Abschnitt 4

Michael Kopmann’s
Chronik St. Nicolai zu Wismar.


Den folgenden Paragraphen, § 10, anlangend, so könnte man die Form des Einganges zum Beweise für Kopmanns richtige Datirung der Consecration heranziehen, insofern man, falls diese 1460 und nicht 1459 stattgefunden hätte, erwarten sollte, daß er gesagt haben würde „In demselben Herbste“ oder „In dem Herbste desselben Jahres“, doch wird man bei der Ungewandtheit seiner Feder Abstand davon nehmen müssen. Die genannten beiden Glockengießer sind anderweitig nicht bekannt.


Auch von den beiden Orgelbauern, § 11, wissen wir nicht Weiteres. Die durch sie hergestellten Orgeln existiren natürlich längst nicht mehr 26).

Das große, aber doch kaum ganz vergoldete Kreuz, welches nach § 14 im Jahre 1470 angebracht worden ist, ging sammt dem darunter befindlichen kleinen Altare und selbstverständlich dem Lettner 1703 gleichfalls zu Grunde 27). Letzterer scheint in allen drei Pfarrkirchen gleichmäßig gewesen zu sein und nur aus einem Rahmenwerke, dessen seitliche Abtheilungen in der oberen Hälfte mit einem Gitterwerke, unten mit Täfelung geschlossen waren, wie die Chorschranken, bestanden zu haben, während die mittlere Abtheilung durch den vor dem Lettner außerhalb des Chores stehenden Frühmessen- oder kleinen Altar mit seiner Tafel, zu dessen beiden Seiten je eine oberwärts gleichfalls vergitterte Thür in den Chor führte, verdeckt war. Die Altartafeln sind 1567 weggenommen und durch bewegliche eiserne Gitter ersetzt worden, die man in der Woche schloß, beim Gottesdienste aber öffnete; über dem Lettner war das Triumphkreuz angebracht. In St. Marien beseitigte man diese Einrichtung im Jahre 1756 vermuthlich dem neuen Altaraufbau zu Liebe und ordnete statt derselben eine niedrige hölzerne Brustwehr wie in St. Nicolai an, während man das Kreuz in das Seitenschiff verbannte; in St. Georg aber bestand dieselbe - der kleine Altar freilich auch nicht mehr - bis 1830, in welchem Jahre sie der Aufklärung zum Opfer fiel; die Reste sind aber noch sichtbar. Die Worte mit den apostelen vnde loueren sind dunkel. Standen etwa die Apostel unter dem Kreuze? Das ist nicht wahrscheinlich. Und was bedeutet louere? Vermuthlich wird louere, Laubwerk, Blattwerk zu verstehen sein 28).

Die kleine Orgel, § 15, war also in der nördlichen Halle angebracht, gerade wie in St. Marien, während dieselbe in St. Jürgen im südliches Transsepte sich befand.

Da der Bürgermeister Olrik Malchow am 29. Juni 1480 starb, so ist die folgende Aufzeichnung, § 16, nicht etwa 1479, sondern nach jenem Tage gemacht worden.

Betreffend Heinrich Busacker, § 17, so läßt sich nicht sagen, wer er war und wann er starb. Vermuthlich wird sein Tod in die Mitte des 15. Jahrhunderts fallen, da nach seinem Grabsteine, auf dem sein Todestag nicht nachgetragen ist, seine Frau 1441 ihm voranging 29). Der ebendort genannte Herr Wilken ist der Vikar Wilken Wilkens, der nach seiner Grabschrift am 8. Februar 1480 verstorben ist 30).

Bezüglich der Consecration des Alt-Wismarschen Kirchhofes, § 18, sind in einem früheren Bande der Jahrbücher 31) bereits ausführliche Mittheilungen gemacht.

Die Hebung aus Niendorf auf Pöl, § 19, legirte Hinrik Körneke dem St. Nicolai-Gebäude 32).

