Das Mobiliar

Wie man sich in der Dekoration von der wuchtigen Pracht des Barock abwandte, so ersetzte man auch das schwerfällige Mobiliar dieser Zeit durch leichtere und bequemere Stücke. Zur Zeit Ludwigs XIV. hatte man den Pomp silberner Möbel geliebt, d. h. solcher, die über einem hölzernen Kern ganz mit getriebenen Silberplatten belegt waren, in Whitehall hatte Karl II. mehrere Zimmer in dieser Weise ausstatten lassen, Friedrich Wilhelm I. Millionen an sein silbernes Mobiliar im Berliner Schloss gewandt. Als Lady Montague Wien besuchte, war in den Häusern des hohen Adels silbernes Mobiliar etwas ganz Gewöhnliches.

Nur einzelne Stücke sind im Laufe der Zeiten dem Schmelztiegel entgangen, zahlreich finden sie sich heute noch im Schlosse Rosenborg in Kopenhagen. Der verfeinerte Geschmack fand an solchen Prunkstücken keine Freude mehr, nur für einige barbarische Höfe, wie die zu Petersburg, Madrid und Lissabon hat der Pariser Goldschmied Germain auch später noch silberne und vergoldete Toiletten geliefert. Man betrachtete Gerät und Geschirr aus edlem Metall als Kapitalsanlage, so investierte Friedrich Wilhelm I. in seinem Silbergeschirr 1 ½ Millionen Taler; Friedrich der Große 1743 ebensoviel in seinem goldenen Tafelservice; Maria Theresia in ihrem goldenen Service 1.300.000 Gulden, und das Tafelservice, das Max Emanuel von Bayern hatte aus Dukatengold anfertigen lassen, diente ihm in der zweiten Hälfte seiner Regierung in Augsburg als willkommenes Versatzstück. An Stelle der schweren Formen treten leichtere und zweckmäßigere. Der rohe Prunk des protzigen Materials verschwindet hinter dem Raffinement der künstlerisch vollendeten Ausführung. Was die Pariser Kunsttischlerei im Laufe des 18. Jahrhunderts in dieser Art geschaffen hat, lässt sich weder beschreiben noch durch Abbildung verdeutlichen.


Man muss die Sammlungen des Louvre-Museums, der Wallace Collection im Hertfordhouse, den Jones bequest im South Kensington Museum gesehen haben, um einen Begriff von der Vollendung dieser Möbel zu bekommen. Zu den kostbarsten Hölzern Indiens: Mahagoni-, Rosen-, Veilchen-, Tulpen-, Amaranthen-, Amboina-, Ebenholz fügte man Schildpatt und Perlmutter, Goldund Silberintarsien, Einlagen von Pietra dura, Inkrustationen von Sevresund Wedgwoodplatten, Mosaik aus glänzenden Vogelfedern, Eglomise-Malereien, alles das verbunden und zusammengestimmt durch Bronzen, deren köstliche Arbeit an Feinheit der Tönung und Präzision der Ausführung ihresgleichen heute nicht einmal mehr in Goldschmiedearbeiten findet. Die Reihe dieser Künstler beginnt die Familie Boulle, die der von ihr geübten Technik der Marketterie ja den Namen gegeben hat. Die Tüchtigkeit ihres Könnens hätte wohl den Wechsel des Stils überlebt, aber das Feuer, das am 30. August 1720 ihre Ateliers zerstörte, vernichtete ihren Wohlstand. Andre Charles Boulle war in seine Arbeiten so verliebt, dass er sich nicht entschließen konnte, sie abzuliefern und sie unter dem Vorwand, dass sie noch nicht fertig seien, im Hause behielt.

