Wahrheit und Verleumdung

Ich hoffe Ihnen in Absicht auf die angeführten Punkte Genüge geleistet zu haben. Ich werde Ihnen in Ansehung des übrigen mit der nämlichen Aufrichtigkeit berichten. Sixtus Senensis in seiner Bibliotheca, Lib. 2, unter dem Titel: Contra Talmud, und andere, als Biatensis Ordine. I., Tract. 1. unter dem Titel: Berachot versichern aus dem Kap. 4, „dass jeder Jude dreimal täglich allen Christen fluche, und zu Gott bete, sie zu verwüsten und auszurotten, samt ihren Königen und Fürsten. Und dies geschehe besonders in der Synagoge dreimal täglich durch die jüdischen Priester.“ Wer die Wahrheit liebt, beliebe doch, den Talmud in der angeführten Stelle nachzuschlagen, man wird nichts von dem Vorgeworfenen finden; es ist in dem besagten vierten Kapitel bloß das tägliche Gebet erzählt, das von den Minim (d. i. Ketzern) spricht, und in Jabne (einer Stadt unweit Jerusalem zwischen Gath und Gazim usw.) angestellt worden; mehr ist nicht im Talmud. Hieraus erkünstelt nun Sixtus Senensis die erwähnte Verleumdung, und spricht von demjenigen, was der Talmud nur kürzlich berührt, dass es bloß von weisen Männern in der besagten Stadt geschehen, als wäre es eine Verordnung im Talmud auf alle Zeiten.

Lasset uns nun sehen, was durch diese weisen Männer in der erwähnten Stadt geschehen ist, und untersuchen, ob es mit Recht die Christen beleidigen kann.


1. Unter den täglichen Gebeten ist ein gewisses Kapitel, worin es heißt: La-Mumarim usw., d. h.: Lasse den Abtrünnigen keine Hoffnung, vertilge alle Ketzer und alle deine Feinde, und alle die dich hassen, lasse umkommen. Und das Reich des Hochmuts wollest du ausrotten, schwäche und vertilge es bald und in unseren Tagen. Dies ganze Kapitel spricht nicht von ursprünglichen Christen, sondern von Juden, welche damals den Saduzeern, Epikurern und den Heiden zugefallen waren, wie Moses aus Ägypten sagt, Tract. Tephill. Kap. 2. Denn unter Abtrünnige und Ketzer sind nicht alle Menschen zu verstehen, welche von verschiedener Religion, Abgötterer oder Heiden sind; sondern solche abgefallene Juden, welche dem ganzen mosaischen Gesetze oder einigen darin angenommenen Artikeln entsagen, und diese werden eigentlich von uns Ketzer genannt. Auch zufolge des Gesetzes der Christen ist der eigentlich kein Apostat oder Ketzer, welcher geboren und von Jugend auf ein Schüler und treuer Befolger eines verschiedenen Gesetzes ist, und darin verbleibt; sonst müßten geborene Juden, Mahomedaner und andere Nationen, welche keine Christen sind, noch je waren, in Rücksicht auf die Christen eigentlich Apostaten und Ketzer genannt werden, welches ungereimt ist; ebenso ungereimt wäre es von Seiten der Juden, wenn sie die Christen so benennten. Die Rede ist daher keineswegs von Christen, sondern von Überläufern der Juden, d. h. von solchen, welche die Fahne oder das heilige Gesetz verlassen haben.

2. Endlich werden hier weder die Königreiche noch die Könige, welche Christen oder Mahomedaner oder von einer anderen Sekte sind, verflucht, sondern namentlich das Königreich des Stolzes. Gewiss ist es, dass zu der Zeit, da unsere weisen Männer zu den täglichen Gebeten das erwähnte Kapitel hinzutaten, noch kein christliches Königreich war. Was war also dieses Reich des Hochmuts? könnte man fragen; wer kann dieses deutlich dartun? — Soviel wir mutmaßen können, ist es das Königreich der Römer, das damals blühte, welches über alle Nationen und besonders über die Juden tyrannisch und stolz herrschte; denn Vespasian und sein Sohn Titus haben nachher ganz Judäa zerstört. Und obgleich einige römische Kaiser nachher Christen geworden sind, oder von dem Christentume eine gute Meinung hatten, so war doch das römische Königreich ein heidnisches, und ohne Unterschied stolz und tyrannisch; und obschon die Juden dieselben Worte des Gebetes wiederholten, wenn auch der Fürst gut war, und sie unter einer gerechten Regierung lebten, so geschah es bloß aus altem Gebrauch, ohne eine Bosheit wider die gegenwärtige Regierung. Und in der Tat sind nun in allen ihren Büchern, die nachher gedruckt worden, diese Worte weggelassen, damit sie nicht ungerechterweise den Juden zum Vorwurf gereichen möchten, und so sagen sie anstatt Apostaten und Ketzer, heimliche Ankläger oder Verräter der Juden, und anstatt des Königreichs des Stolzes, setzen sie alle: Zedim, d. i. stolze Menschen.

