Abschnitt 6

Michael Kopmann’s
Chronik St. Nicolai zu Wismar.


Die dann folgende Nachricht, § 44, welche von dem ersten Continuator herrührt, ist nicht recht deutlich. Schwer zu glauben ist, daß das Gebälk des Helmes durch den Sturm beschädigt worden sei, und daß man solches in vier Wochen habe repariren können; vielmehr wird man annehmen müssen, daß der Schaden nur in einer Abdeckung des Daches bestand. Das von Schröder oft angeführte Anonymi chronicon Wismariense manuscriptum berichtet freilich unter 1504: „Die Spitze von der Wismarschen St. Nicolai-Kirche ist in diesem Jahre heruntergenommen und neu wieder aufgemauret (!) und gebauet und ist in zweyen Jahren (!) fertig geworden, darnach gedecket mit Wagenschott und mit Kupffer von oben an in eilff Vaden. Der Baumeister hat geheissen Hans Kruse.“ Diese Nachricht stammt aber erst aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts 41) und steht so sehr in Widerspruch mit unserer gleichzeitigen Aufzeichnung, daß dieser jedenfalls der Vorzug gegeben werden muß, welche vielleicht so zu verstehen ist, daß man sich mit föhrenen Schindeln geholfen hat. Im Jahre 1568 wurden nach der Rechnung 3685 Pfund Kupfer, welche 806 Mk. in Lübek kosteten, auf den Helm verdeckt.


Nicolaus Bade, § 45, wird feit 1505 St. Nicolai Pfarre innegehabt haben, da sein Vorgänger, M. Markwart Tanke, nach Schröder 42) am 28. September dieses Jahres verstorben ist.

Daß die nördliche Abseite des Thurmes (durch Sinken desselben) einmal erheblichen Schaden gelitten hat, § 46, wie eine zweite unbekannte Hand überlieferte, ist an dem Halbgiebel derselben noch deutlich genug wahrzunehmen. Ob dabei die Gewölbe auch wirklich eingestürzt sind, erhellt nicht. Wahrscheinlich kam es nicht so weit, und hat man solche vielmehr nur wegen bedrohlicher Erscheinungen an denselben ebenso wie auf der Südseite, wo der Giebel intakt geblieben ist, herausgenommen.

Ueber den Brand des Thurmes und der Kirche zu U. L. Frauen, welchen Nicolaus Sehasen berichtet, § 47, und wie Latomus 43) auf den 22./23. Juli setzt, giebt es noch eine zweite Ueberlieferung in einem Register des Hauses zum Heil. Geiste, welche denselben von der Nacht des Mittwochs auf den Donnerstag vor St. Jacobi datirt, also vom 23./24. Juli 44). Da die größere Ausführlichkeit und die ganze Fassung der letzteren Nachricht dafür spricht, daß dieselbe unter dem frischen Eindrucke des bedeutenden Ereignisses niedergeschrieben ist, so wird dem Datum dieser der Vorzug zu geben sein.

Die erneuerte Einwölbung der Abseiten des Thurmes, § 48, bestätigt eine Inschrift am Gewölbe auf der Südseite 45).

Daß übrigens hier wie im folgenden § 49 Nicolaus Sehasen mit genannt wird, erklärt sich daraus, daß er selbst diese Nachrichten niedergeschrieben hat; anderenfalls würde von ihm keine Rede gewesen sein.

Der Todestag Herzog Albrechts, § 50, ist, übereinstimmend mit Kock und Samuel Fabricius, auf den 8. Januar gesetzt; doch wird der 7. Januar das richtige Datum sein 46).

Die Chorglocke, welche 1555 aufgehängt wurde, § 51 wurde bereits 1564 wieder fortgenommen 47). Uebrigens befanden sich vordem, gemäß der Abbildung bei Zeiller-Merian 48), zwei Dachreiter auf St. Nicolai, einer für die Chorglocke, der andere für den Seier oder die Zeitglocke.

