Die Art zu reisen, welche ich diesmal wählte, nämlich mit einem sogenannten Lohnkutscher,

Die Art zu reisen, welche ich diesmal wählte, nämlich mit einem sogenannten Lohnkutscher, ist zweifelsohne die geratenste, die man wählen kann, wenn man nicht reich genug ist, um für alleinige Rechnung mit Extrapost fahren zu können, und nicht arm genug, um sich mit der unleidlichen ordinären Post quälen zu brauchen. Solch ein deutscher Vetturin ist ein Mann, der es mit eigenem Wagen und eigenen Pferden übernimmt, den Reisenden von einem gewissen Hauptorte zu einem anderen zu schaffen für eine angemessene, im voraus bedungene Summe, in welche aber nicht, wie in Italien, das mitbegriffen ist, was man unterwegs für Speisung und Nachtquartier der eigenen Person zu verbrauchen hat. Natürlicherweise soll der Preis in den westlichen und südlichen Teilen Deutschlands geringer sein, weil dort die Kommunikation weit lebhafter ist und die großen Städte näher beieinander liegen; dennoch fand ich mein erstes Lehrgeld billig genug. Der viersitzige Wagen war nett und geräumig, wozu sich der Vorzug gesellte, daß sich nur ein einziger Reisekamerad angemeldet hatte, nämlich ein munterer und gesprächiger Graveur namens Jachtmann, dessen Freundlichkeit und Gefälligkeit mir mehrfach nützlich ward. Auch der junge Kutscher war lustig und artig, kräftig und sonnenverbrannt, trug eine hellgrüne Manchesterjacke und einen schwarzen Wachstuchhut, erzählte Geschichten, fuhr in der Sonnenhitze und im Sande schärfer, als wir billigerweise verlangen konnten, und benutzte trotz aller Warnungstafeln der Obrigkeiten und Gutsherren frischweg jeden Richtweg über Aecker, Parks und Wiesen, wobei er nur ein einziges Mal in Gefahr geriet, abgeschnitten und gepfändet zu werden, aber mit seinem Fuhrwerk glücklich durchschlüpfte.

Das schöne Sachsen, von dem sich die Preußen die Hälfte erobert haben und dafür sowohl in dem unterworfenen wie in dem noch freien Teile mit Raserei gehaßt werden, ist eins der herrlichsten Länder Deutschlands.


Es nützt zu nichts, Dir geschriebene Landschaftsbilder von Dresden und dessen Umgebung, von der Elbe, der Brücke, den Weinbergen und den freundlichen Dörfern, von der sogenannten Sächsischen Schweiz usw. zu schicken; denn wenn man nicht selbst zur Stelle war, weiß man doch nicht, wie es hier aussieht. Auch fehlt es mir an Zeit, um Dir die schöne Gemäldegalerie zu beschreiben, bei deren erstem Betreten einem fast schwindlig wird vor der gleich Meereswogen überwallenden Herrlichkeit.

Das Volk in Dresden ist recht liebenswürdig, obgleich ihm noch das galante Sachsen (von Augusts Zeit her) zu sehr in der Haut steckt. Im übrigen grassiert hier, ich weiß nicht weshalb, die Englische Krankheit gräßlich, so daß man eine unglaubliche Menge von Krüppeln und Verwachsenen aller Art sieht, obwohl die Leute im allgemeinen ziemlich hübsch sind.

In der Person des jungen dänischen Literaten Hjort habe ich einen neuen Bundesgenossen und Freund gefunden. Er ist der Verfasser der vortrefflichen 12 Paragraphen (in Mollbechs Athene) über Jens Baggesen und ein Mann, in dessen Wesen sich die naivste, herzlichste Natur liebenswürdig mit einem ebenso festen Charakter wie ausgezeichneten Verstande und Geistesbildung vereinigt. Er kam vor ungefähr fünf Wochen von Berlin hierher mit einem jungen und reichen, aber kränklichen dänischen Baron, der wegen seiner Gesundheit kurz zuvor unter Oehlenschlägers leitender Fürsorge Deutschland und Frankreich durchzog und nun beschlossen hat, in Hjorts Gesellschaft seine Reise ins Ausland weiter auszudehnen. Bald nach seiner Ankunft suchte er mich auf, und unser erstes Zusammentreffen war hinreichend, ein Band für die Ewigkeit zu knüpfen, und meine Beschützerin (Frau v. Helvig) hatte bloß zehn Minuten mit ihm gesprochen, als sie mir mit der ganzen Heftigkeit, die ihr so wohl steht, erklärte: dieser Mensch reist nach Rom und Sie folgen ihm im Augenblick, denn kein Sterblicher eignet sich besser zu Ihrem Reisekameraden! – Und wahrhaftig, außer seinen übrigen vortrefflichen Eigenschaften ist er auch im Besitze der für mich durchaus unentbehrlichen, in allem, was das gewöhnliche praktische Leben und die mannigfaltigen Vorkehrungen zu einer langen Reise betrifft, bedeutend anstelliger und erfahrener zu sein als ich. –

Seit einiger Zeit habe ich angefangen, Sprachstunden zu nehmen nel dolce parlar Italiano, und rate nur bei wem? Bei einem jungen, liebenswürdigen Fräulein, Fanny von Unruh, die mit ihrer Mutter, der Generalin von Unruh, neun Jahre in Florenz und zwei in Rom gelebt hat.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menschen und Städte