3. Auf gleiche Weise haben die zweiundsiebzig Dolmetscher, um Ärgernis zu vermeiden, als sie in Levit. an die unreinen Tiere kamen, anstatt Arnebeth, welches ein Hase bedeutet, . . . , d. i. Rauchfuß gesetzt; sie verließen den Namen und gebrauchten dessen Sinn. Sie wollten das hebräische Wort Arnebeth nicht beibehalten, wie sie es bei verschiedenen arideren Nennwörtern getan haben, damit die Frau des Ptolemäus, deren Namen Arnebeth war, nicht denken möchte, die Juden spotten ihrer, wenn sie ihren Namen unter die unreinen Tiere hingesetzt hätten; noch wollten sie es durch . . . , lagoon, oder . . . , lagon, geben, welches in der griechischen Sprache ein Hase bedeutet, damit Ptolemäus selbst, der ein Sohn und Bruderssohn des Lagus war, sich nicht beleidigt fände, den Namen seiner Familie unter den unreinen Tieren aufgezeichnet zu sehen. Überdies erwähnt Plutarch, wie sehr übel es aufgenommen worden, wenn jemand Ptolemäus fragte, wer der Vater des Lagus gewesen; gleichsam, als wenn man spöttisch auf seine dunkle Herkunft und Abstammung merkte.

4. Die völlig ähnliche Verleumdung fällt weg aus der Betrachtung desselben Kapitels unseres Gebetes. Als Muley Zidan in Marokko regierte, klagte ein abtrünniger Jude, um sich standhaft in der mahomedanischen Religion und als einen Feind seiner eigenen Nation zu zeigen, die Juden bei dem König an, dass sie zu Gott um seinen Untergang bäten, indem sie in ihren Gebeten aller Zedim erwähnen, als wollten sie haben, dass die ganze Familie von Zidan zerstört werde. Sie entschuldigten sich mit der Wahrheit, und behaupteten, dass, indem sie wider Zedim bäten, es bloß wider die stolzen Menschen (wie dieses Wort in der hebräischen Sprache eigentlich bedeutet) nicht wider Seine Majestät geschehe. Der König nahm die Entschuldigung an, und sagte ihnen, dass sie wegen der Zweideutigkeit des Wortes es mit einem anderen vertauschen sollten.

5. Gewiss, die Juden geben keine Gelegenheit, einen Fürsten oder einen Magistrat zu beleidigen, sondern im Gegenteil, sie sind, wie mir scheint, verbunden, ihn zu lieben, zu verteidigen und zu beschützen; denn zufolge ihres Gesetzes, des Talmuds und des unverletzlichen Gebrauches der überall zerstreuten Juden, haben sie an dem Sabbath und an allen jährlichen Feierlichkeiten Gebete für die Könige und Fürsten, unter deren Regierung sie leben, sie mögen von christlicher oder von anderer Religion sein. Ich sage, zufolge ihres Gesetzes, wie Jeremias empfiehlt (Kap. 29), nämlich: Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe lassen wegführen, und betet für sie zum Herrn usw., zufolge des Talmuds (Ord. 4. Tract. 4. Abodazara Kap. I.), wo sich ein Gebet für das Wohl des Königreichs findet, und zufolge des Gebrauches, der nie von den Juden unterlassen worden. Überall, wo sie sind, segnet der Priester der Synagoge, bevor er das jüdische Volk segnet, den Landesfürsten unter dem sie leben mit lauter Stimme, damit alle Juden es hören können, und sie sagen darauf Amen. Sie haben die Form des Gebetes in dem Buche: The humble Adresses gesehen.

