Die deutsche Schule

Abb. 101. Gérard, Mme. Bonaparte, die Mutter Napoleons
Abb. 102. Französische Schule, Napoleon als Knabe
Abb. 103. Villiers, Mme. Récamier


Die deutsche Miniaturmalerei fand ihren Ursprung wie die englische und französische im sechzehnten Jahrhundert. Wenn sie trotzdem nicht zu einer solchen Blüte kam, wie bei ihren westlichen Nachbarn, so lag das wohl daran, daß Deutschland keinen Hof hatte, an dem diese Luxuskunst sich hätte entfalten können. Deutschland fehlte der Mittelpunkt höfischen Lebens, wie ihn Frankreich in Paris unter den letzten Valois, England in London unter den letzten Tudors besaß. Deutschland zählt unter seinen Miniaturisten Künstler von erstem Range, aber sie schafften in der Verborgenheit. In doppelter Verborgenheit sogar. Hans Mülich (1516 — 1573), auf den Ernst Lemberger neuerlich die Aufmerksamkeit lenkte, arbeitete in München an einem kunstsinnigen aber kleinen Hofe, und wenn seine Arbeiten schon dadurch einem größeren Kreise vorenthalten blieben, so waren sie es noch mehr durch den Umstand, daß er seine Meisterwerke der Porträtkunst in Bücher malte. Schon die kostbare Ausstattung derselben, die heute zu den Schätzen der Königl. Hof- und Staatsbibliothek in München gehören, hinderte ihren Gebrauch und ihr Bekanntwerden. Zu den Miniaturmalern des Hofes der bayerischen Herzöge gehörten auch die beiden Ostendorfer, Vater und Sohn, der eine im Anfang, der andere in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts als Buchmaler beschäftigt. Auch die namhaftesten deutschen Künstler der Epoche Dürer, Cranach u.a. haben Bildnisse in kleinem Format angefertigt, wenn man sie deswegen auch nicht zu den eigentlichen Miniaturmalern rechnen darf. In der ehemaligen brandenburgischen Kunstkammer, die älteren Besuchern der Berliner Sammlungen noch aus dem Schlosse, später aus dem Neuen Museum bekannt ist, und deren Bestände vor einem Menschenalter zwischen dem Hohenzollern- und dem Kunstgewerbemuseum aufgeteilt wurden, befand sich ein Miniaturbildchen des Markgrafen Friedrich des Älteren von Ansbach, das auf ein Silberplättchen gemalt war und Dürer zugeschrieben wurde. Aus Dürers Werkstatt sind Buchmalereien der Glockendon u. a. hervorgegangen, wie weit der Meister selbst an ihnen beteiligt gewesen sein mag, muss dahingestellt bleiben. Ungemein fruchtbar dagegen an allem, was in das Bereich eines damaligen Malers fiel, war die Werkstatt von Lucas Cranach (1472 — 1553), in der Bilder, Zeichnungen, Holzschnitte und dergleichen in einem förmlich fabrikmäßigen Betriebe hergestellt worden sind. Das erklärt das Lederne und Geistlose so vieler der Arbeiten, die mit dem bekannten Cranachschen Werkstattzeichen, dem Drachen, signiert sind. Kardinal Albrecht von Brandenburg (S. 118) war der Sohn des Kurfürsten Johann Cicero und schon mit 24 Jahren Kurfürst von Mainz. Er war ein außerordentlich kunstsinniger Fürst, der sich von Albrecht Dürer und Cranach porträtieren ließ, sein Grabdenkmal bei Peter Vischer in Auftrag gab, Bilder von Grünewald, Hans Baidung Grien u. a. kaufte. Seine Hofhaltung in Halle an der Saale war eine der glänzendsten der Epoche. Bei dem Besuche, den ihm zu Ostern 1536 Kurfürst Joachim II. von Brandenburg mit seiner Frau machte, ließ der Kardinal in 11 Tagen 50.000 Gulden aufgehen und gab dazu Geschenke im Betrage von 100.000 Gulden. Zweihundert Jahre später hätte ein solcher Fürst seine Mittel beim Bau von Lustschlössern und dem Sammeln italienischer Bilder verschwendet. Der Kardinal verwandte sie noch zum Bau und zur Ausstattung eines Domstiftes, des sogenannten Neuen Stiftes in Halle. Er stattete die Kirche desselben mit dem größten Prunk aus und brachte einen Reliquienschatz zusammen, der es mit dem berühmten ähnlichen Friedrich des Weisen in Wittenberg an Seltenheit der Stücke und Kostbarkeit der Behälter wohl aufnehmen konnte. Schon setzte sich überall im Norden Deutschlands die Lehre Luthers durch, als Albrecht noch durch die prunkvollsten Zeremonien und die pomphaft ausgestatteten Prozessionen den alten Glauben stützen zu können meinte. Zwei Faktoren haben dem Glanz ein Ende gemacht, die Reformation und die Schulden.


Auch die riesigen Mittel des Kardinals erschöpften sich, die Schulden wuchsen ins Unermessliche und selbst die Fugger wollten nicht mehr borgen. Es ist bekannt, daß Tetzel im Auftrage Albrechts seinen Ablasshandel trieb und dabei von Fuggerschen Agenten begleitet wurde, die auf die Pfennige der Gläubigen, kaum daß sie eingezahlt waren, schon Beschlag legten. Die Finanzen des Kardinals erlaubten nicht länger eine so kostspielige Schöpfung wie das Neue Stift in Halle über Wasser zu halten. Am 22. März 1541 wurde die letzte Messe darin gelesen, die köstlichen Kleinode mit den heiligen Gebeinen wurden verpfändet und verkauft. Die Reformation nahm von der Stadt Besitz. 1545 ist Albrecht gestorben.

