Gerät und Geschirr

Die Gerätschaften des persönlichen Gebrauchs wurden hauptsächlich mit Bildnisminiaturen geschmückt, wurden ihre Abbilder doch an diesen Stellen immer wieder in die Erinnerung des Benutzers zurückgerufen. In Chantilly befindet sich ein schöner Briefbeschwerer von Malachit mit Griff von Goldbronze, in den die Miniatur der Herzogin von Aumale geb. Prinzessin beider Sizilien eingelassen ist. Ein ähnliches Stück mit einer Miniatur der Prinzessin Augusta Amalia von Bayern, gemalt von Franziska Schöpfer, aus dem Besitz König Max I. im Nationalmuseum in München.

Erzherzog Rainer besitzt ein köstliches Schreibzeug aus dem Nachlasse der Herzogin von Berry. Es ist eine Arbeit, die Alfonse Giroux 1826 in Paris angefertigt hat und zeigt die Miniaturbildnisse der Herzogin und ihrer beiden Kinder, der Sohn, später Graf Chambord genannt, die Tochter Herzogin von Parma. Außerdem sind noch vier Ansichten des Schlosses Rosny angebracht, des Sommersitzes der Herzogin. Die Kaiserin Marie Louise besaß ein Schreibzeug von Marmor und Goldbronze mit dem Miniaturbildnis der Königin Karoline von Neapel.


Zu dem Gebrauchsgerät des Tages trat, seit das Porzellan auch in Europa hergestellt wurde, auch dieses Geschirr, das bald selbst bei den ärmeren Klassen das bis dahin übliche Steingut und Zinn verdrängte. Die schöne weiße glänzende Glasur forderte zum Bemalen heraus und es dauerte nicht lange, bis die Bildnisminiatur auch vom Porzellangerät Besitz ergreift. Die Manufakturen von Meißen, Wien und Sèvres haben in Figuren und Bildnismalerei auf Porzellan Hervorragendes geleistet, besonders die beiden letzteren. Neben dem Fächer und der Dose wird die Tasse ein Gegenstand ganz besonderer Vorliebe. Man benutzt sie, man sammelt sie, man schmückt die Zimmer mit ihr; wie man sich das Rokoko nicht ohne Dose, so kann man sich das Biedermeier nicht ohne die Tasse vorstellen. Die empfindungsselige Zeit vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts hat die Tasse zu Gefühlsausbrüchen benutzt. Der ganze Komplex von Stimmungen tränenfeuchter Überschwenglichkeit gewinnt einen Niederschlag auf der Kaffeetasse. Liebe und Freundschaft, Erinnerung an bedeutende Ereignisse und Menschen, alles findet einen Ausdruck, der sich in Bildchen und Sprüchen auf Oberkopf und Untertasse verteilt. Seit der Kaiserzeit wird das Porzellangeschirr mit Bildnissen ganz besonders beliebt und Napoleon ließ es sich angelegen sein, Ehrengeschenke bemalten Porzellans aus der Manufaktur von Sevres zu verteilen. 1810 erhielt Graf Metternich eine Tasse mit dem Porträt der Kaiserin Marie Louise auf blauem Grunde, die 508 Fr. kostete. 1810 bekam die Königin von Neapel eine Vase mit dem Bildnis Napoleons für 1500 Fr. Die Gräfin Montesquiou im selben Jahr eine Tasse mit des Kaisers Brustbild für 300 Fr., die Königin von Westfalen eine Tasse mit dem Porträt der Großherzogin von Toskana für 350 Fr. Verschwenderisch werden die Geschenke kostbar bemalten Porzellans nach der Geburt und der Taufe des Königs von Rom. Der Großherzog von Würzburg als stellvertretender Pate des österreichischen Kaisers erhielt unter anderem ein Bild des Kaisers nach Gerard von Georget auf Porzellan ausgeführt für 7.000 Fr. Die Mutter des Kaisers eine Tasse mit dem Bildnis Marie Louises, gemalt von Leguay nach Isabey für 500 Fr., die Königin Hortense ein Dejeuner von 12 Tassen mit den Bildern der berühmtesten Philosophen des Altertums, gemalt von Bergeret im Werte von 3.740 Fr. Fürst Schwarzenberg empfing Stücke von besonderer Schönheit, eine Teekanne mit dem Porträt von Marie Louise und dem Kaiser von Österreich für 750 Fr., eine Tasse mit dem Bildnis Maria Theresias für 400 Fr. u. a. mehr.

130. Müller, Professor I. Wiedewelt. 33
130. Hoyer, Königin Marie Sophie Friederike von Dänemark. 34
130. Hornemann, Selbstbildnis. 35


