Die Fontange

Bussy-Rabutin, das bekannte Klatschmaul, erzählt die Geschichte ihrer Entstehung folgendermaßen. Auf einer Hofjagd in Fontainebleau war der Geliebten des Königs, der Herzogin von Fontanges, die Frisur aufgegangen und da sie nicht daran denken konnte, sie gleich wieder richten zu lassen, band sie ihr Haar geschwind über der Stirn mit einer Schleife zusammen. Der verliebte König fand, dass ihr dieses Arrangement vorzüglich zu Gesicht stände und bat sie, sich nie mehr anders zu frisieren, Grund genug auch für alle übrigen Damen des Hofes, den königlichen Wunsch zu befolgen.

Aus dieser Frisur, welche die Haare über der Stirn aufbaute, entstand, als man dieses Auftürmen nicht hoch genug fortsetzen konnte, unter Zuhilfename einer Coiffüre endlich die berühmte Fontange, welche das kurze Glück ihrer Erfinderin um Jahrzehnte überlebte. Es war ein Kopfputz aus Leinwand, von etwa zwei Fuß Höhe, der sich in der Form von Orgelpfeifen auf einer Wulst aufbaute, die in das Haar hineingearbeitet wurde. Metallstäbe gaben diesem Gerüst Halt und Fagon, so dass der Abbé Vertot sagte, die Damen müssten sich eigentlich vom Schlosser frisieren lassen. Diese Coiffüre wurde durch Bänder, Locken und allerhand Zierat auf das mannigfaltigste ausgeputzt; man kannte schließlich 20 verschiedene Arten der Fontange, von denen Lady Montague besonders jene der Wiener Damen auffielen. Sie nennt sie eine Elle hoch aus unzähligen Ellen schweren Bandes in drei bis vier Stockwerken errichtet, mehrere Reihen dicker mit Diamanten und Perlen besetzter Nadeln standen etwa drei Zoll aus dem Kopf hervor und schienen dem Gebäude Halt zu geben.


Montesquieu schrieb 1721 in den persischen Briefen: es gab eine Zeit, wo man wegen der unermesslichen Höhe der Fontange das Gesicht eines Frauenzimmers in der Mitte ihrer Figur sah. Dass Edelsteine der beliebteste Schmuck der Fontange waren, nimmt nicht wunder. Mit Erstaunen erfährt man aber die Tatsache, welche Frau von Maintenon 1692 einer ihrer Freundinnen berichtet, dass nämlich die Coiffüre der Duchesse du Maine so viel Gold und Edelsteine enthielt, dass sie mehr gewogen habe, als der ganze Körper ihrer Trägerin. Der erste, welcher sich gegen diese Ausschreitungen der Mode wandte, war Ludwig XIV. selbst. Aber merkwürdig, der Wunsch eines verliebten Königs hatte zwar die Fontange in die Mode gebracht, aber der Befehl desselben Herrschers konnte sie nicht wieder abschaffen. Frau von Sévigné schreibt 1691 ihrer Tochter: ganz Versailles sei in Aufruhr, weil der König die Fontangen verboten habe.

Ein Sturm im Glase Wasser. Dangeau erzählt, dass nur die im Exil in St. Germain lebende Königin von England Maria von Modena dem Könige zu Gefallen ihre Coiffüre bedeutend niedriger gemacht habe, um den Damen ein gutes Beispiel zu geben. Die verbotene Fontange existierte noch länger als 20 Jahre und mehr als einmal, berichtet der Herzog von St. Simon, habe Ludwig XIV. sich darüber beklagt, dass seine Macht nicht so weit reiche, um den Damen eine Coiffüre zu verbieten, die ihm missfiele. Endlich schlug ihre Stunde. Im Jahre 1714 war eine englische vornehme Dame, die Herzogin von Shrewsbury beim Diner des Königs in Versailles Zuschauerin, und mit Bezug auf ihren niedrigen Kopfputz äußerte der König, die französischen Damen wüssten doch gar nicht, was ihnen stände, sonst würden sie sich ebenso frisieren. Dies war ein Wort zur rechten Zeit! Am anderen Morgen hatten die Damen des Hofes ihre Coiffüren um zwei Stockwerke niedriger gemacht und damit die neue Mode inauguriert. So hat der Sonnenkönig, ehe sein Gestirn erlosch, wenigstens noch den Beginn jenes großen Umschwungs mitangesehen, der unmittelbar nach seinem Tode einsetzt, um in der Gesellschaft, der Kunst, der Mode, der ganzen Kultur mit einem Wort, eine neue Ära heraufzuführen.

Wie immer in diesen Dingen schwankte die Mode von einem Extrem zum anderen. Hatte sie eben die Frisuren mittelst der Fontange nicht hoch genug aufbauen können, so verbot sie im nächsten Augenblick mit den Coiffüren auch die kunstreichen Frisuren. Die Damen sahen sich auf ihr eigenes Haar beschränkt, das sie nun auf einmal nicht glatt, nicht flach genug um den Kopf legen konnten. Einige Löckchen an den Schläfen war alles, was die Mode duldete. Die systematische Übertreibung, in der aber das Wesen der Frauenmode beschlossen ist, suchte sich einen anderen Tummelplatz und fand ihn im Rock. Die Fontange verschwindet, der Reifrock erscheint und gibt der Mode des Rokoko ihre eigentümliche Signatur.
Im Ankleidezimmer. 19tes Jahrhundert

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026. Amalia Maria Josepha, Kurfürstin von Bayern, im Jagdkostüm

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136. Bunbury, Tanzgruppe

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137. Nicolas Lavreince, Das Konzert

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138. Hubert Drouais, Ctesse du Barry

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