Abb. 104. Prudhon, Constance Mayer
Abb. 105. Constance Mayer, Mme. Roland
Abb. 106. Kucharski, Ludwig XVII.
Abb. 107. Goya, Königin Marie Luise von Spanien
Abb. 108. Aubry, Dame mit Harfe
108. Champmartin, Madame de Mirbel


Ein Zeitgenosse des Sachsen Cranach ist der Rheinländer Barthel Bruyn (ca. 1493 bis ca. 1556). Ein Kölner und Schüler des Meisters vom Tode der Maria ist er durch seine großen Altarwerke berühmt geworden. Ausnahmsweise scheint er auch in kleinem Format gearbeitet zu haben, wie das weibliche Porträt (S. 119) beweist. Wenn auch der Name der Dargestellten nicht aufbehalten ist, so hat das Bildchen dadurch Interesse, daß es nach Lembergers Angaben die früheste Miniatur ist, die aus dem westlichen Deutschland überhaupt bekannt ist. Aus dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts kennen wir in Friedrich Brentel (1580 — 1651) einen Künstler, der die Radiernadel des Kupferstechers mit demselben Geschick führte, wie den Pinsel des Miniaturmalers. Von seiner Hand bewahrt das Großherzogliche Kupferstichkabinett in Karlsruhe eine ganze Reihe von Bildern der Mitglieder der gräflichen Familie Solms. Dann folgt im deutschen Kunstleben die unheilvolle lange Stagnation, die durch das Elend des furchtbaren großen Krieges heraufbeschworen worden war. Die Höfe gewöhnten sich, ihre künstlerischen Aufträge Fremden anzuvertrauen, im Norden Deutschlands arbeiten Holländer und Franzosen, im Süden Italiener. Aus dieser Zeit stammen die beiden hübschen Miniaturen vornehmer Damen (Tafel 16), deren Originale dem Nationalmuseum in München angehören. Sie müssen um das Jahr 1640 herum entstanden sein. Am kurbrandenburgischen Hofe arbeitete der Franzose Jean Pierre Huault Miniaturporträts in Emaille. Er empfing 1691 ein jährliches Gehalt von 100 Talern, für das er im Jahr zwei Miniaturbilder liefern mußte. Der deutsche Emailleur Lorenz Eppenhoff erhielt in der gleichen Zeit nur 300 Taler Gehalt, also 100 Taler weniger als der Franzose, musste aber dafür auch dreimal mehr Arbeit leisten, nämlich sechs Bilder im Jahr abliefern. Ein Schüler Huaults war wohl Samuel Blesendorff, der sich als Emailleur, Kupferstecher und Ölmaler hervortat und 1706 in Berlin gestorben ist. Am kurbayerischen Hofe überwog, seit der Kurfürst Ferdinand Maria die Prinzessin Adelaide von Savoyen geheiratet hatte, der italienische Einfluss, unter seinem Sohn, dem Kurfürst Max Emanuel (S. 121) kam der französische zu Ehren. Dieser Kurfürst, unter dem Bayern so schwere Tage durchgemacht hat, trat 1679 mit 17 Jahren die Regierung an und heiratete 1685 die Erzherzogin Marie Antonie von Österreich, die Tochter Kaiser Leopolds. 1692 Witwer geworden, vermählte er sich 1695 mit der Prinzessin Therese Kunigunde Sobieska, der Tochter des Polenkönigs, der 1683 Wien befreit hatte. Der älteste Sohn Max Emanuels sollte nach dem Tode Karl II. die spanische Monarchie erben, als er plötzlich in Brüssel starb. Ob die Dummheit der Leibärzte genügte, den jungen Fürsten umzubringen, oder ob, wie Liselotte will, ein österreichisches Pülverchen nachgeholfen hat, ist nie festgestellt worden. Jedenfalls trat der Kurfürst im Spanischen Erbfolgekriege auf französische Seite und zog dadurch seinem unglücklichen Lande alle Schrecken einer österreichischen Invasion und Verwaltung zu. Während seine Gattin in vollen Zügen die Freuden Venedigs genoss, seine Kinder in der Gefangenschaft des Gegners mit Härte und Roheit behandelt wurden, verbrachte der Kurfürst die Jahre der Verbannung in Versailles, mehr lustig als würdig, wie die brave Pfälzerin des öfteren berichtet. Er starb in Würden und Besitz zurückgeführt 1726. Wer die beiden angeblichen Prinzessinnen aus dem Hause Habsburg (Tafel 17) sein können, ist leider auch nicht annähernd festzustellen. Da sie die Modefrisur der Fontange tragen, müssen sie wohl nach 1685 und vor 1714 gemalt worden sein, denn so lange etwa hat dieser Kopfschmuck die Damen verschönt und gedrückt. Es muss nicht leicht gewesen sein, diese Frisur, die viel komplizierter war, als sie aussieht, auf dem Kopfe zu balancieren. Die Herzogin von Orleans wenigstens macht sich immer darüber lustig, daß ihr die Fontange egal schief sitze und das Gewicht derselben, der Stäbe, die Haare und Schleifen hielten, scheint sehr beträchtlich gewesen zu sein; einer der witzigen Pariser Abbes bemerkte einmal, die Damen ließen sich jetzt vom Schlosser frisieren.

Der berühmteste deutsche Miniaturist der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts ist Balthasar Denner (1685 bis 1748), der Maler der Hansestädte, er wurde in Hamburg geboren, in Danzig ausgebildet und starb in Rostock. Er genießt bei jenem Teil des Publikums, das die Bildergalerien nur unter dem Pflichtgebot des Bildungszwanges besucht, noch heute das Ansehen, das ihm bei Lebzeiten von Fürsten und Herren gezollt wurde. Seine „Fältchen- und Porenkunst“, die mit ängstlichem Pinsel keine Runzel und kein Haar auslässt, bildet immer das Entzücken aller, die Kunststück und Kunst verwechseln. Seine bekannten (soll man sagen berühmten, darf man sagen berüchtigten?) Köpfe eines alten Mannes und einer alten Frau, von denen es so viele Wiederholungen gibt, waren in dem Nordlichtkabinettchen der Alten Pinakothek mehr belagert, als selbst die van der Werffs nebenan; hätte Tschudi sie geschont, wer weiß, ob seine glänzende Neuaufstellung der Galerie so viele Gegner gefunden hätte!? Die Höfe haben Denner mit Arbeiten überhäuft. Er erhielt für ein Miniaturporträt 20 Taler, wenn es ein bloßes Brustbild war, 40 Taler, wenn die Hände zu sehen waren.

