Das Schnürleib
Das weibliche Wesen war von seinem zartesten Alter an, die meisten Tag und Nacht, mit dem Schnürleib gepanzert, dessen Planchette aus einer Eisen-oder Stahlschiene bestand, die 3/4 Ellen lang, etwa 1 Finger breit und 1/4 Zoll stark war, ein Marterinstrument, gegen dessen gesundheitschädigende Wirkung sich ierzte, wie der Breslauer Gottlieb Oelsner, schon 1/54 vergebens wandten, an das Frau v. Genlis noch fünfzig Jahre später nur mit Entsetzen denken konnte.
Gräfin Elise von Bernsdorff erzählt, dass viele Damen, die Abends in Gesellschaft gingen, schon am frühen IMorgen mit dem Schnüren begannen und damit von Viertelstunde zu Viertelstunde fortfuhren. Gräfin Franziska Krasinska berichtet, dass ihre Taille den Umfang einer halben Elle (30cm?) nicht überschritt. Rousseau, Winslow, Buffon, Sömmering u. a. haben gegen das Schnürleib geeifert, mit dem gleichen Mangel an Erfolg; erst am Ende des Jahrhunderts hat es der Mode gefallen, dasselbe ganz vorübergehend zu beseitigen.
Anfänglich hatte man als Besatz der Taille nur vorn am Ausschnitt ein Schleifchen — „Masche“, wie man damals sagte — als Postillon d'amour gesteckt. Diese kleidsame Verzierung aber fand lebhaften Beifall und in der Mitte des Jahrhunderts war die ganze Korsage in Schleifen aufgelöst. Später trug man das Korsett aus schwarzem Taft oder gelbem Batist auch über dem Kleid.
Die Mode der doppelten Röcke behielt man auch im 18. Jahrhundert bei, wie früher der untere Rock, so wurde jetzt der Reifrock sichtbar getragen. Anfänglich hob man den oberen Rock nicht, sondern öffnete ihn nur vorn in Dreieckform, als dann in den fünfziger Jahren der Reifrock an Umfang verlor, und das Kleid kürzer, schließlich völlig fußfrei wurde, raffte man den oberen Rock in drei großen Bäuschen rückwärts und an den Seiten. Da der Reifrock zu sehen war, so wurde er aus den gleichen Stoffen, wenn auch in anderen Farben verfertigt, wie das Überkleid und meist reich garniert, wozu seine Form ja auch geradezu herausforderte. In mehreren Etagen umzogen ihn Volants, Rüschen, Bänder, Blumen, Festons, Tressen, Spitzen, Passementerien, Borten, Pompons, Stickereien, alles auf das kunstreichste gearbeitet und arrangiert. Sehr beliebt waren die italienischen Blumen, die in italienischen Nonnenklöstern gemacht wurden, und vo n den Damen sehr geschätzt wurden. Goethe erzählt, wie er als halbwüchsiger Jüngling Myrten und Zwergröslein für seine Schwester besorgte — weniger aus brüderlicher Liebe, als um bei der Gelegenheit — „Sie“ sehen zu können. Der Marquis de Bombelles beschrieb dem Baron von Gleichen zwei Hofroben der Königin von Portugal.
Auf der einen sah man in Stickerei ein Portal, dessen Säulen der Richtung der Beine folgten. Sie trugen ein Fronton aus dem ein Wasserfall von — Gaze hervorbrach. Auf der anderen waren Adam und Eva dargestellt, in ihrer Mitte der verhängnisvolle Apfelbaum, aus dessen Höhe die Schlange herabkam. Zur Herstellung einer großen Robe waren drei Leute nötig. Die Taille fertigte der Schneider, den Rock die Schneiderin, den Besatz aber lieferte die Marchande de mode, deren Garnituren fast die Hauptsache waren. Man hatte 1779 150 verschiedene Arten derselben, die in Paris alle ihre bezeichnenden, zum Teil sehr drolligen Namen trugen, „soupirs étouffés“, „regrets superflus“, „oeil abattu“, „plaintes indiscrètes“, „composition honnête“, „désirs marqués“, „doux sourire „ etc. etc. Eine solche Toilette kostete 10.500 Livres, für die bloße Garnierung eines großen Hofkleides berechnete der Schneider Lacoste einmal 3.500 Franken. Die Prinzessin de Solre zahlte 1789 an Mademoiselle Eloffe nur für ihren Reifrock 1382 Livres, ja Frau von Matignon wies ihrer Schneiderin für eine besonders gelungene Robe eine Leibrente von 600 Livres jährlich an.
