Die Anklage auf Gotteslästerung

Die Anklage des Buxtorf in seiner Bibliotheca Rabbinorum, da er uns die Gotteslästerung zur Last legt, kann folglich keinen Schein der Wahrheit haben. Ich will das Gebet selbst hierher setzen:

„Wir sind verbunden, den Herrn aller Dinge zu loben, den zu erheben, der die Welt geschaffen hat, dass der uns nicht wie die Volker der Erde gemacht, uns nicht wie die Geschlechter der Erde gestellt, unseren Anteil nicht gleich den ihrigen, noch unser Los mit ihren Haufen übereinstimmend gemacht hat. Denn sie erniedrigen sich gegen unwürdige und eitle Dinge, richten ihre Gebete an Götter, die nicht helfen können; aber wir verehren den König aller Könige, der heilig und gesegnet ist, der die Himmel lausstreckte und die Erde bildete; der Sitz seiner Glorie ist oben im Himmel, und seine göttliche Macht in dem Höchsten der Himmel. Er ist unser Gott, es gibt keinen anderen; er ist wahrlich unser König und außer ihm gibt es keinen, wie in dem Gesetze geschrieben ist, und wisse heute, und kehre zurück in dein Herz, denn der Herr ist Gott im Himmel von oben und auf der Erde von unten; es ist kein anderer.“


Dieses ist wahrlich, meiner Meinung nach, ein kurzes und treffliches Gebet, und wert, empfohlen zu werden. Sultan Selim, der berühmte Eroberer und mahomedanische Kaiser, hielt so viel darauf, dass er seinem Arzt Moses Amon (welcher die fünf Bücher Moses ins Arabische und Persische übersetzt hat) befahl, dass er unsere Gebete übersetzen sollte. Und da er sie ihm in türkischer Sprache zustellte, so sagte der Sultan: Wozu sind solche lange Gebete nötig? Wahrhaftig, dies eine kann hinreichend sein! So sehr schätzte und achtete er es. Diesem gleicht ein anderes Gebet, welches zu derselben Zeit verfasst worden ist, nämlich:

„Benedeit sei unser Gott, welcher uns zu seiner Ehre geschaffen, und von denen, die im Irrtume sind, getrennt hat, und uns ein Gesetz der Wahrheit gegeben, und unter uns ewiges Leben gepflanzt hat. Lasst öffnen unsere Herzen in seinem Gesetze, und seine Liebe in unserem Herzen wohnen, und seine Furcht, seinen Willen zu tun, und ihm zu dienen mit ganzem Herzen; dass wir nicht mögen vergeblich arbeiten, noch Kinder der Verderbnis zeugen. Lass es dein Wille sein, o Herr unser Gott, und Gott unserer Väter, dass wir deine Satzungen und Gesetze in dieser Welt halten, und verdienen und leben und gut erben und erreichen die Segen der künftigen Welt, dass wir zu deiner Ehre unaufhörlich singen mögen. O Herr, mein Gott, ich will dich loben ewiglich.“

Aber weder das eine noch das andere ist eine Lästerung, noch ein Fluch gegen eine andere Gottheit, aus folgenden Gründen: I. Dass es nicht die Weise der Juden ist, nach ihrem Gesetze anderen Gottheiten, wenn es auch heidnische sind, namentlich zu fluchen. So heißt es in Exod. 22, 27: Den Göttern sollst du nicht fluchen hebräisch . . . d. h. Göttern oder Gott, wie Philo Judäus im Buche de Monarchia es verdolmetscht, und nicht Richter, wie Onkelos und Jonathan es in ihrer chaldäischen Umschreibung übersetzen. Philo gibt davon folgenden Grund an, damit nicht diejenigen, welche ihre eigenen Götter lästern hören, aus rachgieriger Gegenvergeltung den wahren Gott Israels lästern; und wir haben Beispiele genug, wie gebräuchlich es unter den abgöttischen Heiden war, wechselweise einander ihre Götter zu fluchen und zu schimpfen im Cicero und im Juvenal.