Als Miniaturist folgt auf Denner Daniel Chodowiecki (1726 — 1801). Die Nachwelt hat den Künstler immer nur als den liebenswürdigen Radierer gefeiert, dessen Blätter ihr das ganze friderizianische Preußen verkörpern, aber den größeren Teil seines Lebens hat Chodowiecki der Miniaturmalerei gewidmet. Schon als Knabe hat er in Danzig kleine Brustbilder des Polenkönigs Stanislaus Lesczynski zu Dutzenden gemalt. Er ging nach Berlin mit der Absicht, seinem Onkel Anton Ayrer im Geschäft an die Hand zu gehen. In diesem Quincaillerie-Geschäft hat er lange Jahre Emaillen und Miniaturen gefertigt, sich endlich selbstständig gemacht, diesen Zweig seiner Kunst aber weitergepflegt. Friedrich der Große und Chodowiecki sind gar nicht ohne einander zu denken. Wenn der Ruhm des Preußenkönigs dem kleinen Berliner Maler ein glänzendes Auskommen sicherte (Jahre hindurch soll die monatliche Einnahme, die Chodowiecki mit Bildern seines Königs erzielte, 100 Taler betragen haben), so hat dafür der Maler Mit- und Nachwelt die Gesichtszüge, das Aussehen und die Erscheinung des „Alten Fritzen“ getreulich bewahrt, wahrheitsmäßiger und typischer als der Hofmaler Pesne. Friedrich hat Chodowiecki nicht gesessen, er erzählt selbst in sehr launiger Weise, wie er bei einem Besuche in Sanssouci Zeuge der Abneigung wurde, die der König dagegen hatte.

Der Modelleur Meyer von der Porzellanmanufaktur kam mit einer fertigen Büste des Monarchen und bat ihn, dieselbe nach der Natur korrigieren zu dürfen. Friedrich aber ließ ihn abweisen und ihm sagen, er solle sich einen alten Affen suchen und nach dessen Fratze korrigieren, das sei Ähnlichkeit genug. Wenn der Künstler vom Könige auch keine Sitzung bewilligt erhielt, so hat er ihn doch oft genug gesehen, um sich das charakteristische Bild desselben einprägen zu können. Chodowiecki hat Friedrich den Großen in Brustbild und zu Pferde porträtiert und seiner Auffassung ein solches Cachet überzeugender schlichter Naturwahrheit zu geben verstanden, daß das Bild des Königs so, wie Chodowiecki ihn sah, auf die Nachwelt übergegangen ist. Der Künstler beherrschte alle Techniken der Miniatur, er arbeitete in Emaille, in Öl, mit der Feder, Wasserfarben usw. Er galt seinerzeit für teuer, denn er nahm für eine Miniatur je nach der darauf verwandten Zeit und Mühe 15 bis 50 Taler, als Regel etwa 25 bis 30 Taler. Emaillierte Köpfe ließ er sich mit 15 bis 20 Taler bezahlen, ganz kleine Miniaturen, wie man sie in Ringen und Berloques trug, kosteten 10 Taler, Miniaturen für Armbänder. 8 Louisdors.

Abb. 109. Mme. de Mirbel, Mlles. de Pourtalès
Abb. 110. Millet, Lady Hargreaves
Abb. 111. Cranach d. Ä., Kardinal Albrecht v. Brandenburg
111. Unbekannte vornehme Damen
111. Unbekannte Erzherzoginnen aus dem Hause Habsburg


In Dresden arbeiteten um diese Zeit Gabriel Ambrosius Donath, ein verrückter Zwickel, der sich in allerhand Launen und Schrullen gefiel, so trug auch er wie Liotard einen langen Bart, und die Familie Mengs. Ismael Mengs (1688 bis 1764) ein Däne, war ausgezeichnet als Miniaturmaler und hielt auch seine ganze Familie, seinen Sohn Anton Raphael (1728 — 1779) und seine Töchter Julie und Therese zu dieser Kunstübung an. Raphael Mengs, der das Kunstleben des Kontinents ebenso nachhaltig beeinflusste, wie sein Zeitgenosse Reynolds das Englands, hat in Miniatur und Pastell Bedeutendes geleistet. Erfreulicheres vielleicht als in Öl und Fresken. Seine Schwester Therese Maren (1725 — 1806) war ebenfalls in dieser Technik ausgezeichnet. Sie war die Lehrerin von Maria Cosway und starb wie diese im Kloster. Anton Graff, der geistreiche Porträtmaler, der seinen Bildnissen inmitten einer verkünstelten Zeit so viel frische Natürlichkeit zu wahren wusste, malte in Miniatur so gut, wie Adam Friedrich Oeser. In ihren Kreis gehört Doris Stock (1761 — 1815), die Tante Theodor Körners. Das Bildchen von Goethes berühmter Freundin (S. 127) zeigt die vielbesprochene Frau auf der Höhe ihres Lebens und in der Fülle der Locken, wie die Mode sie erheischte. Keine Dame braucht ihr diese köstliche Chevelure zu neiden, in solcher Fülle und so geschickt angewachsen existiert kein natürliches Haar. Die Flut der Locken, die man in dieser Zeit auf den Porträts bewundert, waren Perücken. Man machte auch gar kein Hehl daraus und trug z. B. vormittags eine andere Haarfarbe als abends, oder wechselte die Farbe derselben passend zur Toilette. Daraus erklärt sich auch, daß es so manche Porträts jener Zeit gibt, welche die gleiche Dame immer mit anderen Haaren zeigen, Königin Louise z. B. rotblond, aschblond, dunkelblond. Charlotte von Schardt, geboren 1742, heiratete 1764 den Oberstallmeister von Stein, wurde 1793 Witwe und starb erst 1827. Die Tragik im Leben dieser Frau, der ein Goethe zehn Jahre lang zu eigen gehörte, beruht wohl weniger auf seinem Verlust, als auf dem schmerzlichen Zwange diesen Verlust vierzig Jahre lang in nächster Nachbarschaft des einst Geliebten überleben zu müssen. Das hat sie im Alter so bitter und so boshaft gemacht und ihre Zunge gegen ihn und seine Angehörigen geschärft.