Als Frau von Genlis in ihren Denkwürdigkeiten auf diese Mode ihrer Jugend zu sprechen kommt, sagt sie, dass nichts der Pracht gleichkam, den der Anblick einer Gesellschaft reich gekleideter Hofdamen jener Zeit bot. Sie hätten einem kostbaren Spalier von Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen geglichen.
Das Kleid, in dem Katharina II. 1775 den türkischen Gesandten empfing, war außer mit Diamanten mit 4.200 großen und schönen Perlen bestickt.
Und nun stelle man sich vor, dass die Kaiserin Elisabeth von Russland, welche 1761 starb, eine Garderobe hinterließ, welche 15.000 derartig kostbare Kleider enthielt! Sie hatte sie teils nur einmal, teils nie angehabt.
Welch ein Fortschritt gegen die Zeit, als Peter der Erste die Kleider seiner Zarina auf dem Trödel kaufte!
Gräfin Czernicheff büßte 1770 auf einer Reise durch Schiffbruch 158 Kleider ein. Die Garderobe der Frau von Bühren, der Gattin des Günstlings der Kaiserin Anna, wurde auf 500.000 Rubel geschätzt. Dagegen erscheint der Aufwand Marie Antoinettes geradezu bescheiden. Wir erfahren von Madame Campan, dass die Königin im Sommer und im Winter nie mehr als 36 Roben im Gang hatte, 12 Staatskleider, 12 große Reifröcke und ebenso viele Hauskleider von Phantasiestoffen. Eine rechte Kleidernärrin, wenn auch in bescheideneren Grenzen als die russische Kaiserin, muss die Markgräfin Sybille Auguste von Baden gewesen sein, die sich für ihr Lustschloss Favorite vierzigmal porträtieren ließ, jedesmal in einer anderen Toilette. Neben dieser Zeremonien- und Staatsrobe setzt sich im Laufe des Jahrhunderts noch ein anderer Schnitt durch, der für Négligé galt und seinen Namen häufiger wechselte als seine Form. Unter Négligé verstand man damals jedes Kleid, das nicht für große Gala bestimmt war, also auch jedes Haus-, Straßen-, und Reisekleid.
Gräfin Elise von Bernsdorff erzählt, dass viele Damen, die Abends in Gesellschaft gingen, schon am frühen IMorgen mit dem Schnüren begannen und damit von Viertelstunde zu Viertelstunde fortfuhren. Gräfin Franziska Krasinska berichtet, dass ihre Taille den Umfang einer halben Elle (30cm?) nicht überschritt. Rousseau, Winslow, Buffon, Sömmering u. a. haben gegen das Schnürleib geeifert, mit dem gleichen Mangel an Erfolg; erst am Ende des Jahrhunderts hat es der Mode gefallen, dasselbe ganz vorübergehend zu beseitigen.
Anfänglich hatte man als Besatz der Taille nur vorn am Ausschnitt ein Schleifchen — „Masche“, wie man damals sagte — als Postillon d'amour gesteckt. Diese kleidsame Verzierung aber fand lebhaften Beifall und in der Mitte des Jahrhunderts war die ganze Korsage in Schleifen aufgelöst. Später trug man das Korsett aus schwarzem Taft oder gelbem Batist auch über dem Kleid.
Die Mode der doppelten Röcke behielt man auch im 18. Jahrhundert bei, wie früher der untere Rock, so wurde jetzt der Reifrock sichtbar getragen. Anfänglich hob man den oberen Rock nicht, sondern öffnete ihn nur vorn in Dreieckform, als dann in den fünfziger Jahren der Reifrock an Umfang verlor, und das Kleid kürzer, schließlich völlig fußfrei wurde, raffte man den oberen Rock in drei großen Bäuschen rückwärts und an den Seiten. Da der Reifrock zu sehen war, so wurde er aus den gleichen Stoffen, wenn auch in anderen Farben verfertigt, wie das Überkleid und meist reich garniert, wozu seine Form ja auch geradezu herausforderte. In mehreren Etagen umzogen ihn Volants, Rüschen, Bänder, Blumen, Festons, Tressen, Spitzen, Passementerien, Borten, Pompons, Stickereien, alles auf das kunstreichste gearbeitet und arrangiert. Sehr beliebt waren die italienischen Blumen, die in italienischen Nonnenklöstern gemacht wurden, und vo n den Damen sehr geschätzt wurden. Goethe erzählt, wie er als halbwüchsiger Jüngling Myrten und Zwergröslein für seine Schwester besorgte — weniger aus brüderlicher Liebe, als um bei der Gelegenheit — „Sie“ sehen zu können. Der Marquis de Bombelles beschrieb dem Baron von Gleichen zwei Hofroben der Königin von Portugal.