6. Auf gleiche Weise bemerken die Alten, als Gott befahl, dass an den sieben Tagen des Lauberhüttenfestes siebzig Stiere geopfert werden sollen, solches eine Beziehung auf die siebzig Nationen habe (welche einst Jahr auf Jahr, nach Jerusalem aufkommen werden, um dieses Laubhüttenfest zu halten; (Zachar, 14, 16), für deren Erhaltung sie geopfert werden. Denn sie sagen, dass alle Nationen der Erde in Abraham und dessen Samen werden gesegnet werden, nicht nur geistig, und in der Erkenntnis der einzigen ersten Ursache, sondern auch jetzt und schon zeitliche und irdische Segen, durch die Kraft dieses Versprechens, genießen werden. Und so brachten sie in den Zeiten des zweiten Tempels Opfer für die mit ihnen verbundenen Nationen, wie aus folgenden Fällen erscheint.

In Megilat Taanit Kap. 9, wird erzählt, dass, als Alexander der Große, auf Anstiftung der Samaritaner, welche den Berg Gerizim bewohnten, mit dem Entschlusse kam, den Tempel zu zerstören, stellte Simon der Gerechte sich ihm in den Weg, Und unter anderen Gründen, welche er vorbrachte, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen, sagte er zu ihm: Dies ist der Ort, wo wir Gott bitten für deine eigene Wohlfahrt, und für dein Königreich, dass es nicht zerstört werde; und sollen diese Menschen dich bereden, diesen Ort zu zerstören?

7. Ein Gleiches finden wir im ersten Buche der Makkabäer Kap. 7, 33 und in Josephus Antiq. Lib. 12, 17, als Demetrius den Nikanor, den General seiner Armee, wider Jerusalem schickte, so kamen die Priester mit den Ältesten des Volkes, ihn zu grüßen und ihm die Opfer zu zeigen, welche sie für die Wohlfahrt des Königs Gott bringen.

In derselben Geschichte Lib. 2, 3, und im Josephus Antiq. Lib. 13, Kap. 16 lesen wir, dass Heliodorus, des Seleukus General, aus gleicher Absicht nach Jerusalem kam; Onias, der hohe Priester, ersuchte ihn, diesen Ort nicht zu zerstören, wo sie Gott für die Glückseligkeit des Königs und seiner Nachkommen und für die Erhaltung seines Königreichs bäten.

8. In dem ersten Kapitel des Baruchs, des Schülers von Jeremia, finden wir, dass die Juden, welche zuerst nach Babylon mit Jechonias gefangen geführt worden, Geld zusammenschössen, jeder nach seinem Vermögen, und es nach Jerusalem sendeten, und sagten: Siehe I Wir haben euch Geld geschickt, wofür ihr Opfer kaufen und für das Leben Nebuchadnezars Und seines Sohnes Balthasar beten sollet, dass ihre Tage auf der Erde wie die Tage des Himmels sein mögen, dass Gott uns Kraft verleihe und unsere Augen erleuchte; dass wir unter ihrem Schatten leben, ihnen große Dienste leisten, und Gunst in ihrem Angesichte finden mögen.

Die Juden in Asien, wie Josephus Gorionides Lib. 3, Kap. 4. erzählt, taten ein Gleiches; sie schickten dem hohen Priester Hyrcanus Briefe nebst einem Geschenke, und verlangten, dass man für das Leben des Augustus Cäsar und seines Gefährten Marcus Antonius Gebete anstellen möchte.

Philo Judäus erzählt in dem Buche von seiner Gesandtschaft an Cajus, wo er eines Briefes erwähnt, in welchem Cajus verlangte, dass man seine Bildsäule in dem heiligen Tempel aufstellen sollte, dass dieses die Worte in Agrippas Antwort an diesen Kaiser waren: Die Juden opfern für das Wohl deines Königreichs, und das nicht nur an ihren feierlichen Festen, sondern alle Tage.

Ein Gleiches wird vom Josephus angeführt. Die Juden sagten zum Petrenius, General des Kaiseis Cajus: Wir bringen täglich Brandopfer zu Gott für den Frieden des Kaisers und des ganzen römischen Volks. Und im zweiten Buch wider Apion sagt er: Wir Hebräer sind überall gewohnt, die Kaiser mit besonderen Opfern zu verehren. Auch ist diese Dienstleistung nie mit Undankbarkeit aufgenommen worden, wie aus dem Bescheid des Cyrus, Esra 6, 6 zu sehen ist, wo Darius befiehlt, dass sogleich von des Königs Gütern, selbst von seinen Steuern, den Ältesten der Juden die Unkosten gegeben werden sollten usw. und alles was sie nötig hätten, Kälber, Lämmer und Böcke zu den Brandopfern vor dem Gotte des Himmels, Weizen, Salz, Wein und Öl usw., dass sie opfern zum süßen Geruch dem Gott vom Himmel, und bitten für des Königs Leben und seiner Kinder.

