Anklage, Wahrheit und Beweise

Zuerst also muss ich mit bittern Tränen und Beklemmung der Seele jene harte und schreckliche Anklage einiger Christen wider die zerstreuten, niedergebeugten, unter ihnen wohnenden Juden beweinen, dass sie (ich zittere, indem ich es niederschreibe!) bei der Feier ihres Osterfestes zur Gärung ihres Brotes sich des Blutes einiger Christen bedienen, die sie zu diesem Ende umgebracht haben, wenn, wie die traurige Erfahrung es in verschiedenen Plätzen gezeigt, die Verleumder selbst die abscheuliche, barbarische Tat begangen, oder, um glimpflicher zu sein, einen gefundenen toten Körper in die Häuser oder Bezirke der Juden geworfen, und dann mit einer zahmlosen Wut und Aufruhr die unschuldigen Juden als die Ausüber dieser gräulichen Handlung anklagen; eine Bosheit, die bisweilen, um Gelegenheit zu Grausamkeiten dadurch zu erlangen, bisweilen, um die bereits ausgeübten Hinrichtungen dadurch zu rechtfertigen und zu beschönigen, ausgeübt worden ist. Aber wie weit von der Wahrheit entfernt diese Anklage ist, mögen Sie aus folgenden Beweisen urteilen.

1. Es ist den Juden schlechterdings verboten, irgend eine Art Blut zu essen (Levit. 7, 26, und Deut. 12) wo es ausdrücklich heißt . . . und zufolge dieses Gesetzes essen die Juden das Blut keines Tieres. Noch mehr, sie werfen ein Ei als verboten weg, wenn sie einen Tropfen Blutes darin finden, und es muss sogar ein Stück Brot, auf das inwährend dem Kauen ein Blutstropfen aus dem Zahnfleische oder Gaumen fällt, vor dem Genusse gereinigt und abgewaschen werden. Ist dieses, wie kann man auf den Gedanken kommen, dass eben diese Juden Menschenblut essen sollen, welches noch weit abscheulicher ist? Kaum gibt es auf dem Erdboden ein barbarisches Volk, das einer solchen Bosheit fähig ist.


2. Das Gesetz in den zehn Geboten: Du sollst nicht töten, ist von allgemeinem Umfange; es ist ein moralisches Gesetz, so dass den Juden nicht nur verboten ist, jemanden von den Menschen, unter denen sie leben, zu töten, sondern sie sind sogar nach dem Gesetze verpflichtet, sie zu lieben. „Was die andern Völker betrifft,“ dies sind die eigenen Worte des Rabbi Moses aus Ägypten im zehnten Kapitel seines Jad hachsaka, ,,so ist uns von unsern Vorfahren befohlen, ihre Kranken zu besuchen, ihre Toten wie die unsrigen zu begraben, und ihren Notleidenden beizustehen und sie zu unterhalten, so wie die Armen aus Israel; denn Gott ist, wie es in den Psalmen 145, 9 heißt, allen gut, und seine Barmherzigkeit erstreckt sich über alle seine Werke.“ Und diesem zufolge bezeuge ich vor dem ewigen Gotte, dass ich in Amsterdam, wo ich wohne, beständig ein gutes Verhalten, mancherlei Wechsel von brüderlicher Zuneigung und unterschiedliche Handlungen von gegenseitiger Liebe zwischen beiden Nationen gesehen habe. Ich habe es dreimal gesehen, wie einige flamändische Christen in den Fluss Flemburg in unserm Viertel gefallen, und unsere Glaubensgenossen sich ihnen nachgestürzt, um ihnen herauszuhelfen und sie vom Tode zu retten. — Wahrlich, derjenige, der sich selbst so wagt, um einen andern zu retten, kann keine solche boshafte Grausamkeit in seiner Brust verbergen, einen Unschuldigen zu töten, den er nach den Pflichten der Menschheit zu verteidigen und zu beschützen verbunden ist!