Der als Geber des vergoldeten (!) Taufkessels, § 20, genannte Brand Hogevelt saß im Rathe zu Lübek von 1479 bis 1496 33); eine Familie dieses Namens in Wismar ist jedoch nicht bekannt. Auch dieser Taufkessel ist 1703 untergegangen.

Die freilich besonders ausführlichen Mittheilungen Kopmanns über den Thurmbau, § 21, ermangeln bedauerlich genügender Deutlichkeit. Man hat nach denselben im Frühlinge 1485 den alten Thurm, Dach und Mauerwerk, abgebrochen und im Sommer angefangen ihn wiederum aufzuführen; bis wie weit und von wo ab, erhellt nicht, anscheinend aber begriff der Neubau nur den eigentlichen Thurmkörper. Man hat 1485 „7 stellinge“ und 1487 „8 stellinge“ hoch gemauert; von 1486 sagt Kopmann nichts. Das Wort stellinge bedeutet steieringe oder Stellage, wie es heute heißt, und würden Kopmanns Worte also besagen, daß man dieselbe 1485 sechs Mal und 1487 sieben Mal höher gebracht habe. Das geschah nach Maßgabe der Rüstlöcher im unteren Theile des Gebäudes bei jeder zwölften Schicht, so daß jede stelling eine Höhe von 16 Zoll Hamb. gehabt hätte, und 7 und 8 stellinge gleich 58 Fuß sein würden. Da nun aber der Thurmkörper oberhalb seiner Abseiten bei weitem höher ist, und beide Stockwerke sich völlig gleichen, also so gut wie zweifellos derselben Bauzeit angehören und von demselben Meister herrühren, so sind Kopmanns Angaben offenbar unvollständig 34).

Das im folgenden Paragraphen, § 22, beregte Haus in der Kröpelinen- oder Bademömen-, jetzt Bademutter-Straße ist das unter der Polizeinummer 16 an der Nordseite belegene, welches Jürgen Köppe 1496 zugeschrieben ist. Da dieser 1496 zu Rathe gewählt wurde, datirt also der Zusatz jedenfalls nach diesem Jahre.




26) Henning Kröger erbaute an Stelle der großen Orgel 1617?9 eine neue, von welcher der oberste Theil des Prospectes bis heute erhalten ist. Dann hat Hans Hantelmann von Lübek das durch das Einstürzen der Gewölbe beschädigte Werk erneuert, und dazu wird die Orgelempore gehören, während der Bau der unteren Empore mit einer Erweiterung und Reparatur des Werkes durch C. E. Engel im Jahre 1737 zusammenhängen dürfte. Die letzte Erneuerung des Werkes fand 1862 statt.
27) Siehe Anhang G.
28) Nemant - außer den Tischlern - schall - maken - gelymeth werck, altaretafelen, hanghende kronen, stoelte vnde wes dar to behoret, louer, blomen, pannelinghe, snyddewerk vnde masselrigen. Rolle der Tischler (sniddeker) zu Wismar von 1500. Ebenso heißt es in einem Danziger Kontrakte über eine große astronomische Uhr in St. Marien von 1464: „Des hat ein Rath auf sich genommen Molen, Schreiben, Blumen und Löfern machen zu laßen“. Hirsch, St. Maria in Danzig I, S. 363.
29) Anno domini mcccc ? - obiit helmych busacker . orate . ? Anno domini mcccc ? xliiij in die ascencionis domini obiit gheze vxor eius . orate.
30) Anno domini mccc clxxx iij feria ante diem valentini obiit wilken wilkini presbiter . orate pro eo . ? D ? E ? U ? S mise roatur nostri et benedicat nobis et illuminet vultum suum ? super nos et misereatur nostre anime. Die 4 Buchstaben des Wortes DEUS sind auf den 4 Ecken angebracht.
31) Jahrb. XLI, S. 119.
32) Mekl. Urk.-Buch 5714.
33) J. v. Melle, gr. Nachr. v. Lüb., 1787, S. 63.
34) Vergl. Anh. E.

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