Dasselbe wurde nachher vom Artaxerxes befohlen, welcher verschiedene große Gaben spendete, sowohl zum Bau des Tempels, als zur Unterhaltung der Opfer. So stieg Alexander der Große von seinem Wagen, bückte sich zu den Füßen des Hohenpriesters, und ersuchte ihn, seinethalben Gott Opfer zu bringen. Und wem kann es unbekannt sein, wie reichlich Ptolemäus Philadelphus, nach Aristäus Erzählung, den Tempel beschenkte? Nichts Unähnliches tat Antiochus, der griechische König, als er durch eine öffentliche Verordnung jedem Fremden verbot, in den Tempel zu gehen, und den Ort zu entweihen, welchen die Juden der Religion und der göttlichen Verehrung geheiligt haben (Josephus Lib.. 12, Kap. 3.) Ein Gleiches tat Demetrius (Lib. 13, Kap. 5, 6). Man kann noch hinzutun, dass, als die Jerusalemer mit den Einwohnern von Samaria wegen der Ehre und Würde des Tempels vor Alexander dem Großen rechteten, so behaupteten die Jerusalemer Priester in ihrem Vortrage, dass dieser Tempel beständig von allen asiatischen Königen in großen Ehren gehalten, und mit verschiedenen glänzenden und herrlichen Geschenken bereichert worden sei. Im zweiten Buche Josephus wider Apion lesen wir, dass Ptolemäus Euergetes, als er Syrien erobert hatte, Dankopfer brachte, nicht den Götzen und falschen Göttern, sondern dem wahren Gott zu Jerusalem, nach der Weise der Juden. Pompejus der Große wagte es nicht, wie Josephus erwähnt, de Bello Judaico, Lib. 1, Kap. 5, weder zu plündern, noch im mindesten die Schätze des Tempels zu berühren, nicht (wie Cicero in seiner Rede für den Plancius voraussetzt, dem Augustin in seinem Buche de civitate Dei beistimmt), weil er besorgte, man möchte ihn für zu geizig halten; denn dieses scheint vergleichungsweise sehr lächerlich und kindisch, indem das Kriegsgesetz ihn bald davon losgesprochen haben würde; sondern aus Ehrfurcht gegen den Ort, von welchem sein Gemüt so gerührt war. Philo Judäus führt einen Brief vom Agrippa an, S. 1036, worin er schreibt, dass Augustus Cäsar den Tempel in so großer Ehre hält, dass er befohlen, aus seinen eigenen Einkünften täglich einen Stier und zwei Lämmer zu opfern; und seine Frau Julia Augusta schmückte ihn mit goldenen Kelchen und Becken und verschiedenen anderen köstlichen Geschenken. Auch Kleopatra, die Königin von Ägypten, ließ es nicht an Freigebigkeit fehlen. Tiberius befahl während der ganzen zweiundzwanzig Jahre seiner Regierung, dass aus seinem eigenen Zolle Gott Opfer gebracht werden sollen. Ein Gleiches tat Nero, bis die unbedachtsame Verwegenheit des Eleazers, indem er seine Opfer ausschlug, das Gemüt des Kaisers abwendig machte, und eine blutige Verfolgung veranlasste.

Und diesem zufolge können wir den elften Vers des ersten Kapitels des Malachi (welcher während des zweiten Tempels blühte), besser verdolmetschen. Seine Worte sind: Aber vom Aufgang der Sonnen bis zum Niedergang soll mein Name herrlich werden unter den Heiden, und an allen Orten soll meinem Namen geräuchert, und ein rein Speisopfer geopfert werden; denn mein Name soll herrlich werden unter den Heiden, spricht der Herr Zebaoth. Denn außerdem, dass die Heiden den Tempel das Haus des großen Gottes nannten (Esra 5, 8.). so haben ihre Könige und Kaiser, persische, griechische und römische, wie wir gehört haben, verlangt, dass man für sie im Namen Gottes Opfer und Weihrauch bringen sollte.