3. Es ist im Exod. 21, 20 verboten, einen Fremden zu töten: Wer seinen Knecht oder Magd schlägt mit einem Stabe, dass er stirbt unter seinen Händen, der soll darum gestraft werden. Bleibt er aber einen oder zwei Tage, so soll er nicht darum gestraft werden, denn es ist sein Geld. Der Text spricht hier offenbar von einem heidnischen Knechte, denn von diesem allein kann, wie Aben Esra an der Stelle bemerkt, gesagt werden, dass er das Geld des Juden, seines Herrn, sei. Gott belegt diese Handlung mit der Todesstrafe des Herrn, wenn der Knecht ihm Unter der Hand stirbt, weil er alsdann eine mörderische Absicht bei derselben gehabt zu haben scheint; nicht so aber, wenn der Todesfall erst nachher erfolgt. Da kein Vorsatz zur Ermordung dabei erscheint, so ist er insofern frei, und durch den Verlust seines Geldes hinreichend bestraft. Kann nur ein Jude, nach dem Gesetze, nicht einmal einen Sklaven aus jener Nation töten, um wie weniger kann er berechtigt sein, jemanden zu töten, der nicht sein Feind ist, mit dem er in Ruhe und Frieden lebt? Und wie kann ein gutherziger Mensch glauben, dass ein Jude in einem fremden Lande, diesem heiligen Gesetze zuwider, sich einer solchen schändlichen Handlung schuldig machen wird?

4. Und selbst zugegeben, es wäre (welches Gott verhüte!) gesetzmäßig, warum sollte man das Blut noch essen? Und warum gerade an Ostern essen? Gerade an dem Feste, wo bei jeder Zubereitung die äußerste Reinlichkeit beobachtet werden muss, wo weder Sauerteig, noch sonst etwas, das eine Gärung verursacht, erlaubt ist, welches Blut doch gewisslich tut?

5. Wenn auch die Juden diese Handlung (welche man ohne schrecklichen Beinamen nicht nennen kann) für notwendig hielten, so würden sie sich doch wahrlich keiner so großen Gefahr, keiner so grausamen und wohlverdienten Bestrafung aussetzen, es sei denn, dass sie durch ein göttliches Gesetz oder durch Einführungen ihrer Weisen dazu verleitet werden. Nun fordern wir, wie es doch in einer Rechtssache billig ist, alle diejenigen, welche diese entsetzliche Meinung von Uns haben, auf, irgendeine Stelle in der Schrift oder bei den Rabbinen aufzuweisen, wo ein solches Gesetz, eine solche Lehre vorgetragen wird! Und bis sie dieses leisten, wird man uns die Freiheit erlauben, es für nichts Besseres als für boshafte Verleumdung zu halten.

6. Um das Leben zu retten, steht es uns frei, den Sabbath zu entheiligen, und, wie im Talmud bestimmt und vom Rabbi Moses zu Ägypten, im fünften Kapitel seiner Abhandlung von den Grundgesetzen, bestätigt wird noch eine Menge anderer Gesetze zu übertreten, bis auf folgende drei: Götzendienst, Mordtat und Ehebruch. Das Leben darf also um keinen so teueren Preis, als die Ausübung dieser abscheulichen Sünden, erkauft werden, sondern ein unschuldiger Tod ist ihr unendlich vorzuziehen. Wenn nun die Ermordung eines Christen, wie unsere Gegner behaupten (und von meinen Begriffen weit entfernt ist), eine göttliche Vorschrift, ein göttliches Gesetz wäre, so würde es doch Wahrlich aufgehoben und vernichtet werden müssen, indem es niemand vollführen kann, ohne sein Leben, und sogar das Leben einer ganzen Versammlung, eines ganzen Volkes in Gefahr zu setzen, da es überdem eine Verletzung eines der drei erwähnten Gesetze ist, indem die Vorschrift, du sollst nicht morden, wie wir bereits angeführt, sich allgemein auf alle Menschen erstreckt!

7. Der Ewige hat durch seinen Propheten Jeremias, Kap. 29, 7, den gefangenen, unter den Heiden zerstreuten Israeliten befehlen lassen, um den Frieden, die Wohlfahrt und die Glückseligkeit der Stadt, in der sie sich befinden, und ihrer Einwohner sich zu bekümmern, und deshalb zu beten. Dies haben die Juden auch überall getan, und tun es noch bis auf 'diesen Tag in allen ihren Synagogen, durch einen besondern Segen über den Fürsten oder die Obrigkeit, Unter deren Schutz sie leben. Dies kann der verehrungswürdige Lord St. John bezeugen; da er als Gesandter bei den Herren General-Staaten der vereinigten Provinzen unsere Synagoge zu Amsterdam mit seiner Gegenwart beehrte, wurde er von unsrer Nation mit Musik und allen Ausdrücken der Freude und des Zujauchzens unterhalten, unter welchen der Segen nicht nur über den verehrungswürdigen Gegenwärtigen, sondern über das ganze gemeine Wesen von England gesprochen wurde, als einen Staat, der mit uns in Verbindung und Freundschaft lebt, und dessen Volk uns Hoffnung zu gleicher Liebe und Zuneigung gegen uns gibt, als wir beständig gegen dasselbe hegten. — Sind wir also gehalten, um auf unsern Vorwurf zurückzukommen, uns des guten und blühenden Zustandes der Stadt, in der wir leben, so anzunehmen, und das Wohl der Einwohner mit so vieler Teilnehmung zu beherzigen und durch unsern Beitrag zu befördern: wie werden wir denn ihre Kinder ermorden? Sie des größten Gutes, des blühendsten Segens, welchen das Leben ihnen verleiht, berauben?

