Gartenkunst

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts gehorchten Park und Garten dem architektonischen Gesetz, welches den Bau diktiert hatte, den sie umgaben. Ihre Wege und Alleen setzten die Perspektiven der Säle und Galerien fort, ihre Anlage samt Wasserkünsten und Boskettswar geometrisch, Bäume und Büsche standen unter der Schere, es war eine künstlerisch geordnete und eingerichtete Natur zum Gebrauch für vornehme Leute.

Als nun die Rückkehr zur Natur das Schlagwort der Gesellschaft wurde, als es Mode wurde, Empfindungen zu haben und zu zeigen, da sah man sich voller Enttäuschung in Gärten, deren regelmäßige Anlage so gar nicht zu den neuen ungeregelten Gefühlen passte. Man verlangte nach einer natürlichen Natur im Gegensatz zu dieser künstlich hergerichteten, im Gegensatz auch zur wirklichen Natur, an der erst das nächste Geschlecht Genuss finden sollte. Dies Verständnis für landschaftliche Schönheit ist erst am Ende des Jahrhunderts zum Durchbruch gekommen.


Diesem Bedürfnis trug die Anlage der Parks Rechnung, wie es in England Mode geworden war, wo bereits im Anfang des Jahrhunderts Pope und Addison ihre Gärten einfach der Natur überlassen hatten. Die Freude an dem Zufälligen, Regellosen einer ungehindert schaltenden Natur führte dann dazu, diesen Zufälligkeiten bewusst nachzuhelfen, das Regellose künstlich herzustellen. Durch William Chambers wurde die Aufmerksamkeit auf die chinesischen Gärten gelenkt, deren geschickte Anlage auch auf dem kleinsten Raum das Bild einer ganzen Landschaft vorzutäuschen weiß.

Chambers schuf 1763 in Kew Garden bei Richmond die Anlage, welche ganz Europa als mustergültig ansah und sich beeiferte, überall nachzuahmen. Es wurden jene Parks angelegt, die darauf berechnet waren, Empfindungen zu erregen, Stimmungen auszulösen. Tempel, Altäre, künstliche Ruinen, Bauernhütten, Einsiedeleien, Kapellen, Pyramiden, Moscheen, Grotten, Gräber, Denkmäler — nichts wurde gespart, um der Seele des Wanderers Eindrücke zu vermitteln, welche Regungen sanfter Schwärmerei und stillen Nachsinnens, Schrecken oder Entzücken erzwingen sollten.

Auf Wilhelmshöhe täuschten in der Grotte des Pluto feuergelbe Glastüren einen schauerlichen Feuerpfuhl vor, in unterirdischen Gewölben saßen Wachsfiguren von Tempelrittern, Mönchen, Einsiedlern wie in Laxenburg oder Monrepos bei Ludwigsburg. Der Park sollte die bessere Welt darstellen, in die man so gerne geflüchtet wäre, darum führten seine Anregungen in zeitliche oder räumliche Fernen, in das Altertum zu den Gräbern Homers und Virgils, die besonders beliebt waren, oder nach China, das man sich gern als Heimat beschaulicher Glückseligkeit vorstellte, in chinesische Dörfchen, von denen eines die Kolonie Mulang bei Kassel zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit noch mit afrikanischen Mohren besiedelt wurde! Der verdrehte Graf Hoditz, der in seinem Leben fünf Millionen Taler verschwendete, glaubte sein Roßwalde in ein Arkadien umgeschaffen zu haben, als es ihm gelungen war, seinen Hörigen Schäferspiele einzudrillen, die sie gelegentlich im Park improvisieren mussten; liebten die Schäfer und Schäferinnen aber zu realistisch, so setzte es Prügel. Graf Moritz Brühl arbeitete das Röder Tal bei Seifersdorf in der Lausitz ästhetisch empfindsam um, Goethe spricht einmal in seinen Briefen an Carl August tadelnd von „Seifersdorfisiren“. Berühmt war der Park des Baron Peter Braun in Schönau bei Wien, für dessen Anlage sich der Besitzer ruinierte.

Fast alle kontinentalen Parks sind damals in englischem Sinne umgestaltet worden und ihren Anlagen nach bis heute auch geblieben, wenn die Mehrzahl der sentimentalen Baulichkeiten inzwischen natürlich auch verschwunden ist. Damit es dem Geschmack nicht an einem Leitfaden zur Sentimentalität fehle, gab ihm der Däne Hirschfeld in fünf Quartanten seine Theorie der Gartenkunst, die alle Rezepte zur Erregung sanfter Trauer und stillen Entzückens zum Schwärmen à la St. Preux und Heloise mitteilt.

Gelegentlich der Charakterisierung des Rokoko ist schon darauf hingewiesen worden, dass die reichsten Schöpfungen dieses Stils diejenigen, welche seine Gestaltungsmöglichkeiten am wildesten ausgebildet zeigen, auf deutschem Boden entstanden sind. Deutschland hat aber nicht nur in der Architektur und den dekorativen Künsten das in Phantasie und Laune überschäumende Rokoko gezeitigt, es hat mehr getan, indem es für diesen Stil gerade das Material erfand, das seiner kapriziösen Kunst zu vollem Ausleben verhalf: das Porzellan.
117. Panini, Gustav III. von Schweden beim Papst, 1770

117. Panini, Gustav III. von Schweden beim Papst, 1770

118. F. Cotes, Mary Lady Boynton, 1770

118. F. Cotes, Mary Lady Boynton, 1770

119. Galaanzug König Gustav III. von Schweden

119. Galaanzug König Gustav III. von Schweden

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