreien, in welcher eine Welt erscheint.


Es ist hier wahrlich nicht meine Absicht, eine Statistik, eine Topographie, eine Lokalbeschreibung oder eine Kritik von Wien zu schreiben. Das hieße Leuten in’s Handwerk pfuschen, die sich auf diese Dinge besser verstehen; ,,humoristische Streifzüge“ — ,,komische Tagesschilderungen“ — ,,satirische Wanderungen — beleuchtet von Witzraketen und gemütlichen Leuchtkugeln“ und wie das Zeug alles heißt, dürft Ihr nicht erwarten; für dieses Geschäft habt Ihr bereits einige tüchtige Männer gemietet, Stadt-Leib-Hofnarren, die Euch für ein billiges Entgelten jahraus, jahrein, vom Morgen bis in die Nacht divertieren und welche, das muss man sagen, in geistigen Leibverdrehungen und allerhand halsbrecherischen Wort-Eskamotagen ihres Gleichen suchen. Von diesen Herren ist es schade, daß sie gerade jetzt zur Welt kamen. Zwei- bis dreihundert Jahre früher wären sie so recht auf „Ihrem Platze gewesen; diese Leute sind eigentlich zu lustigen Räten oder Seiltänzern geboren, auch wären aus ihnen keine üblen Pulcinelle geworden. — Jetzt, da die Schellenkappen, die Drahtseile und die Pulcinelle aus der Mode gekommen sind — üben die gemeinten Herren alle diese Künste auf dem Druckpapier — und da muss es sogar ein Blinder erkennen, wie viel sie auf diesem Terrain von ihrer ursprünglichen Naturschönheit verlieren. . . .

Doch — ich bleibe ja nicht bei der Hauptsache (mit Hauptsachen haben jene Herren in der Tat nichts gemein) und kehre nun wieder dahin zurück.

Es war die Rede davon: was Ihr, meine Leser, in diesem Buche von mir zu erwarten hättet. Ich will's Euch kurz sagen:

Erste Wahrheit,
zweite Wahrheit und
dritte Wahrheit;


wenn diese dritte Wahrheit auch noch mit einigem Geist vermengt sein sollte, so werdet Ihr das nicht übel nehmen; sollte sich dazu noch etwas Lust oder Schmerz gesellen — auch dann weist mich nicht von der Tür, sondern nehmt mich aus wie einen armen Wandelsmann, der Euch das Wenige bringt, was er aus fremdem und heimischem Boden in seinem Ränzlein gesammelt. Es ist ein kleines, kleines Ränzlein — und wenig d’rin, aber das Wenige ist ehrlich Gut — nicht gestohlen, auch nicht erschachert oder auf infamen Wegen erworben — es ist ehrliches, deutsches Gut. — Ich biet’ es Euch an! —

Und dafür verlange ich von Euch nicht mehr als ein Lächeln, einen freundlichen Blick — allenfalls einmal eine Träne. . . .

Wie, oder wäre das zu viel verlangt? — So wisset, ich bin kein Bettler, der sich mit einer Wassersuppe, worin einige Gnadenbrocken schwimmen, abspeisen läßt. Bei Gott, behandelt mich nicht gnädig — denn ich bin ein stolzes Herz.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Moderne Wiener Perspektiven