Und in diesem Verstände schreibt Flavius Josephus, in seinem Buche wider Apion, folgendes: So wie es unser Gebrauch ist, uns selbst zu beobachten, und keinen anderen anzuklagen oder zu schmähen: so müssen wir auch nie diejenigen verspotten oder lästern, welche etwas anderes für Gott halten. Unser Gesetzgeber hat es uns durch die Benennung Götter ausdrücklich verboten. Diesem zufolge, dürfen wir nach unserer eigenen Religion das nicht tun, was Buxtorf uns aufbürdet. Und daher sagen uns die Talmudisten, dass wir nicht nur den Königen von Israel, sondern allen Königen, Fürsten und Regenten Ehrerbietung schuldig sind, cta die heilige Schrift ihnen, in Ansehung ihrer Stelle, den Namen Götter beilegt.

2. Die Zeit, in welcher diese, so wie die anderen Gebete abgefasst und anbefohlen worden, war in den Tagen Esras, welcher, wie wir aus dem Talmud wissen, mit hundertundzwanzig Männern, unter denen drei Propheten, Haggai, Zechary, Malachi waren, dieselben verfertigt hat. Man kann daher nicht sagen, dass darin irgend etwas wider die Ehre und Achtung Christi abzwecke, der erst so viele Jahre nachher geboren worden ist.

Die Juden haben daher, seitdem diese Verleumdung zuerst entstand, diese Zeile (obschon sie auf die Heiden und ihre eitle Götter sich bezieht, die sich gegen unwürdige und eitle Dinge erniedrigen), um auch die mindeste Gelegenheit der Ärgernis und der Beleidigung zu vermeiden und auszuweichen, weggelassen, und sie drucken in einigen Büchern nichts mehr davon ab, zufolge des Zeugnisses des Joh. Hoornbeck in seinen vorerwähnten Prolegomena, William Worstius’s in seinen Beobachtungen über R. David Ganz S. 269, und Buxtorfs in seinem Buche von den Abkürzungen; und es ist vielleicht unserer Beobachtung würdig, dass alle diese drei Zeugnisse sagten, dass es ihnen zuerst durch einen gewissen Antonius Margarita bekannt gemacht worden, einen Juden, der zum christlichen Glauben übergegangen, dass dieser Teil des Gebetes, contra idola Papatus, wider die papistischen Götzen verstanden worden, welches sie daher, als eine notwendige Folge, wider Christus auslegen; aber mit welchem Rechte, mag der uneingenommene und unparteiische Leser beurteilen.

3. Wenn dieses ist, wie kann man denken, dass sie (fern sei es von uns!) in ihrer Synagoge ihn mit verächtlichem Spotte nennen? Die jüdische Nation ist weise und verständig. So sagt der Herr, Deut. 4, 6: Die Völker sagen: Gewiss, dies ist ein weises und verständiges Volk. Wie kann man also glauben, dass sie in einem fremden Lande so unvernünftig sein werden, wenn ihre Religion nicht davon abhängt? In der Tat, es ist der Vorschrift, von der wir sprechen, gerade zuwider, irgendeinen Schein von Verachtung zu zeigen. Es ist nie so etwas (wie wohl bekannt ist), in Italien und Holland geschehen, wo gewöhnlich die Synagogen voller Christen sind, die mit großer Aufmerksamkeit alle ihre Handlungen und Bewegungen beobachten und erwägen, und sie würden gewiss große Gelegenheit zum Tadeln finden, wenn es sich so verhielte. Aber man hat nie gehört, dass ein Mensch uns, wo wir uns aufhalten und wohnen, dieses beschuldigt hat, welches ein hinreichend mächtiger Grund ist, uns freizusprechen. Ich setze daher voraus, dass ich Sie, was unsere Gebete betrifft, hinreichend überführt habe, wie wir in denselben nichts zur Absicht haben, als Gott zu loben, und geistigen und zeitlichen Segen von ihm zu erbitten, und durch unseren Dienst und unsere Verehrung die göttliche Güte, Schutz und Verteidigung zu erflehen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menasse ben Israels Rettung der Juden