All die genannten Künstler waren tüchtige Miniaturisten, aber von einer eigentlichen Blüte dieser Kunst lässt sich erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts sprechen, ihr Schauplatz war Wien. Für den Hof waren schon immer Miniaturmaler tätig gewesen, ein solcher hat z. B. das nette kleine Bildchen Kaiser Josephs II. gemalt (S. 128), das in ein Schmuckstück von vergoldetem Silber mit einer Umrahmung von Smaragden und Rubinen gefasst ist. Der Kaiser, 1741 geboren, ist noch in jugendlichem Alter dargestellt, noch voll der stürmischen Ideen, mit denen er seine Untertanen beglücken wollte. Als er 49 Jahre alt 1790 starb, war er ein gebrochener unzufriedener Mann, der sich selbst sagen mußte, daß er nichts von alledem durchgesetzt hatte, was er hatte erreichen wollen; er hatte eben, wie Friedrich der Große von ihm sagte, stets den zweiten Schritt vor dem ersten getan. Nicht Liotard, der sich lange in Wien aufhielt, und sich der größten Gunst der Kaiserin Maria Theresia erfreute, hat die große Zeit der Wiener und damit der deutschen Miniaturkunst heraufgeführt, sondern der Schwabe Heinrich Friedrich Füger. 1754 in Heilbronn geboren, lernte er anfangs bei Nicolas Guibal in Ludwigsburg, dann bei Oeser in Leipzig. Mit dem englischen Gesandten in Dresden Sir Robert Murray Keith besuchte er Wien, wo er sich 1774 niederließ. Mit einem Stipendium, das ihm Fürst Kaunitz verschafft hatte, ging er zu weiterer Ausbildung nach Italien, wurde zurückgekehrt 1783 Vizedirektor, 1795 Direktor der Akademie, erhielt 1806 die Direktion der Kaiserlichen Gemäldegalerie und starb 1818. Füger steht als Miniaturmaler in Deutschland ganz einzig da. Er ist von Vorgängern und Nachfolgern nicht übertroffen, kaum erreicht worden, ja Leisching hat vollkommen recht, wenn er in einer Besprechung der Miniatur „Kavalier in braunem Rock“ (Tafel 18) sagt: „Unter den Zeitgenossen auch in England und Frankreich ist keiner, der imstande gewesen wäre, mehr zu leisten.“ Die malerische Empfindung, die Füger besitzt, zeichnet ihn ebensowohl vor Cosway wie vor Hall aus. Vor diesen beiden größten seiner Zeitgenossen hat er auch die Gabe individualistischer Auffassung voraus. Die Strenge, mit der Füger charakterisiert, hat seine Miniaturen vor der Uniformität bewahrt, die den Werken von Cosway so schadet. 1798 mußte Füger, weil seine Augen versagten, das Malen von Miniaturen aufgeben. Er hat sich dann dem großen klassizistischen Historienbilde hingegeben, wie es seit David Mode war, aber wenn er auch noch viele Quadratmeter Leinwand bemalte, seine Miniaturen hat er nicht erreicht, er blieb, wie man oft gesagt hat: groß im Kleinen, klein im Großen. Der Hof und die Aristokratie haben ihn stark in Anspruch genommen und in ihrem Auftrage hat er seine glänzendsten Leistungen vollbracht. Prinzessin Wilhelmine Louise (Tafel 19) war die erste der vier Frauen des späteren Kaiser Franz I. Sie war eine Tochter des Herzogs Friedrich Eugen von Württemberg und wurde 1767 geboren. Im Jahre 1788 vermählt, starb sie schon 1790 im Wochenbett, nur einige Tage vor Kaiser Joseph II. Erzherzogin Marie Clementine (S. 129) geboren 1777, vermählte sich 1797 mit dem damaligen Kronprinzen, späteren König Franz I. von Sizilien. Sie starb schon 1801. Die Erzherzogin Marie Christine (S. 130) war eine Tochter Kaiser Franz I. und der Kaiserin Maria Theresia. 1742 geboren, heiratete sie 1766 den Herzog Albert von Sachsen -Teschen. Sie war Statthalterin der Niederlande und lebte, nachdem diese Erblande des habsburgischen Hauses der Monarchie verloren gegangen waren, mit ihrem Gatten in Wien. Caroline Pichler rühmt ihr in ihren Denkwürdigkeiten „edle Formen, geistvollen Ausdruck und wohlgewählten Anzug“ nach, das letztere in ausgesprochenem Gegensatz zu der Erzherzogin Marie Louise, der damaligen Braut Napoleons. Die Erzherzogin starb 1798, ihr Mann überlebte sie bis 1822.