9. Der Leser mag ferner bemerken, dass die Juden nicht nur für die Kaiser, ihre Freunde und Bundesgenossen, sondern allgemein für die ganze Welt Gott zu opfern und zu bitten gewohnt waren. Es ist gebräuchlich (sagt Agrippa zu Cajus nach dem Philo, S. 1035), dass der Hohepriester am Versöhnungstage ein Gebet zu Gott für das ganze menschliche Geschlecht tut und ihn ersucht, demselben ein neues Jahr mit Segen und Frieden zu verleihen. Dasselbe sagt Philo Judäus in seinem zweiten Buche von der Monarchie: „Die Priester anderer Nationen bitten Gott bloß für die Wohltat ihres eigenen besonderen Volkes; aber der Hohepriester bittet für das Wohl und die Gluckseligkeit der ganzen Welt.“ Und in dem Buche von den Opfern, S. 836, sagt er: ,,Einige Opfer werden für unsere Nation, einige für das ganze Menschengeschlecht gebracht. Denn die zwiefachen täglichen Opfer, nämlich des Morgens und des Abends, sind für die Erlangung der guten Dinge, welche Gott, das höchste Gut, ihnen zu diesen beiden Tageszeiten verleiht.“

Und auf gleiche Weise sagt Josephus in seinem zweiten Buche wider den Apion: „Wir opfern, beten zu Gott zuerst für das Wohl und die Glückseligkeit der ganzen Welt, und nachher mehr besonders für uns selbst, weil (weil wir glauben) ein solches Gebet, welches erst allgemein sich erstreckt und nachher mehr besonders verrichtet wird, Gott weit annehmlicher ist.“ Welche Worte auch von Eusebius Cäsarensis in seiner Praeparatio Evangel. Lib. 8, Kap. 2. angeführt werden.

10. So wie keine äußerliche materielle Herrlichkeit beständig ist, so hatte auch der Tempel seine Periode, und mit dem Osterlamme hörten auch alle anderen Opfer auf; aber an deren Stelle haben wir jetzt Gebete, wie Hosea spricht, Kap. 14, 7: Statt der Stiere wollen wir opfern die Farren unserer Lippen. Und dreimal ist täglich unsere Bitte zu Gott: Fülle die ganze Welt, o Herr, mit deinem Segen; denn alle Geschöpfe sind das Werk deiner Hände, wie es in den Psalmen heißt 145, 9: Der Herr ist allen gütig, und erbarmt sich aller seiner Werke.

11. Ja wir bitten auch um die Bekehrung der Nationen, und so sagen wir in den trefflichen Gebeten am Rosch Haschana (Neujahrsfest) und am Versöhnungstage: „Unser Gott und Gott unserer Väter regiere über die ganze Welt mit deinem Glänze und sei erhaben über die ganze Erde in deiner Herrlichkeit; verbreite deinen Einfluss über alle Einwohner der Welt in der herrlichen Majestät deiner Stärke, und lass jedes Geschöpf wissen, dass du es geschaffen; und lass jedes gebildete Ding einsehen, dass du es gebildet; und lass alles was Atem in der Nase hat, sagen, der Herr Gott von Israel regiert, und sein Königreich ist über alle Herrschaften.“ Und ferner: „Lass alle Einwohner der Erde wissen und sehen, dass dir jedes Knie sich beuge, und jede Zunge schwöre; vor dir, o Herr unser Gott, lass sie sich bücken und hinwerfen; lass sie der Würde deines Namens Ehre geben, und lass sie alle das Joch deines Königreichs auf sich nehmen.“ Und wiederum: „Erstrecke deine Furcht, o Herr unser Gott, über alle deine Werke, und dein Schrecken über alles, was du geschaffen; lass alle deine Werke dich fürchten, lass alle Geschöpfe sich vor dir niederbücken, und lass alle sich eine Hand voll machen (d. i. mit verbundener Eintracht), deinen Willen mit vollkommenen Herzen tun usw.“ Eine fast wörtliche Nachahmung des weisen Königs Salomo, der, nachdem er den Bau des Tempels zu Ende gebracht, in dem langen Gebete I. Kön. 8, der Heiden nicht uneingedenk war; sondern im 41. Verse sagt er: Wenn auch ein Fremder, der nicht deines Volkes Israel ist, kömmt aus fernem Lande, um deines Namens willen (denn sie werden hören von deinem großen Namen, und von deiner mächtigen Hand, und von deinem ausgestreckten Arm), und kömmt, dass er bete vor diesem Hause, so wollest du hören im Himmel, im Sitz deiner Wohnung, und tun alles, darum der Fremde dich anruft, auf dass alle Völker auf Erden deinen Namen erkennen, dass sie auch dich fürchten, wie dein Volk Israel, und dass sie inne werden, wie dies Haus nach deinem Namen genannt sei, das ich gebaut habe. Es ist hier zu bemerken, dass, wenn ein Israelit beten kömmt, so sagt er Vers 39: Dass du gebest einem jeglichen wie er gehandelt hat; aber bei dem Gebete eines Fremden sagt er: Und tue alles, darum der Fremde dich anruft. Und dieser Unterschied ist zu „diesem Ende gemacht, damit alle Heiden durch die offenbare und augenscheinliche Gewährung ihrer Bitte zur Wahrheit, Erkenntnis und Furcht Gottes gebracht werden möchten, so gut wie die Israeliten.

