Eine Soldaten-Elegie.

Geneigter Leser! Großmütige Leserin!

Soll ich Ihnen etwas aus meinem Militärleben erzählen?


Ach! Trommelschlag und abermals Trommelschlag und dann wieder Trommelschlag und zuletzt Trommelwirbel, dies Alles mit einigem Kommisbrote versetzt und mit blinden Patronen gespickt; da haben Sie das Ganze.

Was weiß ein armer Kadett, ein armer Lieutenant (denn weiter hatte ich’s bis zu meinem neunzehnten Jahre, in welchem ich den Dienst quittierte, nicht gebracht) — was weiß er in Friedenszeiten zu erzählen?

Ja, als unsere Landsleute noch Krieg führten mit den Türken und Franzosen, als der große Held Montecucculi und der ,,edle Ritter“ Prinz Eugen noch den schwarz-gelben Doppeladler aufpflanzten auf den Höhen und in den Ebenen Ungarns, und zwar so fest und gebieterisch, daß der bleiche Halbmond der Barbaren niedersank in den Staub, — oder aber als der glorreiche Erzherzog Karl ihn in seiner Rechten schwang, ihn einem andern Adler entgegentrug, einem weltbezwingenden — und den unsrigen sodann auf diesen losließ, dort bei Aspern (nun Ihr erinnert Euch ja, daß dies eine blutige Adlerschlacht gewesen, der Sieg aber uns gehörte) ... ja, damals, damals wußte allenfalls auch noch ein kleines Kadettlein etwas von sich zu sagen, was der Mühe lohnte, angehört zu werden. — Aber jetzt —

Aber jetzt ist es ein Glück, daß es anders ist.

Im Grunde sind wir nichts weniger als darum von da Natur auf diesen Planeten gesetzt worden, um an einem Lot Blei, welches der Magen nun einmal nicht vertragen kann, zu verderben. Im Grunde haben wir unsern Magen zu etwas ganz Anderem erhalten: so z. B. sagen ihm Austern und Fasanen gar nicht übel zu.

Eine Geschichte aus meinem Soldatenleben will ich Euch indes doch erzählen. Besonders Ihnen, meine gefühlvollen Leserinnen, sei sie geweiht. Es ist dies eine Geschichte, um die mich fürwahr mancher graue Schnurrbart, der die Feldzüge gegen den kleinen Korporal mitgemacht, beneiden würde.

Und es handelt sich hier eben um den kleinen Korporal oder vielmehr um seinen trefflichen Sohn, den Enkel des guten Kaisers Franz; es handelt sich hier um die frühzeitig dahingewelkte Blüte aus Habsburgs Stamme: um den Herzog von Reichsstadt. Er war den Oberstlieutenant und später der Oberst unseres Regiments.

Ach! warum musste sie so früh absterben, diese schlanke, weiße, holde Lilie?

— Eben darum, weil sie eine Lilie war.

Wie liebten wir ihn und wie liebte ihn die ganze Welt. Aber unser Aller Liebe zusammengenommen war noch nicht so groß, wie die Liebe des guten Kaisers Franz. Wahrhaftig, so geliebt zu werden — das allein ist beinahe wert, daß man stirbt!

Es war eine schwächliche Hülle, aber in ihr wohnte der edelste Geist. Wenn Franz Napoleon da saß auf dem Araber, den ihm sein alter Großvater geschenkt, und sein Bataillon kommandierte, da hätte man ihn für einen aus Stahl und Diamant zusammengesetzten Körper, von dem Funken stieben, halten sollen; — wenn jedoch das Exerzitium vorbei war, da sank er zu Hause in seinen Lehnstuhl und brach zusammen — bis wieder die Trommel wirbelte und er wieder seinen Araber besteigen konnte.

Wie oft ermahnten ihn die Ärzte — wie oft beschwor ihn der Kaiser, sich zu schonen. Das half nichts. Er konnte nicht leben ohne zu reiten, zu kommandieren und sich zu üben in all’ jenen Dingen, zu welchen er sich geboren wähnte — bis ihn mitten im Trommelwirbel der Tod abrief, bis er hinabsank in’s Grab, noch vor seinem Großvater — der ihn so sehr liebte und nun mit seinen Kaisertränen beweinte.

Setzt sind sie Beiden nicht mehr. Friede ihrer Asche! —


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Moderne Wiener Perspektiven