Er war bei der kaiserlichen Familie sehr beliebt und ist als Schöpfer der Albertina, der berühmten Kunstsammlung, noch heute unvergessen. Erzherzog Joseph Anton Johann (S. 131) war Palatin von Ungarn und in erster Ehe mit einer russischen Großfürstin vermählt, das einzige Mal, daß die katholischen Lothringer und die griechisch-katholischen Holstein-Gottorps sich miteinander verbanden. Er starb 1847, ein Jahr vor dem großen Aufstand in Ungarn. Am meisten bekannt wurde in den letzten Jahren das Bild der drei Komtessen Thun (S. 132), an das Laban seine Untersuchungen über Füger anknüpfte und dadurch auf die Bedeutung der Miniaturen dieses Künstlers hinwies. Das Bildchen ist 1788 gemalt worden und stellt die drei Töchter des Grafen Thun-Hohenstein-Klösterle dar, eines Mannes, der mit ganzer Seele der mystischen Richtung zuneigte, wie sie in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts als Reaktion gegen Skeptizismus und Rationalismus aufgekommen war. Er war ein Schwärmer, Rosenkreuzer, Anhänger Meßmers, der damals in Wien die blinde Therese von Paradeis sehend machen wollte und verrichtete ähnliche Wunderkuren wie sein Meister. Die Töchter, die hier vor einem Altar „Sacré à l'amitié“ knien, waren berühmte Schönheiten der Wiener Aristokratie und machten alle drei glänzende Partien. Die Älteste, Elisabeth, geboren 1764, vermählte sich 1788 mit dem Grafen Andreas Kyrillowitsch Razumowski, einem russischen Diplomaten, der nacheinander Gesandter in Kopenhagen, Stockholm, Neapel und Wien war, die längste Zeit seines Lebens aber in Wien zubrachte, wo er sich auf der Landstraße einen herrlichen Palast erbaute. Man nannte ihn in der Gesellschaft seiner zahllosen Abenteuer wegen nur den russischen Lovelace. Die Gräfin war nicht eben glücklich mit ihm, denn während sie ihn leidenschaftlich liebte, achtete er sie nur. Graf Roger de Damas schmachtete zu ihren Füßen und hat in seinen Memoiren die sechswöchentliche Reise beschrieben, die er im Herbst 1806 von Palermo nach Triest mitten durch die feindlichen Flotten, welche die Adria okkupierten, machte, um die schwerkranke Freundin nach Wien zu begleiten. Sie starb am 23. Dezember 1806. Die zweite Schwester Christine, geboren 1765, vermählte sich 1788 mit dem Fürsten Carl Lichnowski und wurde durch ihren Sohn die Großmutter des Fürsten Felix, der 1849 in Frankfurt ermordet wurde. Sie scheint eine sehr wunderliche Heilige gewesen zu sein, wenigstens berichtet Lulu Thürheim allerlei merkwürdige Züge von ihr. „So hatte sie Gewissenskrupel darüber“, schreibt Gräfin Thürheim, „sich durch ihre Kälte ihren Gatten entfremdet zu haben, sie liebte ihn nicht, aber sie verfolgte ihn nun mit ihren Avancen derart, daß sie ihn sogar eines Tages in ein Freudenhaus lockte, wo er zu seiner großen Entrüstung seine Frau erkannte. Trotzdem hat die arme Frau niemals ihren Gatten betrogen, was dieser ihr übrigens ohne Groll vergeben haben würde; als zynischer Wüstling und schamloser Feigling hätte er das Hörneraufsetzen wohl verdient.“ Dieser Frau hat Beethoven mehrere seiner Werke gewidmet. Sie starb 1841. Die jüngste Schwester Marie Caroline, geboren 1769, heiratete 1793 Richard Clanwilliam, der später Lord Guilford of Guillhall wurde und starb bereits im Jahre 1800. Ihre Kinder, zumal Richard „mit den schönsten braunen Augen“, spielen in den amüsanten Erinnerungen der Gräfin Thürheim eine große Rolle. Gräfin Marie Therese Pergen (Tafel 20) wurde 1763 geboren, ehelichte 1784 den Grafen Merveldt und starb 1802.

Abb. 113. Unbekannt, Max Emanuel, Kurfürst von Bayern
Abb. 114. Denner, Alter Mann
Abb. 115. Denner, Alte Frau
Abb. 116. Stock, Frau von Stein


Wie leider so häufig, ist von so vielen Miniaturen Fügers nicht bekannt, wen sie darstellen. Das ist um so mehr zu bedauern, als seine Unbekannten, es sei nun der Herr mit dem Briefe in der Hand (S. 134) oder die Damen stets so ausgeprägt individuelle Züge tragen, daß man wohl wissen möchte, wen man vor sich hat. Die Unbekannte mit dem klassisch schönen Profil (S. 133) fesselt durch Anmut, die Halbfigur der Dame in großer Toilette (Tafel 21) durch ihre kränkliche Melancholie. Der Anzug der letzteren gehört dem Ende der achtziger Jahre des Jahrhunderts an. Die große Krause und die Puffärmel sollen ihm etwas Rittermäßiges geben. Es war die Zeit, in der Benedikte Naubert, Spieß u. a. die Ritterromane und Ritterschauspiele en vogue brachten, in der man im Mittelalter der Ritterzeit den großen Heroismus und die starknervige Tugend suchte. Füger hat auch mehrere Herren der österreichischen Aristokratie mit den Attributen gemalt, die dazumal die Ritterzeit charakterisierten, vor allem der großen Halskrause des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, z. B. den Grafen Bellegarde, Graf Esterhazy, Feldmarschall Laudon u. a. Die Schauspielerin Bethmann brachte 1793 diese großen Halskrausen als Ritterkragen in die Berliner Mode, ein Jahrzehnt später wurden sie in Paris als Chérusses Staatsputz bei der Krönung Napoleons und Josephines. Ob der Mann im roten Rock (Tafel 22) mit Recht Graf Platon Subow genannt wird, oder ob er nicht mit mehr Ursache Fürst Jussopoff genannt werden müsste, ist nicht mit Gewissheit zu bestimmen. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Fügerschen Bilde und einem Porträts Subows , das von Lampi gemalt und von James Walker gestochen wurde, lässt immerhin an Identität mit Subow denken. Er war der letzte der vielen Günstlinge Katharinas II. und von ihr um so mehr geliebt und geschätzt, als er außer den der Kaiserin wesentlichen körperlichen Vorzügen auch noch Gaben des Geistes besaß, die bei ihren Favoriten zu finden die Monarchin durchaus nicht gewöhnt war.

Zu den Künstlern, deren Arbeiten mit denen Fügers parallel laufen, gehört in Wien J. Grassi (1757 — 1838). Das Bildchen der Frau Henriette Pereira-Arnstein (Tafel 23), das von oder nach ihm gemalt wurde, stellt eine Dame vor, die jahrelang in der Wiener Finanzgesellschaft eine große Rolle spielte. Sie war die Tochter des Nathan Adam Arnstein, der 1795 geadelt und 1798 in den Freiherrnstand erhoben wurde und der Fanny Itzig, einer Tochter des Berliner Bankiers Daniel Itzig. Henriette, in Berlin auf die Welt gekommen, heiratete 1802 in Wien Heinrich Pereira, den ihr Vater adoptierte. Reich, schön und geistvoll, machte sie ein großes Haus und versammelte während des Wiener Kongresses die Diplomaten aller Länder in ihrem Salon. In den Tagebüchern von Friedrich von Gentz, den Briefen, die Staegemann vom Kongress nach Hause schrieb, begegnet man ihrem Namen auf beinahe jeder Seite. Auch Caroline Pichler gedenkt ihrer mit herzlicher Wärme, sie war außerordentlich wohltätig und starb hochbetagt, 79 Jahre alt, 1859 in Wien.

