Brief des Manasse ben Israel an einen hohen Gönner in England

Ich habe einen Brief von Ihnen empfangen, der mir sehr willkommen war; ich las ihn, da er von Ihnen war, mit vielem Vergnügen, so unangenehm mir auch, mit Ihrer Erlaubnis, dessen Inhalt ist. Ich versichere Ihnen, dass nie in meinem Leben Etwas eine tiefere Wirkung bei mir hinterlassen hat, als dieser Brief; denn er betrifft das Ansehen eines Volkes, das ich der mannigfaltigen, offenbaren und schändlichen Verleumdungen ungeachtet, für unschuldig zu erklären mich unterfange. Ich fürchte freilich mit meiner Widerlegung Manchen zu beleidigen, dessen Eifer nicht einmal die Betrachtung zulässt, „dass die bloß verteidigende Selbstwehr jedem Geschöpf natürlich ist; aber ganz schweigen hieße die fälschlichen Beschuldigungen eingestehen.“ Um mein eigenes Gewissen zu beruhigen, gehorche ich daher Ihrem Befehle, der am wenigsten von mir gering geachtet werden kann. Ich setze zum voraus, dass Sie keine weitläufige oder politische Untersuchung über einen so traurigen Gegenstand erwarten werden; wer kann in seinem Unglücke noch ehrbegierig sein? Ich habe bloß einige kurze, gedrungene Betrachtungen zusammengetragen, deren Auseinandersetzung zwar die Grenzen eines Briefes überschreitet, die aber doch Ihnen hinreichend sein können, die Regenten der englischen Nation in der aufrichtigen Wahrheit zu unterrichten, und welche Sie, wie ich zufolge Ihrer besondern edlen Weisheit und Frömmigkeit hoffe, gut aufnehmen werden. Denn da die Unschuld niemals gern etwas Böses von andern vermutet, so kann auch ich mich nicht bereden, dass je einer wider uns auf eine lieblose Weise gesprochen oder geschrieben haben sollte, bloß weil er mit besonderem Hass und Groll gegen uns eingenommen wäre, sondern vielmehr nur deshalb, weil er unsern Wohlstand seinem Interesse und Eigennutze für nachteilig hielt. Denn die Liebe fängt natürlich immer bei sich selbst an, aber dem ungeachtet werde ich die Sache von einer vorteilhaften Seite vorstellen (denn dies hat uns in andern Ländern willkommen gemacht), und ich hoffe deshalb in meinem Unternehmen zu bestehen. Ich habe indessen nur wenig Aufmunterung zur Erlangung einer andern Absicht, als diese, dass die Wahrheit von ihren Kindern gerechtfertigt werden möge. Ich will in meiner Antwort dem Vortrage Ihrer Herrlichkeit nach der Ordnung folgen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menasse ben Israels Rettung der Juden