Diese Vorliebe wurde ihm zum Verhängnis, denn die erwähnte Katastrophe zerstörte die Früchte und den Wert jahrelanger Arbeit. Wie die Boulle deutschen Ursprungs, so waren auch ihre Nachfolger die Oeben, Riesener, Weißweiler, Benemann, Schwerdfeger u. a., die im 18. Jahrhundert den Ruhm des Pariser Kunsthandwerks bildeten, größtenteils Deutsche. Ihrer Kunst verdanken die berühmtesten Stücke jener Zeit ihre Entstehung. So das Rollbureau Ludwigs XV., an dem neun Jahre lang mit einem Kostenaufwand von 72.775 Livres (nach heutigem Geldwert, das Livre zu M. 2,40 gerechnet, M. 174.660) gearbeitet wurde, der monumentale Schmuckschrank Marie Antoinettes usw. Mit der Schönheit der Möbel harmoniert der kostbare Bezug aus gestickter, bemalter, gewirkter Seide, die Farbenpracht der Tapisserien, der Glanz der Lustres und Geräte. Im Hotel der Madame de la Verrue hatte der geringste Kronleuchter 10.000 Taler gekostet, Prinz Eugen bezahlte die seinen das Stück mit 20.000 Talern. Die Bronzen der Caffieri, Gouthière, Thomire, ihre Möbelbeschläge, Uhren, Leuchter, Feuerböcke wurden mit Gold aufgewogen. Dem unglücklichen Gouthiere blieb die Dubarry für einige Arbeiten, die er in ihrem Schlosse Luciennes ausgeführt hatte, 756.000 Livres schuldig und stürzte den Künstler dadurch ins Elend.

Wenn auch in der Reinheit des Entwurfs und der Vollendung der Technik den Pariser Arbeiten dieser Zeit der Vorrang gebührt, so beanspruchen doch auch die außerhalb Frankreichs Grenzen hergestellten Möbel einen hohen Rang. Die Mannigfaltigkeit der Formen, in der z. B. deutsche Schreiner das Thema Kommode abwandeln, ist unbeschreiblich. Man findet in Grundriss, Aufbau und Profilen immer Neues und Gefälliges. Die Hoppenhaupt, Nahl, Kambly, Hülsemann u. a. dürfen sich mit ihren Arbeiten wohl neben Pariser Stücken sehen lassen, zumal wenn sie im Auftrag fürstlicher Mäzene schufen. Die prächtigen Schränke aus Salzdahlum, heute in verschiedene Museen zerstreut, sind in Entwurf und Ausführung ebenso vollendet wie die Möbel, die Friedrich II. sich aus Zedernholz mit Beschlägen von Silber, aus Schildpatt mit Platten von Amethyst fertigen ließ. David Röntgen aus Neuwied genoss eine europäische Berühmtheit. Für einen seiner Sekretäre, die ihrer vielen geheimen Fächer und Schnurrpfeifereien wegen boites à surprises genannt wurden, zahlte Ludwig XVI. 80.000 Livres. Ein hervorragendes Stück aus seinen Ateliers ist heute noch im Schloss Monbijou.
098 Wille nach Tocqué, Marquis de Marigny, 1761

098 Wille nach Tocqué, Marquis de Marigny, 1761

099. Moreau, Les délices de la Maternité. 1776

099. Moreau, Les délices de la Maternité. 1776

100. Dame mit Fächer, Nymphenburger Porzellan

100. Dame mit Fächer, Nymphenburger Porzellan

101. Dame mit Fiaschetto, Nymphenburger Porzellan

101. Dame mit Fiaschetto, Nymphenburger Porzellan

102. Alexandre Roslin. Elisabeth Christine von Sachsen-Teschen. 1782

102. Alexandre Roslin. Elisabeth Christine von Sachsen-Teschen. 1782

103. J. K. Seekatz, Die Goethesche Familie im Schäferkostüm aus dem Besitz Bettinas v. Arnim, gemalt 1762

103. J. K. Seekatz, Die Goethesche Familie im Schäferkostüm aus dem Besitz Bettinas v. Arnim, gemalt 1762

104. De Carmontelle, Mme. Hérault und Mme. de Séchelle, 1763

104. De Carmontelle, Mme. Hérault und Mme. de Séchelle, 1763

105. Carmontelle, Der elfjährige Mozart, 1763

105. Carmontelle, Der elfjährige Mozart, 1763

106. Raffael Mengs, Marie Louise von Parma, Gattin König Karls IV. von Spanien

106. Raffael Mengs, Marie Louise von Parma, Gattin König Karls IV. von Spanien

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