Unter der Generation, welche auf Füger gefolgt ist, glänzen noch zwei Namen von bestem Klang, Daffinger und Waldmüller. Moritz Michael Daffinger (1790 — 1819), ein Wiener Kind, betätigte sich schon im jugendlichen Alter als Maler an der Porzellanfabrik, die sich gerade damals in ihrer Blüteperiode befand. 1809 begann er in Miniatur zu malen und benützte den Aufenthalt, den Thomas Lawrence 1819 in Wien nahm, dazu, um diesem gefeiertsten aller Porträtisten seine Technik abzusehen. Er ist der Maler der spezifischen Wiener Anmut geworden, die weniger ätherisch und schwärmerisch als die damaligen Französinnen und Engländerinnen, ihren Reiz durch den stark sinnlichen Einschuss erhält, der ihr innewohnt. Ein schöner Mann, aber ein Raunzer, scheint der Maler nicht sehr liebenswürdiger Natur gewesen zu sein. „Malen, schimpfen, alles besser wissen und unzufrieden sein, darin bestehen die Lebensfreuden dieses Menschen“, notiert der Schauspieler Costenoble einmal über Daffinger in seinem Tagebuch. Er starb an der Cholera. Grillparzer setzte ihm die Grabschrift: „Im Menschenantlitz und in der Blumenwelt suchte er einzig die Natur und er fand sie, aber in ihrem Brautschmuck als Kunst.“ Wie Füger die vornehme Gesellschaft des Josephinischen Österreich, so malte Daffinger die des Vormärz, die Ära Metternich von der Sonnenseite betrachtet. Es waren die besten Tage des Österreich von Anno dazumal, als der Po noch ein österreichischer Strom war und die Politik der Welt am Ballhausplatz in Wien gemacht wurde. Eine tragische Gestalt dieser Periode ist der Herzog von Reichstadt (S. 141). In der Wiege schon König von Rom und Majestät, gerät das dreijährige Kind, man darf wohl sagen in die Gefangenschaft seines Großvaters , der dem Enkel nicht einmal einen würdigen Titel und ein würdiges Prädikat gönnt. 1817 hat er ihn zum Herzog von Mödling ernannt und diesen Titel ein Jahr darauf wenigstens mit dem weniger skurrilen eines Herzogs von Reichstadt vertauscht. Von der Majestät sank der Knabe zur Durchlaucht herab, eine kleinliche Rache, an einem Wehrlosen ausgeübt, die Franz I. ganz würdig war. Der junge Adler verschmachtete in seinem Käfig. Mehr als rührend, geradezu erschütternd sind die Schilderungen, die Prokesch Osten, Lulu Thürheim und andere, die ihm nahe kommen durften, von der Persönlichkeit des Jünglings machten, auf dem ein so gewaltiges Schicksal ruhte. Der Sohn eines der größten Männer, welche die Geschichte kennt, auf den bei seiner Geburt ein Reich wartete, das halb Europa umfaßte, verzehrt seine Seele in österreichischem Kommissdienst und stirbt, weil er sich bei der Leichenparade irgend eines subalternen Menschen tödlich erkälten muss! Im Kaiserschlosse Maria Theresias in Schönbrunn, von wo aus sein Vater 1809 dem besiegten Kaiserstaate seine Gesetze diktiert hatte, ist er 1832 dahingegangen, in demselben Zimmer und in demselben Bett, das Napoleon benutzt hatte. Gräfin Crescenz Szechényi (S. 143) war die Tochter des Grafen Karl August Seilern und der Maximiliane Gräfin Wurmbrand. Mit zwanzig Jahren wurde sie 1819 die zweite Frau des Grafen Karl Zichy, der in erster Ehe mit Julie Gräfin Festetics vermählt gewesen war. Diese war während des Kongresses wegen ihrer großen Ähnlichkeit mit der Königin Louise von Friedrich Wilhelm III. angeschwärmt worden und als „la beauté céleste“ in der Gesellschaft gefeiert. Gräfin Crescenz heiratete in zweiter Ehe 1836 den Grafen Stephan Szechényi und starb 1875. Gräfin Sidonie Potocka (S. 115) war die Enkelin des durch seinen Geist berühmten Prinzen de Ligne. 21 Jahre alt heiratete sie 1807 den Grafen Franz Potocki und wurde dadurch auch die Schwiegertochter ihrer eigenen Mutter, denn diese, Helene Apollonia Prinzessin Massalska hatte 1794 in zweiter Ehe den Vater des Grafen Franz, den Grafen Vincenz Potocki geheiratet. „Wir liebten Sidonie Ligne nicht, obwohl sie Esprit hatte,“ bemerkt Lulu Thürheim, „aber sie war mokant und schlimm.“ Das Kostüm, in dem Daffinger die Gräfin gemalt hat, ist charakteristisch für die Mode vom Anfang der dreißiger Jahre. Man liebte damals die Überladung mit Putz. Man trug Juwelen auf der Stirn, über den in Locken gesteckten Haaren eine Haube und über dieser noch einen Hut, alles so mit Federn, Bändern, Blumen, Schleifen, Agraffen bepackt, wie nur immer Platz fand. Jedenfalls wird der phantastische Turban aus rot und schwarz gestreiftem Seidenstoff mit seinen gewaltigen Federn dem Blondhaar der Gräfin gut gekleidet haben. Gräfin Sophie Narischkin (S, 146), die Daffinger als Kind porträtiert hat, heiratete den Grafen Schuwaloff, sie wurde geboren 1829 und starb 1894. Gräfin Nandine Karolyi (Tafel 24) war eine geborene Gräfin Kaunitz-Rietberg und starb 1862 im Alter von 57 Jahren. Ein bedauernswertes Opfer der Staatsräson war die Kaiserin Marianne (Tafel 25), deren Bild Emanuel Peter (1799 — 1873) nach einer Vorlage von Daffinger gemalt hat. Sie war eine Tochter des Königs Viktor Emanuel I, von Sardinien und wurde 28 Jahre alt 1831 an den späteren Kaiser Ferdinand vermählt. Imbezillität schützt nicht vor dem Thron, sonst hätte der bedauernswerte Mann (in Süddeutschland nennt man solche Leute Depp oder Trottel), der nicht das bescheidenste bürgerliche Gewerbe hätte ausüben können, wohl nicht den Thron bestiegen. Man könnte Bände mit Aufzählung all der Bêtisen füllen, die der Kaiser geäußert hat, oder die ihm die verschwenderische Laune zuschrieb. An seiner Seite vertrauerte die Kaiserin ihr zweckloses Leben, sie hätte schon durch diese bemitleidenswerte Existenz die Seligsprechung verdient, die bereits in Rom im Werke war. Sie ist erst 1884 gestorben.

