Schlusswort

Und nun denke ich für diesmal in Ansehung aller Ihrer Einwürfe (soweit es sich in einem Briefe tun lässt), Ihnen hinreichend Genüge geleistet, ohne jemanden gerechte Ursache zur Beleidigung oder Ärgernis gegeben zu haben, und weil Sie ferner noch einiges zu wissen verlangen von dem, was meine gegenwärtige Verrichtung und Unterhandlung betrifft, so will ich nur kurz sagen, dass die Gemeinschaft und der Briefwechsel, welche ich seit einigen Jahren mit einigen erhabenen Personen aus England unterhalten habe, der erste Ursprung von der Unternehmung meines Vorhabens war, indem es mir allemal dadurch sehr wahrscheinlich wurde, das zu erlangen, was ich suche; weil sie versicherten, dass zu jetziger Zeit die Gemüter der Menschen uns sehr zugeneigt wären, und dass wir ihnen auf dieser Insel sehr angenehm und willkommen sein würden. Und seitdem entsprang in mir eine ähnliche Begierde und Verlangen, dieses Ziel zu erreichen, und ich habe seit sieben Jahren ununterbrochen durch Briefe und andere Mittel, mir um diese Sache Mühe gegeben und darnach gestrebt. Denn ich halte dafür, dass Unsere allgemeine Zerstreuung ein Umstand sei, der notwendig erfüllt werden muss, bevor alles vollbracht werden kann, was Gott dem jüdischen Volke in Ansehung ihrer Rückkehr und Wiedereinsetzung in ihr eigenes Land verheißen hat, zufolge der Worte Daniels, 12, 17: Wenn er wird vollendet haben zu zerstreuen die Macht des heiligen Volkes, so werden alle diese Dinge geendigt werden. Ebenso, da unsere Zerstreuung allmählich unter allen Völkern sein wird, wie es in Deut. 28, 64 heißt, von dem einen Ende der Erde bis zum andern, so glaubte ich, dass durch das Ende der Erde diese Insel verstanden wird. Und ich weiß nicht, ob Gott, der oft durch natürliche Mittel wirkt, mich zur Vollführung seines Werkes bestimmt und gewählt habe? Ich wendete mich daher mit diesem Antrag, aus vollem Eifer, an die englische Nation, wünschte ihr zu der rühmlichen Freiheit und dem glücklichen Frieden, deren sie jetzt genießt, Glück, und schrieb mein Buch, die Hoffnung Israels, dem ersten Parlament und dem Staatsrat zu, und erklärte zugleich meine Absicht, weshalb sie mir einen sehr günstigen Pass schickten. Nachher wendete ich mich an das zweite, und es schickte mir einen anderen. Aber bei den damaligen Zeitläufen war meine Reise sogleich nicht tunlich, denn meine Verwandten und Freunde, welche die ineinander verwebten Abwechslungen und Veränderungen der Dinge hienieden in Erwägung zogen, ersuchten mich umarmend mit dringendem Ungestüm, nicht von ihnen zu reisen, und wollten nicht nachlassen, bis, von ihrer Liebe gezwungen, ich versprechen musste, noch eine Zeit lang mich bei ihnen aufzuhalten. Aber allen diesem ohngeachtet konnte ich in meinem Gemüte nicht ruhig sein, (ich weiß nicht, ob dieses durch eine besondere göttliche Vorsicht etwa geschah), bis ich von neuem meine untertänige Bittschrift an Ihre Hoheit den Lord Protektor (Gott erhalte ihn) machte. Und da ich fand, dass mein Überkommen ihm nicht gänzlich unwillkommen sein würde, so nahm ich fröhlich, mit den gefassten großen Hoffnungen, Abschied von meinem Hause, meinen Freunden, meinen Verwandten, allen meinen hiesigen Bequemlichkeiten, und von dem Lande, in welchem ich meine ganze Lebenszeit unter dem wohltätigen Schutz und Gunst der Herren Generalstaaten und des Magistrats von Amsterdam, zugebracht habe, und trat endlich meine Reise nach England an. Als ich daselbst nach meiner Ankunft sehr höflich aufgenommen und mit vieler Achtung begegnet wurde, so übergab ich Sr. Durchlauchtigsten Hoheit eine Bittschrift, und einige Wünsche, welche mir größtenteils von meinen Brüdern, den Juden aus verschiedenen Teilen Europens, geschrieben worden sind, wie Sie aus den ersten Erzählungen besser ersehen werden. Worauf es Ihrer Hoheit gefiel, zu Whitehall eine Versammlung aus Geistlichen, Rechtsgelehrten und Kaufleuten, von verschiedener Meinung und Denkungsart, zusammen zu berufen, wobei die Urteile und Aussprüche der Leute so verschieden ausfielen, dass wir noch bis jetzt keinen endlichen Bescheid von Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit haben. Weshalb die wenigen Juden, die hier waren, an unserem erwarteten Fortgang verzweifelnd, von hier wegreisten, und andere, welche hierher zu kommen verlangten, ihre Hoffnung fahren ließen, und sich teils nach Italien, teils nach Genf begaben, wo die Regierung ihnen damals ganz freiwillig viele und große Privilegien gestattete.

Nun, o höchster Gott, richte ich mein Gebet an dich, ja an dich, den Gott unserer Väter; du, dem es gefiel, sich selbst den Hüter Israels zu nennen; du. der gnädig durch den heiligen Propheten Jeremias versprochen, dass du nicht willst allen Samen von Israel verwerfen, wegen des Bösen, das sie getan haben; du, der durch so viele erstaunliche Wunder dein Volk aus Ägypten, dem Land der Sklaverei, zogst, und es in das heilige Land führtest, lass gnädig deinen heiligen Einfluss auf das Gemüt des Fürsten wirken, (der aus keiner eigennützigen oder anderen Absicht, als bloß aus Mitleiden über unsere Unterdrückung, sich bewegen lassen, uns zu beschützen und zu beschirmen, für welche außerordentliche Menschlichkeit weder ich noch mein Volk je die Fähigkeit erwarten kann, ihm hinreichend erkenntlich und dankbar zu sein) und auf das Gemüt seines berühmten und weisen Rates, dass sie das entscheiden möchten, was nach deiner unendlichen Weisheit für uns das Beste und Dienlichste ist. Denn die Menschen, o Herr, sehen das Gegenwärtige, aber du in deiner Allwissenheit das Entfernteste!


Und die sehr ehrwürdige englische Nation ersuche ich ganz untertänigst, dass sie meine Gründe unparteiisch, ohne Vorurteil und frei von aller Leidenschaft überlesen wolle; ich empfehle mich gänzlich ihrer Gnade und Gunst, und bitte Gott ernstlich, dass es ihm gefallen möge, die durch Zephania versprochene Zeit herannahen zu lassen, da wir ihn alle eines Sinnes und eines Herzens anbeten, alle in seinem Dienste einstimmig sein werden, dass, so wie sein Name einzig ist, auch seine Furcht einzig sein möge, und dass wir die Güte des ewig gelobten Gottes und die Tröstungen Zions sehen mögen. Amen! Amen!

In meiner Studierstube in London den 10. April im Jahre 5416 von Erschaffung der Welt, und im Jahre 1656 nach der gemeinen Rechnung.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menasse ben Israels Rettung der Juden