Aus dem Vorstehenden ging hervor, daß Latomus Kopmanns Nachrichten von St. Nicolai gekannt hat, und nicht minder Schröder, welcher dieselben größtentheils in seinem Papistischen Mecklenburg hat abdrucken lassen, so jedoch, daß wir zu dem Schlusse kamen, daß letzterer und vermuthlich beide eine Abschrift, nicht aber unsern Copiarius, das Original, kannten. Aus diesem Grunde und da gerade jetzt aus äußerer Veranlassung St. Nicolai mit größerer Theilnahme in Wismar angesehen wird, auch eine Sammlung der Meklenburgischen Chroniken oder eine Fortsetzung von Dr. Wiggers Annalen so bald nicht in Aussicht steht, dürfte ein correcter Abdruck der Kopmannschen Aufzeichnungen wohl am Platze sein. Es wäre aber nicht wohlgethan gewesen, allein dasjenige, was sich auf die Kirche bezieht, zu reproduciren, da dies mit den übrigen, auf dem achtzehnten und neunzehnten Blatte befindlichen Nachrichten ein Ganzes bildet; und es wird bei der Armuth unseres Landes an Chroniken viel mehr angezeigt sein, nicht bloß das in dem Copiarius hie und da von Kopmann als denkwürdig Notirte hinzuzunehmen und einzufügen, sondern auch dasjenige, was seine Nachfolger überliefert haben, anzuschließen. Zwei anderweitige Nachrichten über den Sturz des Helms im Jahre 1703 sind aber mit den Inschriften und Urkunden zu den Anhängen gestellt. Jene, die Kopmannschen Aufzeichnungen und die seiner Continuatoren, sind der Zeitfolge nach geordnet und mit durchgehenden Paragraphenzahlen und dem aufgelösten Datum versehen, während die Folien des Copiarius, auf denen sie sich finden, am Schlusse in Klammern angegeben sind. Die Verbesserungen und Nachträge Kopmanns sind nicht, was immerhin besser aussehen mag, durch Noten unter dem Texte, sondern, weil es mir bequemer für den Gebrauch scheint, durch gesperrten Druck kenntlich gemacht, Verbesserungen offensichtlicher Schreibfehler aber unter dem Texte gerechtfertigt.




41) Jahrb. XLI, S. 134, Nr. 73.
42) A. a. O. S. 2761.
43) A. a. O. p. 469.
44) Diese lautet: Anno domini mvexxxix van deme midweken vp den donredach des nachtes vor sunte Jacob in der arne, den styckede dat wedder vnser leuen frowen torn an de spitze, vnde brende gans aff vp dat murewerck na (!), vnde alle klocken vorbrenden vnde breken twey. Dar tho brende dat ganze sperth van der kercken myt den beyden klenen torncken vnde myt dem seyger etc., vnde dyt brende an van xi des nachtes beth tho vi vp den morgen, vnde goth kere syn gnade to vns . Item . vnder desser . . . . . . . . . . warth de garuekamer vpgebroken van etliken luden, de golden redden helpen, wo woll dat it dar nicht van noden was . . . . . . . . . . . . . . . vnde nement vnde . . . . . (Proeuenbock d. h. gheystes, fol 5). Die Nachricht nimmt zunächst neun Zeilen ein, dann folgten aber mit Item noch zehn Zeilen, die jedoch mit Tinte absichtlich so zugedeckt sind, daß sich nicht mehr, als vorsteht, entziffern läßt.
45) S. Anh. F.
46) Jahrb. XXII, S. 190.
47) xxxj s. Peter Winckelman mit sinen mascoppen vnde Jochim Holsten mit sinem mascoppe de Chorklocken uth tho nhemende vnde de kleine vom groten thorne dar wedder henin tho hengende. S. Nic. Geb. R. fol. 29.
48) Topogr. Sax. inf. ad p. 237. Ebenso auf der ältesten Abbildung der Stadt aus der Zeit 1539-1550 im Germanischen Museum und der von 1595 bei Braun-Hogenberg, Civ. orb. terrar., Tom V.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Michael Kopmann's Chronik St. Nicolai zu Wismar