Mit Daffinger rivalisierte in der Gunst der Gesellschaft der beinahe gleichaltrige Ferdinand Georg Waldmüller (1793 — 1865), wie Daffinger ein Wiener Kind. Er war weniger ausschließlich Miniaturmaler als Daffinger, schloss sich aber wie dieser an die Manier von Thomas Lawrence an. Er gehörte zu den Künstlern, die in den Akademien ein Übel und einen Nachteil für die Kunst sehen, er hat 1846 eine Schrift gegen den akademischen Unterricht veröffentlicht. Das Familienbild einer Unbekannten mit ihren zwei Kindern (Tafel 26) besitzt alle Vorzüge seiner liebenswürdigen und erfreulichen Art, die drei Personen sind charakteristisch erfasst, gut in den Raum gebracht und in feiner Harmonie der Farbe zusammengeschlossen. Neben Daffinger und Waldmüller wirkten noch zahlreiche andere Miniaturisten, die sich gelegentlich in einzelnen ihrer Leistungen auf das gleiche hohe Niveau erheben, wie diese Meister. Da ist der Hofmaler Bernhard von Guerard (†1836) und unter anderen Kreizinger, der die Kaiserin Marie Louise (S. 151) gemalt hat. Marie Louise war erst neunzehn Jahre alt, als sie mit Napoleon vermählt wurde. Sie war die Tochter des Kaiser Franz I. und eine Enkelin der Königin Karoline von Neapel, der bittersten und unversöhnlichsten Feindin Napoleons. Sie war ohne Grazie, ohne Anmut und ohne Geschmack. Unter den Damen, die sich doch auf Toilette verstehen, wie Caroline Pichler, war nur eine Stimme über den geschmacklosen Anzug, in dem die junge Erzherzogin sich öffentlich zeigte. Als sie nach der Übergabe an ihr neues französisches Gefolge in Braunau die von demselben mitgebrachte Pariser Toilette angelegt hatte, schien sie eine ganz andere, äußert Gräfin Thürheim. Napoléon ließ seiner Frau als erstes Tanzstunden geben, damit sie lerne, sich zu halten und zu bewegen. Es ist bekannt, daß sie sich der Größe ihres Mannes durchaus nicht würdig zeigte. Sie weilte während des Kongresses in Wien und war sehr pikiert, daß sie die großen Feste desselben nicht mitmachen sollte. Sie hatte Napoleon kaum verlassen, als sie sich schon in den Armen des Grafen Adam Albrecht von Neipperg tröstete. Als dieser gestorben war, trat Graf Charles René de Bombelles in die Rechte eines Ehemannes zur Linken. Marie Louise verschmähte aber auch die Huldigungen anderer junger Männer nicht. Sie hat ihr kleines Herzogtum Parma gut verwaltet und starb 1847 am Vorabend der Revolution.

In Wien arbeitete seit 1798 auch Karl Agricola, ein Badenser aus Säckingen. Er erhielt für seine mit Geschmack und Sorgfalt ausgeführten kleinen Kunstwerke 100 Dukaten und mehr. Das Bild der eigenen Familie (Tafel 27), in dem Agricola 1815 seine damals 61 Jahre alte Mutter, seine Frau Christine, eine geborene von Saar und seinen Jungen porträtiert hat, bezeichnet Franz Ritter als das Meisterstück des Künstlers. Es verrät Geschmack, Gefühl für Anmut und große Sorgfalt; es wurde ihm mit 300 Gulden bezahlt. Agricola starb 1852 in Wien, das ihm zur anderen Heimat geworden war.

Abb. 117. Unbekannt, Anhenker
117. Füger, Kavalier in braunem Rock
117. Füger, Prinzessin Elisabeth Wilhelmine Luise
Abb. 118. Füger, Erzherzogin Marie Klementine
Abb. 119. Füger, Erzherzog Maria Christine und Herzog Albert von Sachsen-Teschen