8. Barmherzigkeit und Mitleiden ist den Israeliten natürlich. Dieses haben sogar ihre Feinde erkannt. Als der assyrische König Benhadad, I. Kön. 20, 31, überwunden in einer Schlacht davon floh, überreichte er seinem Sieger, dem König Ahab, eine Bittschrift für sein Leben; denn er hätte vernommen, dass die Könige des Hauses Israel barmherzige Könige wären. Und die Erfahrung hat es ihm bestätigt, indem er auf eine geringe Höflichkeitsbezeigung sein Leben und seine Güter zurück erhielt, deren ihn das Kriegsglück beraubt hatte. Und als die Gibeoniten [Koalition kanaanitischer Städte gegen die Israeliten] das grausame Verlangen gegen David äußerten, dass sieben Söhne Sauls, welche schuldig waren, ihnen ausgeliefert werden möchten, so sagte der Prophet: Die Gibeoniten aber waren nicht von den Kindern Israel, 2. Sam. 21, 2, gleichsam als wolle er hiermit sagen: In dieser Grausamkeit zeigt sich nicht die Frömmigkeit der Israeliten, sondern die Tyrannei und die unversöhnliche Wut der Heiden, der Gibeoniten. Ist nun dieses, wie denn auch die Erfahrung es überall durch die Treue, welche unsere Nation gegen ihren Obern unverletzlich beobachtet hat, bestätigt, wie wenig übereinstimmend und entsprechend mit diesem ist nicht die Ermordung der Kinder?

9. Es gibt einige Christen, welche die Juden als Christenmörder beschimpfen, indem sie ihnen eine Ursache dieser ihrer vorgeblichen mörderischen Handlung andichten, gleichsam als wenn eine Anklage deshalb ganz untrüglich wahr wäre, weil irgendein Scheingrund ausfindig gemacht werden kann, warum es sich so verhalten möchte! So sagen sie, es geschehe aus Hass und Abscheu gegen Jesum den Nazarener; deshalb stehlen sie christliche Kinder und schlügen sie auf dieselbe Weise, wie dieser geschlagen worden, um das Andenken an dessen Tod aufzufrischen und lebhaft zu machen. Auf gleiche Weise bilden sie sich ein, dass die Juden die Kreuze, Kruzifixe oder ähnliche gegrabene Bilder, welche die Papisten geheim und sorgfältig in ihren Häusern bewahren, heimlich entwendeten, alle Tage tüchtig peitschten, schlügen, schändlich anspieen, und was der ähnlichen verächtlichen Zeremonien mehr sind, dabei verrichteten, und dies alles aus Hass gegen Jesum. Aber ich begreife es nicht, was sie in der Tat dabei denken, wenn sie uns dergleichen Dinge vorwerfen und zur Last legen; denn, wahrlich, wir können nicht glauben, dass ein Volk von vorzüglicher Vernunft und Urteilskraft sich in der Tat von der Meinung sollte bereden lassen, dass die Juden solche Handlungen verüben, wenn sie nicht vermuteten, dass solches aus Ehrfurcht und Gehorsam gegen den Gott, den sie verehren, geschehe. Und welche Art von Gehorsam könnten sie wohl dem Ewigen dadurch leisten, dass sie seinem ausdrücklichen Befehle, du sollst nicht morden, gerade entgegenhandelten? Dazu kömmt, dass diese Handlungen nicht unternommen werden können, ohne äußerste und offenbare Gefahr des Lebens und der Güter, und ohne sich notwendigerweise einer gerechten Rache auszusetzen. Außerdem ist es sogar unter dem Banne den Juden verboten, irgendein gegrabenes Bild oder sonst etwas von einem Götzen im Haus zu haben, das von irgendeinem Volke bildlich verehrt wird. (Deut. 7, 26.)

