Stoffe und Farben

Solange der große Reifrock getragen wurde, dessen Form und Umfang schöne Stoffe voll zur Geltung brachte, waren Seide, Damast, Brokat außerordentlich beliebt. Wir können die herrlichen Muster und Farben derselben noch auf den Bildern jener Zeit bewundern. In der Delikatesse seiner Farben ist das Rokoko ja heute noch nicht übertroffen.

Die matten Töne seines Blau, Rosa, Grün müssen in ihrer zarten Nuancierung, im Raffinement ihrer Zusammenstellung für das Auge von unbeschreiblichem Reiz gewesen sein. So besaß 1734 Frau von Bülow geb. von Arnim ein Schleppkleid aus Taffet mit eingewebten Jonquillen, für das sie 40 Reichstaler, nach heutigem Geldwert etwa 600 Mark, bezahlt hatte. In den späteren Jahren der Regierung Ludwigs XV. bewegten sich die bevorzugten Farben auf einer Skala zwischen tiefem sattem Rot und Lichtbraun, während die ersten Jahre Ludwig XVI. durch die Vorliebe für ein in das Violette spielendes Braun gekennzeichnet werden, das man fiohfarben nannte und in den verschiedensten Schattierungen besaß.


Da gab es die Farben: Junger und alter Floh, Flohkopf, Flohrücken, Flohbauch, Flohschenkel, Floh im Milchfieber usw. In Gelb war die beliebteste Nüance ein blasses Blond, das von der Farbe des Haares der Königin Marie Antoinette genommen war, später ersetzte es ein tiefer gefärbtes Chamois, das man geschmackvollerweise „caca Dauphin“ oder gar „merde d'oie“ nannte. Man schwelgte in Paris förmlich darin, den Modefarben die verdrehtesten Namen zu geben: Rinnstein, Straßenschmutz, Londoner Rauch, Nymphenschenkel, Nönnchenbauch, Karmeliterbauch, vergifteter Affe, sterbender Affe, lustige Witwe, traurige Freundin, der auferstandene Tote, Stutzers Eingeweide, kranker Spanier, Verstopftenfarbe, Pockenkrank usw. ist eine Blütenlese der törichten Namen, die man sich gefiel, den einzelnen Schattierungen von Gelb und Grün beizulegen.

Die Gold- und Silberbrokate des 18. Jahrhunderts sind in ihrer Qualität unübertroffen geblieben. Man fertigte goldstoffene Roben auch ganz ohne Naht, deren Preis aber so exorbitant war, dass ihn Marie Lesczynska unerschwinglich fand. Gräfin Stroganow wurde 1763 in Berlin der Königin vorgestellt in einem Kleide von Goldbrokat, besetzt mit Silberspitzen und garniert mit Juwelen für 20.000 Rubel „wie eine Sonnengöttin“, schreibt Graf Lehndorff. Für die Börsen Minderbemittelter gab es bedruckte Baumwollstoffe und Kattune, die sich aller obrigkeitlichen Verfolgung zum Trotz siegreich durchgesetzt haben. Friedrich Wilhelm I., der die Erzeugnisse seiner Tuchmanufakturen schützen wollte, bestrafte das Tragen englischer bedruckter Baumwollzeuge mit dem Halseisen.

In Leipzig wurde der Kattun noch 1750 ausdrücklich verboten. Am heftigsten aber wütete man in Frankreich gegen die „Indienne“. Diese billigen, leichten, mit schönen Mustern und in leuchtenden Farben bedruckten Stoffe wurden gegen Ende des 17. Jahrhunderts nicht so bald bekannt, als die Regierung ihre Konkurrenz für die kostbaren Gewebe der französischen Seidenindustrie fürchtete und ihren Gebrauch verbot. Daraus, dass sich von 1697— 1715 25 Verbote einander folgten, geht schon hervor, wie wenig sie nutzten, und in dieser Einsicht griff das Gouvernement zu wahrhaft drakonischen Maßregeln. Man bedrohte 1717 die Händler, die noch ferner diese verpönten Stoffe einführen oder verkaufen würden, mit der Galeerenstrafe, man ließ den Frauen und Mädchen des Bürgerstandes öffentlich solche Kleider vom Leibe reißen. Noch 1755 wurde, wie Grimm schreibt, die Verurteilung zu den Galeeren ausgeführt, es nutzte alles nichts.

Der Verbrauch bedruckter Kattune für Kleider, Möbel und Tapeten stieg mit jedem Jahre. Es wurde schließlich ein Sport, gerade diese Stoffe zu benutzen, die verboten waren und nur als Konterbande ins Land kommen konnten. Die Pompadour war 1755 stolz darauf, dass in ihrem Schlösschen Bellevue alle Möbel mit geschmuggeltem Kattun bezogen waren. Endlich gab die Regierung nach. 1760 wurden die Verbote aufgehoben und zu den ersten, die sich auf die Herstellung von Indienne warfen, gehörte der bekannte Glücksritter Casanova. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verdrängten dann die leichten englischen Gewebe Musselin, Battist, Linon die Kattune. Die Eleganz beruht nicht mehr auf der Kostbarkeit der Stoffe, oder dem Geschmack ihrer Musterung, sondern auf der Feinheit des Fadens. Die Dubarry kaufte sich ein Stück indischen Musselin, ausreichend für vier ganze Kleider, das nur 15 Unzen wog. Man trug diese leichten Gewebe mit Vorliebe ganz weiß, aber es ist merkwürdig, dass das Brautkleid damals durchaus nicht immer weiß war.
163. St. Aubin, Au moins soyez discret

163. St. Aubin, Au moins soyez discret

164. St. Aubin, Coviptez sur mes serments

164. St. Aubin, Coviptez sur mes serments

165. Magasin des Modes 1785

165. Magasin des Modes 1785

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