In die nordischen Reiche wurde die Kunst der Miniaturmalerei wohl durch holländische und englische Besucher verpflanzt. Was sie da von Alexander Cooper und anderen Künstlern an Einflüssen empfangen haben mögen, das haben sie in Boit, Bruckmann, Hall, Lanfransen u. a. mit Zinseszinsen zurückgegeben. Zu den Ausländern, die an den nordischen Höfen tätig waren, gehört Jacob van Dort, ein Holländer, der dänischer Hofmaler wurde, viel in Kopenhagen und auch in Stockholm malte. Er erhielt in Dänemark für jedes seiner Bildchen 25 Reichstaler. Die Königin Anna Katharina von Dänemark (Tafel 28) war eine Tochter des Kurfürsten Joachim Friedrich von Brandenburg und vermählte sich 1597 im Alter von 22 Jahren mit König Christian IV., dem dänischen Nationalhelden. 1598 gekrönt, starb sie 1612 im Schlosse zu Kopenhagen. Der Sohn, den sie auf diesem ein Jahr vor ihrem Tode entstandenen Bildchen zur Seite hat, ist der damals achtjährige Prinz Christian. Er wurde von den dänischen Ständen 1608 zum Thronfolger gewählt, starb aber ein Jahr vor Seinem Vater 1647 im Schlosse Körbitz bei Dresden. An seiner Stelle bestieg sein Bruder Friedrich III. den Thron Dänemarks, das er aus einem Wahlreich zu einer Erbmonarchie machte. Ein Holländer wie van Dort war auch Toussaint Gelton, der Hofmaler Christians V. von Dänemark wurde. Das vornehme kleine Mädchen (Tafel 29), mit dem King Charles und den Inseparables trägt eine merkwürdige, von der Zeitmode des siebzehnten Jahrhunderts abweichende Tracht, vielleicht eine holländische oder dänische Landestracht. Einer der frühesten dänischen Miniaturmaler ist Adermann, ein Künstler, dem es an Originalität gefehlt zu haben scheint. Das Bild des Admirals Gyldenlöwe (Tafel 30) ist wenigstens die ganz genaue Kopie einer anderen Miniatur, in der Hiller den Prinzen Karl von Dänemark nach einem Gemälde Rigauds porträtierte. Adermann hat sich damit begnügt, die Züge etwas zu ändern und den Hintergrund mit kleinen Schiffen zu füllen. Ulrich Christian Gyldenlöwe (1678—1719) war ein Sohn König Christian V. und der Sophie Amalie Moth und infolge seiner hohen Abstammung hinlänglich qualifiziert, Generaladmiral von Dänemark zu werden. Jorge Gylding war von Haus aus Porzellanmaler und wurde als Hofmaler in Dänemark mit einem Jahresgehalt von 300 Reichstalern angestellt. Er starb um 1765. Seine Verbindung mit dem Porzellan legte es ihm wohl ganz besonders nahe, ein Bild des Monarchen zu malen, der damals die berühmteste Manufaktur Europas besaß, des Kurfürsten Friedrich August II. von Sachsen, der als König von Polen August III. hieß (Tafel 31). Als König ohne Macht und darauf angewiesen, die Schimäre der polnischen Krone mit guten sächsischen Talern zu überzahlen, fand er als Kurfürst in Friedrich dem Großen einen Gegner, dem er nicht gewachsen war; die dreißig Jahre, die er Sachsen von 1733 — 1763 regierte, gehören zu den trübsten in dessen Geschichte. W. A. Müller, der in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts als Miniaturist in Kopenhagen tätig war, hat den Maler Professor Pederals (Tafel 32) porträtiert und den Bildhauer Wiedewelt (Tafel33). Johann Wiedewelt, Sohn und Schüler von Just Wiedewelt, besuchte das Atelier Coustous in Paris und kam im Spätherbst 1754 nach Rom, um sich von der Antike die unerlässlichen künstlerischen Inspirationen zu holen. Hier wurde er ein Freund Winckelmanns, mit dem er sechs Monate in der größten Intimität zusammenlebte. Nach Kopenhagen zurückgekehrt, wurde er Direktor der Kunstakademie und von König Friedrich V. mit den Skulpturen betraut, die den Fredensborger Schlosspark schmücken. Eine Zeitlang der Stolz seiner Landsleute, erlebte Wiedewelt das schmerzliche Schicksal von dem aufsteigenden Gestirn eines Jüngeren, Thorwaldsen, völlig in den Schatten gestellt zu werden. Künstlerisch unbefriedigt, krank, mittellos und alt verzichtete er auf das Leben und suchte und fand am 21. Dezember 1802 den Tod in den Fluten des Peblinger Sees. — C. Hoyer, ein dänischer Miniaturist der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, hat die Königin Marie Sophie Friederike (Tafel 31) gemalt. Sie war die Tochter des Landgrafen Karl von Hessen und heiratete 1790 im Alter von 23 Jahren den Prinzen Friedrich, der als Friedrich VI. Dänemark von 1808 — 1839 regierte. Er gehörte zu den Monarchen, die sich 1814 in Wien zum Kongresse versammelten und war wegen seiner Gutmütigkeit allgemein beliebt. In seinen politischen Aspirationen war er weniger erfolgreich, so daß er dem Kaiser Alexander von Russland, der ihm beim Abschied das Kompliment machte: „Majestät nehmen alle Herzen mit“, sauersüß antworten konnte: „Aber keine Seele.“ Die Königin überlebte ihren Gatten noch bis 1852.

Abb. 120. Füger, Erzherzog Joseph
Abb. 121. Füger, Die Gräfinnen Elisabeth, Christiane und Marie Karoline Thun
121. Gräfin Merveldt
Abb. 122. Füger, Unbekannte
Abb. 123. Füger, Porträt eines unbekannten Herrn


Christian Hornemann (1765 — 1844) ein Kopenhagener, empfing seine Ausbildung in Deutschland, wo er von 1787 bis 1803 teils in Dresden, teils in Berlin lebte. Er hat u. a. Friedrich Wilhelm III. und die Königin Louise gemalt. 1804 ging er nach Dänemark zurück, wo er Hofmaler wurde. Sein Selbstbildnis (Tafel 35) dürfte um die Zeit seiner Übersiedlung nach Kopenhagen entstanden sein. Christian VIII. 1786—1848 (Tafel 36), der Sohn des Erbprinzen Friedrich und der Prinzessin Sophie Friederike von Mecklenburg-Schwerin, wurde 1813 von den Norwegern zu ihrem Könige gewählt, eine Wahl, welche die auf dem Wiener Kongress versammelten Monarchen und Diplomaten nicht bestätigten, sondern vorzogen, Norwegen mit Schweden zu verbinden, weil sie nicht zusammenpassten. Er folgte Friedrich VI. im Jahre 1839 und regierte bis 1848. Im Jahre 1806 hatte er sich mit der Prinzessin Charlotte von Mecklenburg-Schwerin vermählt, eine Ehe, die 1809 geschieden wurde, weil man die Prinzessin mit einem französischen Musikus Edouard Dupuis in flagranti ertappt hatte. Die temperamentvolle Frau lebte dann in Jütland in der Verbannung, ging später auf Reisen und starb 1840 in einem Kloster in Rom. Auf dem kleinen Friedhof der Deutschen, über dessen dichtes Immergrün der Schatten St. Peters fällt, ruht sie von ihren Irrfahrten aus, unter einem Marmordenkmal, das ihr Sohn ihr gesetzt hat.

123. Füger, Unbekannte Dame. 21
123. Füger, Graf Platon (?) 22
123. Grassi, Henriette Freiin von Pereira – Arnstein. 23



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Miniaturen und Silhouetten