12. Da nun alle Propheten Gebete und Fürbitten für alle Menschen so gut als für die israelitische Nation gemacht haben, wie sollten wir nicht das nämliche für die Völker tun, unter denen wir wohnen, denen wir noch mehr besondere Verpflichtung dafür haben, dass wir unter ihrem Schutze und ihrer Gunst leben? In Deut. Kap. 23, 7 befiehlt Gott: Du sollst den Ägypter nicht für Greuel halten, ungeachtet der schweren Lasten, womit er dich plagte, bloß, weil du ein Fremder in seinem Lande warst; weil er zuerst dich unterhielt und dich in sein Land aufnahm.

Von den andern sagt Ezechiel 23, 15 : So wahr ich lebe, spricht der Herr Gott, ich mag nicht den Tod des Bösen, sondern dass der Böse von seinem Wege zurückkehre, und lebe. Wir müssen daher seine Werke nachahmen, und niemand bloß auf Rechnung der Religion hassen, sondern für seine Bekehrung bitten, und dieses ohne ihm ein Ärgernis oder eine Art von Kränkung zu geben. Diejenigen verwünschen oder verabscheuen, denen wir die Glückseligkeit, die wir genießen, schuldig sind, oder die nach ihrer eigenen Seligkeit streben, ist eine unwürdige und üble Sache; aber nicht, ihr Laster und Sünden verabscheuen. Es war eine sehr treffliche Beobachtung eines sehr weisen und tugendhaften Weibes, Boruria, die (wie im Talmud, Berachot 1 angeführt ist) als ihr Ehemann R. Meier im Begriff war, Gott zu bitten, dass er einige böse und mutwillige Nachbarn, die ihn nicht minder hart als boshaft belästigt und gekränkt hatten, vertilgen möchte, ihm die angelegentliche Vermahnung gab, dass so etwas in Israel nicht geschehen müsse, sondern dass er vielmehr bitten solle, dass sie zurückkehren, und durch Reue ihre Sünden aufheben möchten, indem sie den Text aus den Psalmen anführte, 104, 35: Der Sünden müsse ein Ende werden auf Erden (hier ist nicht gesagt, der Sünder, sondern der Sünden), und dann werden die Gottlosen nicht mehr sein.

13. Wir haben nun in diesem Abschnitte gezeigt, dass es eine bloße Verleumdung ist, dafür zu halten, dass wir Juden Gott bitten, den Christen eine Kränkung zuzufügen, oder dass wir durch irgend etwas in unseren Gebeten ihnen ein Ärgernis verursachen, es müsste denn sein, dass wir nicht selbst Christen sind. Wir haben im Gegenteile dargetan, dass wir täglich für sie beten; dass wir, solange der Tempel dauerte, Opfer für die Völker brachten, die mit uns verbunden waren, dass alle Kaiser es verlangten, und dass wir ferner nicht nur für besondere Fürsten, sondern überhaupt für das ganze Menschengeschlecht Opfer brachten; dass wir noch jetzt, da der Tempel samt den Opfern aufgehört, das nämliche in unseren Gebeten tun, Gott um ihre Seligkeit ersuchen, ohne in Ansehung der Religion ein Ärgernis zu geben; und dass wir uns verpflichtet halten, alles dieses nach der heiligen Schrift zu verrichten. Durch alles dieses zusammen genommen, hoffe ich hinreichend die Wahrheit desjenigen bewiesen zu haben, was ich behauptet habe.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menasse ben Israels Rettung der Juden