Auf der einen sah man in Stickerei ein Portal, dessen Säulen der Richtung der Beine folgten. Sie trugen ein Fronton aus dem ein Wasserfall von — Gaze hervorbrach. Auf der anderen waren Adam und Eva dargestellt, in ihrer Mitte der verhängnisvolle Apfelbaum, aus dessen Höhe die Schlange herabkam. Zur Herstellung einer großen Robe waren drei Leute nötig. Die Taille fertigte der Schneider, den Rock die Schneiderin, den Besatz aber lieferte die Marchande de mode, deren Garnituren fast die Hauptsache waren. Man hatte 1779 150 verschiedene Arten derselben, die in Paris alle ihre bezeichnenden, zum Teil sehr drolligen Namen trugen, „soupirs étouffés“, „regrets superflus“, „oeil abattu“, „plaintes indiscrètes“, „composition honnête“, „désirs marqués“, „doux sourire „ etc. etc. Eine solche Toilette kostete 10.500 Livres, für die bloße Garnierung eines großen Hofkleides berechnete der Schneider Lacoste einmal 3.500 Franken. Die Prinzessin de Solre zahlte 1789 an Mademoiselle Eloffe nur für ihren Reifrock 1382 Livres, ja Frau von Matignon wies ihrer Schneiderin für eine besonders gelungene Robe eine Leibrente von 600 Livres jährlich an.
Als Frau von Genlis in ihren Denkwürdigkeiten auf diese Mode ihrer Jugend zu sprechen kommt, sagt sie, dass nichts der Pracht gleichkam, den der Anblick einer Gesellschaft reich gekleideter Hofdamen jener Zeit bot. Sie hätten einem kostbaren Spalier von Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen geglichen.
Das Kleid, in dem Katharina II. 1775 den türkischen Gesandten empfing, war außer mit Diamanten mit 4.200 großen und schönen Perlen bestickt.
Und nun stelle man sich vor, dass die Kaiserin Elisabeth von Russland, welche 1761 starb, eine Garderobe hinterließ, welche 15.000 derartig kostbare Kleider enthielt! Sie hatte sie teils nur einmal, teils nie angehabt.
Welch ein Fortschritt gegen die Zeit, als Peter der Erste die Kleider seiner Zarina auf dem Trödel kaufte!
Gräfin Czernicheff büßte 1770 auf einer Reise durch Schiffbruch 158 Kleider ein. Die Garderobe der Frau von Bühren, der Gattin des Günstlings der Kaiserin Anna, wurde auf 500.000 Rubel geschätzt. Dagegen erscheint der Aufwand Marie Antoinettes geradezu bescheiden. Wir erfahren von Madame Campan, dass die Königin im Sommer und im Winter nie mehr als 36 Roben im Gang hatte, 12 Staatskleider, 12 große Reifröcke und ebenso viele Hauskleider von Phantasiestoffen. Eine rechte Kleidernärrin, wenn auch in bescheideneren Grenzen als die russische Kaiserin, muss die Markgräfin Sybille Auguste von Baden gewesen sein, die sich für ihr Lustschloss Favorite vierzigmal porträtieren ließ, jedesmal in einer anderen Toilette. Neben dieser Zeremonien- und Staatsrobe setzt sich im Laufe des Jahrhunderts noch ein anderer Schnitt durch, der für Négligé galt und seinen Namen häufiger wechselte als seine Form. Unter Négligé verstand man damals jedes Kleid, das nicht für große Gala bestimmt war, also auch jedes Haus-, Straßen-, und Reisekleid.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Mode - Menschen und Moden im achtzehnten Jahrhundert
146. Ouvrier, Nach Schenau, Die Entstehung der Malerei
147. Goethe, Schattenriss
149. Daniel Chodowiecki, Lotte, 1775
150. Daniel Chodowiecki, Werther, 1775
151. Modekupfer, 1775
152. Angelica Kauffmann, Louisa Hammond
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