Die Miniaturmaler, welche um diese Zeit den höchsten Ruf in Sevres genossen, waren Isabey, dessen Table des Marechaux schon erwähnt worden ist, ferner Charles Etienne Leguay und Madame Jaquotot. Leguay malte unter anderem ein Dejeuner, das auf Tassen und Schalen die Freuden und Leiden der Liebe darstellt, und eine große Vase mit dem Triumphzug der Diana in 33 Figuren. Dieses Prachtstück hatte drei Jahre Zeit gekostet und wurde auf 50.000 Fr. geschätzt. Karl X. schenkte es bei seiner Krönung dem englischen Botschafter Herzog von Northumberland. Madame Jaquotot hatte die Spezialität der schönen Frauenköpfe auf Tassen. Die Dedikationen in Porzellan waren etwas sehr Gebräuchliches und zwar in allen Kreisen; eine ganze Porträtgalerie der Zeit ließe sich in Tassen aufstellen. Vom Könige herunter bis zum Spießbürger haben sie alle die Tasse ausgesucht, um auf diesem zerbrechlichen Material verewigt zu werden und ihr Gefühl darauf auszusprechen. Prinz Biron von Kurland stiftete seinem Vormund, dem Grafen Wassiliew als Dank für die Vollendung seiner Erziehung ein Schokoladen-Service mit den Bildnissen Friedrichs des Großen, der Königin Louise und ihrer Schwester. Man könnte die Geschichte der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts um so mehr in Porzellan aufstellen, als zu der Tasse und dem Geschirr noch der Pfeifenkopf hinzutritt. Schnupfen und Rauchen haben einander abgelöst, der Tabak hat seine Herrschaft nicht eingebüßt, sondern nur auf ein anderes Gebiet verlegt. Das Pfeifenrauchen, im achtzehnten Jahrhundert nur in den Wachtstuben geduldet, beginnt im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in die Studierstube und das Wirtszimmer einzudringen. Die kurze holländische Tonpfeife, die bis dahin fast ausschließlich im Gebrauch war, macht der langen Pfeife mit dem Porzellankopf Platz und verhilft diesem dadurch zu einem bevorzugten Platz im Herzen aller Raucher. Das weiße Porzellan des Pfeifenkopfes wurde so gut bemalt, wie der Dosendeckel oder die Kaffeetasse und wenn während der Freiheitskriege die Köpfe der Fürsten und Heerführer auf denselben erschienen waren, so stellten sich bald darauf ganz andere Heroen ein. Nachdem Karl Ludwig Sand am 23. März 1819 Kotzebue ermordet hatte, trugen, wie Karl Gutzkow in seinen Jugenderinnerungen erzählt, von hundert Rauchern in Berlin gewiss 50 das gemalte Bild des unglücklichen Jünglings auf ihren Pfeifenköpfen und das gleiche berichtet Fanny Lewald aus Königsberg. Im nächsten Jahrzehnt folgte der Begeisterungsrausch des Philhellenismus und die Bildnisse von Miaulis, Kolokotroni, Marco Bozzaris und anderer Helden des Aufstandes zeugten auf den Pfeifenköpfen von der Sympathie ihrer Träger für die griechische Sache. Gervinus erinnerte sich aus seiner Jugend, wie unzufrieden sein Vater mit der griechischen Bewegung gewesen war und um sein Missfallen auch deutlich und allen sichtbar zu demonstrieren, auf seinem Pfeifenkopf das Bild des Sultan Mahmud getragen hatte, während alle anderen Darmstädter Spießer gemalte Griechenköpfe auf ihren Pfeifen zur Schau stellten. In den dreißiger Jahren machten die Griechen wieder anderen Göttern Platz, die Führer der liberalen Bewegung in Baden, die großen Redner der Kammer, Itzstein, Welcker, Sander, Hoffmann werden auf die Pfeifenköpfe gemalt, denn diese Männer waren es, auf die damals ganz Deutschland mit Stolz und Hoffnung blickte. Die Geschichte auf dem Pfeifenkopf ließe sich noch weiterführen und über Ronge, Robert Blum und andere populäre Größen bis in unsere Tage herauf verfolgen. Der richtige Spießer von dazumal, der, wie die Polizei es wünschte, gänzlich unpolitisch war, begnügte sich auf seinem Pfeifenkopf mit dem Bildnis irgend eines schönen Mädchens. Rote Backen, blaue Augen, blonde Locken und ein runder Busen befriedigten ihn weit mehr, als die heroischesten Griechen und die kühnsten Redner. Die Maler, die im Auftrage des Kronprinzen Maximilian von Bayern in den dreißiger Jahren Hohenschwangau ausmalten, sind, wie Quaglio verraten hat, durch diese Pfeifenköpfe aus einer großen Verlegenheit gerissen worden. Schwind hatte die Entwürfe für die Fresken gemacht, mit denen der Kronprinz seine Burg schmücken lassen wollte, aus Sparsamkeit aber sollte nicht er selbst die Ausführung übernehmen, sondern sie wurde Anfängern übertragen, die in ihren Forderungen bescheidener waren. Nun kamen die jungen Künstler in die größte Verlegenheit, woher sie die weiblichen Modelle für die stolzen Ritterfrauen, die minnigen Burgfräulein, die holdseligen Nymphen wohl hernehmen sollten, bis einem von ihnen die schönen Mädchenköpfe auf Pfeifenköpfen und Bierkrugdeckeln einfielen und sie retteten. Die porzellanenen Schönheiten, die von den Wänden des Königsschlosses den Beschauer grüßen, mögen wohl von der Mehrzahl für Originale Schwinds gehalten werden. Der Pfeifenkopf wurde so gut ein Ehrengeschenk, wie ihrer Zeit die Dose. Dem General von Bülow, der tätig zur Aufhebung des Sklavenhandels auf den westindischen Inseln mitgewirkt hatte, stiftete König Friedrich VI. von Dänemark in Anerkennung dieser Dienste eine Tabakpfeife. Sie zeigte auf dem Porzellankopf das gemalte Bildnis des Königs und am Rohr einen Negerkopf. Zu der Zeit, als die Studenten noch aus langen Pfeifen rauchten, war die Dedikation einer solchen mit gemaltem Kopfe unter der Jugend sehr beliebt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Miniaturen und Silhouetten