Die Anklage auf Verführung zum Glauben

Aber was man ferner sagt, dass wir andere zu unserem Glauben verleiten und verführen usw.

1. Es ist dieses nirgends, wo die Juden zerstreut sind, bis auf diesen Tag geargwohnt worden, auch kann es hier nicht stattfinden. In der Tat habe ich mit verschiedenen großen, mit den weisesten und erhabensten Männern in Europa Freundschaft gepflogen; sie kamen aus verschiedenen Orten, mich in meinem Hause zu besuchen, und haben mancherlei freundschaftliche Unterredungen mit mir gehalten, und doch gab dies nie Gelegenheit, uns einer solchen Sache wegen verdächtig zu machen. Ja, Kaspar Barleus, der Virgil unserer Zeit, und manche andere, haben zu meinem Lobe verschiedene Gedichte gemacht, welches ich, nicht (fern sei es von mir) aus eitlem Ruhme, sondern als einen Beweis meines unschuldigen guten Namens anführe.


2. Wir sind zufolge unserer Kirchenbücher frei von dieser Verführung. Wenn jemand, von welchem Volke er sei, sich anträgt, ein Jude zu werden, so sind wir, ehe wir ihn annehmen, und als ein Mitglied zu unserer Synagoge zulassen, verbunden zu untersuchen, ob er durch die Notwendigkeit bewogen wird, es zu tun, oder etwa aus Liebe gegen einzelne Personen aus unserer Nation, oder aus einer anderen weltlichen Absicht; und wenn wir keinen anderen Grund haben, ihn verdächtig zu finden, so haben wir noch eine andere Verpflichtung auf uns, welche darin bestehet, dass wir ihm die Strafen bekannt machen, denen er sich unterwirft, wenn er den Sabbath entheiligt, Blut oder Fett isst, welches Lev. 3, 17. verboten ist, oder wenn er irgendeine Vorschrift des Gesetzes verletzt, wie in dem Targum auf Ruth zu sehen ist. Und wenn er sich standhaft und eifrig zeigt, alsdann wird er angenommen und beschützt. Wir verführen also niemanden; sondern im Gegenteil, wir vermeiden alle Religionsstreitigkeiten mit den Menschen, nicht aus Mangel an Wohlwollen, sondern weil wir so weit als möglich Ärgernis und Hass zu vermeiden suchen, und aus dieser Ursache, weil wir keinen Anstoß geben wollen, versagen wir denen die Beschneidung, die zu uns kommen. Ja, ich habe einige gekannt, die deshalb sich selbst beschnitten haben; und wenn Ferdinand und Isabella, König und Königin von Kastilien, einen Befehl gaben, die Juden zu vertreiben weil sie verschiedene Christen und einige vom Adel verführten, Juden zu werden, so war dies bloß ein Vorwand und ein Anstrich ihrer Tyrannei, bloß, weil, wie sehr bekannt ist, sie nichts anderes uns vorzuwerfen hatten. In der Tat empfehle ich sehr die Meinung des Osorius de rebus Immanuelis sowohl, als die des Flavius Josephus, des berühmtesten aller Geschichtsschreiber, welche er in der Geschichte seines eigenen Lebens äußert:

„Um diese Zeit (sagt er), kamen zwei Edelleute von den trachonitischen Untertanen des Königs zu mir, und brachten mit sich Reiter mit Waffen und Geld. Als die Juden sie zwingen wollten, sich beschneiden zu lassen, wenn sie unter ihnen leben wollten, so wollte ich es nicht leiden, dass man sie beunruhige, indem ich behauptete, dass ein jeder Gott nach seinem freien Willen dienen, und nicht von anderen dazu gezwungen werden müsste. Denn, wenn wir dieses tun, sagte ich, so möchten wir es sie hernach bereuen machen, dass sie je zu uns geflohen. Und da ich den Haufen so beredete, so ließ ich diesen Leuten, nach ihrer Lebensart, Speisen im Überflusse geben.“

Dies war in der Tat eine Handlung, würdig eines edlen und weisen Mannes, und nachahmenswert zur Verteidigung der allgemeinen Freiheit, indem man das Urteil und die Entscheidung Gott allein überlässt. Die spanische Inquisition mit allen ihren Foltern und Grausamkeiten kann nicht machen, dass ein einziger Jude, der ihnen in die Hände fällt, ein Christ werde. Denn durch Schläge werden unvernünftige Tiere gezüchtigt, Menschen müssen durch die Vernunft bewegt werden; auch können Menschen durch Martern zu keiner anderen Meinung beredet werden, im Gegenteil werden sie vielmehr dadurch standhafter und beharrlicher bei ihren Grundsätzen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menasse ben Israels Rettung der Juden