Abenteurer

Kein Zeitalter ist überhaupt Abenteurern aller Art so günstig gewesen, wie das 18. Jahrhundert, kaum eines hat ihnen so seltsame und so romantische Schicksale bereitet.

Ein kleiner westfälischer Adliger, Theodor von Neuhof, wird König von Corsica und stirbt im Schuldturm zu London; ein Pastorssohn aus Halle, Struensee, wird Premier-Minister in Dänemark und endet auf dem Schafott; ein kurländischer Gutsbesitzerssohn, Bühren, wird Regent von Russland und besteigt auf dem Umweg über Sibirien schließlich den Thron seines Heimatlandes; der Holländer Ripperda wird spanischer Minister, der Franzose Bonneval türkischer Pascha. Lord Baltimore, der £ 30.000 im Jahre zu verzehren hat, lebt mit seinem Harem von acht Frauen immer auf Reisen, um den Ort nicht zu kennen, an dem man ihn begraben wird. Charles Wortley Montague, der erste Europäer, der als Kind geimpft wurde, war Straßenkehrer, Fischer, Maultiertreiber in Portugal, Lakei, Student in Göttingen, Postillon, Kutscher und Gott weiß was noch alles. Wenn im Anfang des Jahrhunderts krippenreitende Kavaliere von Hof zu Hof ziehen, um für ihre Späße Unterkunft und Kost zu finden, wie Pöllnitz, Bielefeld u. a., so werden gegen das Ende dieses Zeitraumes aus den Spaßmachern Magier und Adepten, welche den Aberglauben ihrer Zeitgenossen für ihre Bedürfnisse in klingende Münze umzusetzen verstehen.


Dazu gehören vor allem Cagliostro, dem kein Betrug fremd blieb, der Wundertäter Gaßner, welcher Teufel austrieb, der Goldmacher Sehfeld, der Leipziger Gastwirt Schrepfer, dessen Person ihren geheimnisvollen Schatten noch in Wilhelm v. Kügelgens Jugend warf. Und diese Abenteurer begleitet eine Schar von Sonderlingen und Originalen aller Art, Menschen, deren verschrobene Eigenart nie besser gedieh, als in einem Zeitalter, in dem Glaube, Aberglaube und Unglaube sich ebenso unklar durcheinander wirrten wie politische und soziale Rechte und Pflichten.

Edward Wortley Montague, der in der höchsten Sphäre geboren, nur in der niedrigsten leben konnte; der Ritter d'Eon, der sein Geschlecht wechselte, wie andere das Hemd; der Maronit Baron Antonio de Burkana, der nur seinem Stammbuch zu Liebe reiste; der geheimnisvolle Baron Franck in Offenbach; der Schwindler Orffyraeus, der das Perpetuum mobile erfunden haben wollte und beabsichtigte, von dem ergaunerten Geld in Karlshafen ein Tugendhaus mit einer Weisheitsschule zu errichten; Mesmer, der bei der Ausbeutung des von ihm entdeckten tierischen Magnetismus nie den Charlatan verleugnete, der die blinde Pianistin Therese von Paradies in Wien sehend gemacht haben wollte und sich in Paris dazu herbeiließ, den Schoßhund von Sophie Arnould zu behandeln, und viele, viele andere mehr, deren Leben und Taten einen so farbenreichen Einschlag im Gewebe der Geschichte einer Zeit bildet, die auf nichts so stolz war, wie auf ihre Philosophie, ihr klares und kühles Denken und mit deren Dünkel darauf doch nichts stärker kontrastiert, als der Umstand, dass gerade diese Leute ein so gläubiges Publikum fanden.
254. M. A. Parelle, Provoking fidelity, 1775

254. M. A. Parelle, Provoking fidelity, 1775

073. Francois Boucher, Marquise de Pompadour

073. Francois Boucher, Marquise de Pompadour

074. Chevillet, Die Schwester des Künstlers

074. Chevillet, Die Schwester des Künstlers

075. Lêpicie, Die Jugend als Alter verkleidet (Mme. Coypel), 1751

075. Lêpicie, Die Jugend als Alter verkleidet (Mme. Coypel), 1751

076. Sog. Krinolinengruppe mit August III. Meißner Porzellan.

076. Sog. Krinolinengruppe mit August III. Meißner Porzellan.

alle Kapitel sehen