Schminke

Das künstlich grau gemachte Haar schadete selbst dem jugendlichen Teint, wenn es ihn nicht ganz tötete. So zog das Pudern ganz von selbst das Schminken nach sich.

Alfred Franklin, dessen Studien wir so schätzbares Material zur Kulturgeschichte der Moden, Trachten, Sitten und Gewohnheiten verdanken, sagt einmal sehr witzig: Die Dichter des 18. Jahrhunderts hätten ihre Heldinnen sich freigebig küssen und noch verschwenderischer Tränenströme vergießen lassen, während sie sich vor gar nichs so sehr hätten hüten müssen, wie gerade davor. Denn ihre Schminke gestattete ihnen derartig heftige Gefühle gar nicht. An das Waschen brauchte die Modedame von damals nicht zu denken, aber das Schminken durfte sie nicht vergessen.


Wenn sie das Gesicht weiß angelegt hatte, zog sie die Brauen mit Schwarz nach, malte die Adern schön blau und dann wurden die Lichter mit Rot aufgesetzt. Das Rot war die Hauptsache. Der gute Ton verbot den anständigen Frauen, sich das Rot natürlich aufzulegen, nur die Damen von einem gewissen Metier durften sich mittels Rot „schön“ machen, d. h. die Natur nachahmen, die anderen mußten es à tranchant auflegen, d. h. so, dass man hundert Stund weit sah, dass dieses Rot Kunst sei. Man hatte das Rot nicht nur in den verschiedensten Nuancen und Zusammensetzungen trocken und flüssig, man suchte auch in der Art, wie man es auflegte, Gefühle und Stimmungen, sogar Standesunterschiede auszudrücken, wie sich denn die Damen des Versailler Hofes brandrote abgezirkelte Flecke dicht unter die Augen legten. „Ob die Frauen in Paris schön sind?“ schreibt Leopold Mozart 1763 an seine Frau, „das ist unmöglich zu sagen, denn sie sind gemalt wie die Nürnberger Puppen und durch diese widerwärtigen Kunstgriffe derartig entstellt, dass eine von Natur schöne Frau in den Augen eines ehrlichen Deutschen völlig unkenntlich wird.“

Man besaß an Rot allein zehn verschiedene Sorten und hat trotzdem in Paris versucht, an seiner Stelle Lila aufzulegen. Martin in Paris führte eins der gesuchtesten rouge, von dem der Topf zwischen 60 und 80 Louisdor kostete. Wie stark der Verbrauch war, kann man beurteilen, wenn man hört, dass z. B. Madame Dugazon im Jahre 1781 bei dem Parfümeur Montclar sechs Dutzend Töpfe Rot kaufte, den Topf zu sechs Francs. Der Chevalier d'Elbée schätzte zur gleichen Zeit den jährlichen Verbrauch in Frankreich allein auf zwei Millionen Töpfe. Die Damen hatten ihre Schminkdöschen stets bei sich und erneuerten sich ungeniert, wenn sie es nötig fanden. Der Gebrauch war so natürlich, dass man sogar die Leichen schminkte. Mrs. Oldfield, eine bekannte englische Schauspielerin, hatte in ihrem letzten Willen festgesetzt, wie sie zum Begräbnis geschminkt sein wollte. Keyßler sieht in Rom 1730 die Leiche des Kardinals Pamphili rot geschminkt aufgebahrt.

In Frankreich war die Gewohnheit am tiefsten eingewurzelt, Madame de Monaco schminkte sich auch noch, als sie zur Guillotine gefahren wurde. In anderen Ländern schminkte man sich wohl auch, aber man trug das Rot doch nicht so fingerdick auf. Nicolai fällt es z. B. 1781 in Stuttgart angenehm auf, dass das Frauenzimmer von Stand sich das Rot zart und natürlich auflegt. Maria Lesczynska konnte ihren Widerwillen gegen die französische Art des Schminkens nie verbergen und erschien zu Casanovas Erstaunen sogar ungeschminkt bei ihrem Diner.

Die Infantin Marie Therese von Spanien, welche 1745 den Dauphin heiraten sollte, war nur durch einen Befehl des Königs zu bewegen, sich Rot aufzulegen. Man fürchtete, ihr Bräutigam würde sich vor einer Ungeschminkten grausen. Am Wiener Hofe durften sich die Damen nicht schminken, wenn Hoftrauer war. So wurde es ihnen z. B. beim Tode des Kaisers Franz ausdrücklich verboten. Joseph II. verbot 1787 die weiße Schminke gänzlich als der Gesundheit schädlich und legte auf die rote eine hohe Steuer. Wie der Haarpuder die Unsauberkeit des Kopfes beförderte, so verursachten die Schminken, vielfach mit giftigen Substanzen versetzt, Hautausschläge, Augenkrankheiten und dauernde Kopfschmerzen. Aus diesem allgemeinen Gebrauch des Schminkens erklärt sich das krasse Rot vieler Damenbildnisse der Zeit. Die Maler mussten ihre Modelle eben geschminkt malen, weil es für schön galt. Die meisten haben sich damit abgefunden, der berühmte Grenze allerdings weigerte sich, die Dauphine zu porträtieren, weil sie sich so rot angestrichen habe.
187. Chodowiecki, 1780

187. Chodowiecki, 1780

173. Ward, Louisa, 1786

173. Ward, Louisa, 1786

188. Chodowiecki, 1780

188. Chodowiecki, 1780

189. Chodowiecki, 1780

189. Chodowiecki, 1780

190. Chodowiecki, 1780

190. Chodowiecki, 1780

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