Herberge oder Wirtshaus?

Werde ich in Neuyork an Land gelassen, und erwarten mich keine Freunde und Verwandte, so fragt es sich, soll ich in eine Missionsherberge gehen oder in ein Gasthaus? Gehe ich in eine der Missionsherbergen, deren Vertreter ebenfalls auf Ellis Island anwesend sind, so finde ich billige Kost, billiges Logis (wenigstens für Neuyorker Verhältnisse) und zuverlässigen Rat. Auch immer bereitwillige Unterstützung und Hilfe bei der Arbeitsuche. Deshalb sollte es namentlich jeder jüngere, unerfahrene Mensch zunächst unter allen Umständen mit einer der Missionsherbergen versuchen, etwa dem lutherischen deutschen Emigrantenhaus oder dem katholischen Leohaus, die beide in nächster Nähe der Landungsstelle am Neuyorker Hafen liegen. Außerdem kann man sich auf Ellis Island als Deutscher darüber noch besonders bei den Beamten erkundigen, die eine Mütze mit der Bezeichnung „Deutsche Gesellschaft“ tragen. Will ich aber am ersten Tag durchaus in einem Gasthaus absteigen, so lasse ich mich vor allem nicht von unbekannten „Landsleuten“ verführen, denn es sind zu viele Spitzbuben darunter, die es nur auf mein Geld abgesehen haben. Im Landungsdepot am Battery-Park in Neuyork stehen Vertreter solcher Gasthäuser, die unter Aufsicht der Einwanderungskommission stehen. Sie tragen ein Brustschild, auf dem steht: Licensed boarding house keeper. An die23 se Leute wende ich mich und bitte um ihre „Geschäftskarte“. Darauf finde ich den Namen des Gasthauses und die Preise für Kost und Logis (boarding) pro Tag und pro Woche. Die Geschäftskarte, die mir am meisten zusagt, nehme ich und gehe gleich mit dem betreffenden Angestellten, der mir auch das Gepäck usw. besorgt. Um keinen Preis lasse ich mich aber, das sei nochmals eingeschärft, mit fremden Personen ein, die nicht auf die eben beschriebene Art und Weise legitimiert sind.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mit 100 Mark nach Amerika