10. Matthäus Parisiensis meldet, Seite 532, dass im Jahre 1240 die Juden ein Christenkind zu Norwich beschnitten, ihm den Namen Jurnim gaben, und es zur Kreuzigung aufbewahrten, weshalb auch viele derselben grausam hingerichtet worden sind. Die Falschheit dieser Geschichte erhellt aus Betrachtung der Umstände. Das Kind wurde erst beschnitten, und dadurch vollkommen zum Juden gemacht; ein Beweis von großer Liebe und Zuneigung von Seiten des Juden gegen den Christen, den er in seine Arme nimmt und in seinem Schöße ernährt. Aber zu welchem Ende würde man das Kind erst beschnitten haben, wenn man zur Absicht gehabt hätte, es bald nachher zu kreuzigen? Wenn aus Hass gegen die Christen die ganze Handlung geschieht, so scheint doch im Gegenteil, dass sie die Juden vielmehr an dem eigentlichen Gegenstande ihres Abscheues, als an einem neulichen Proseliten, der eben ihren Glauben angenommen, verüben werden. — Wahrlich, diese Posse (die nach der Erzählung in den papistischen Zeiten geschehen sein soll) sieht jenen wahren Auftritten katholischer Frömmigkeit der Spanier, welche die armen Indianer erst tauften, und hernach aus einem grausamen Mitleiden mit ihrer Seele unmenschlich schlachteten, weit ähnlicher, als den, ihre Gesetze streng beobachtenden Juden, die mit keinem Siegel ihres heiligen Gesetzes ein Spiel treiben dürfen.

11. Es ist besser, sagten unsere Vorfahren, unter Edom, als unter Ismael zu wohnen, und so ist, wie die Erfahrung unsere Nation gelehrt, unsere Gefangenschaft unter den Mahomedanern weit lästiger und unerträglicher, als unter den Christen, welche ein gesitteteres, vernünftigeres und besser poliziertes Volk sind. Denn außer der höhern und edlern Art Juden, welche am Hofe zu Konstantinopel leben, wird der große Haufe derselben, welcher in andern Ländern der mahomedanischen Reiche in Asien und Afrika zerstreut ist, im höchsten Grade schimpflich und verächtlich behandelt. Daraus folgt, dass, wenn das Opfern der Kinder eine Wirkung des Hasses wäre, es an den Mahomedanern, welche die Juden im solchem Elend und Drucke halten, weit mehr verübt werden müsste. Wäre es notwendig bei der Feier des Osterfestes, warum töten sie nicht gleichergestalt einen Mahomedaner? Aber obschon die Juden in allen diesen weitläufigen Gebieten zerstreut und verteilt sind, so haben die Mohamedaner, aller ihrer Verachtung gegen uns ungeachtet, dennoch nie bis auf diesen Tag eine solche schändliche Beschuldigung uns angedichtet. Es scheint daher offenbar, dass sie eine bloße Verleumdung sei, und zwar, wenn man bedenkt, wie die Szene angelegt ist, eine solche, von der man nicht bestimmen kann, ob sie mehr aus Bosheit, oder aus Torheit ausgeheckt hervorgebracht wird; in der Tat machte sich Sultan Selim nicht wenig lustig darüber, als ihm dieses Geschichtchen von seinem Leibarzte Moses Amon erzählt wurde!

12. Wenn alles bisher Gesagte noch nicht hinreicht, diese Beschuldigung zu vereiteln, so bin ich, da die Sache von unsrer Seite bloß verneinend, und also keiner Aufklärung durch Zeugen fähig ist, gezwungen, mich einer andern Art Beweises zu bedienen, den der Ewige vorgeschrieben, (Exod. 22), eines Eides. Ich schwöre daher, ohne allen Betrug oder List, bei dem höchsten Gotte, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, welcher sein Gesetz dem Volke Israel auf dem Berge Sinai offenbart hat, dass ich nie bis auf diesen Tag einen solchen Gebrauch unter dem Volke Israel gesehen, dass es nie so etwas für eine gesetzmäßige, göttliche Vorschrift, noch für eine Verordnung oder Stiftung seiner Weisen halte, und dass es nie (soviel ich weiß, auf eine glaubwürdige Art gehört, oder in einem jüdischen Schriftsteller gelesen habe) eine solche Ruchlosigkeit ausgeübt oder versucht! Und wenn ich hierin lüge, so mögen alle in den Büchern des Gesetzes (Levit. und Deut., 4. und 5. B. Mos.) erwähnten Flüche über mich kommen, ich mag nie den Segen und den Trost Zions sehen, noch an der Auferstehung der Toten Anteil nehmen! — Ich hoffe, dass ich dadurch bewiesen, was ich zur Absicht hatte, und gewiss wird dieses allen Freunden der Wahrheit und allen aufrichtigen Christen hinreichend sein, dem was ich hier vorgebracht, Glauben beizumessen. Und in der Tat sind diejenigen unserer Gegner, welche etwas gelehrter, und folglich etwas gesitteter, als der gemeine Haufe waren, bei dieser Beschuldigung still gestanden. John Hoornbeeck, welcher in dem Buche, das er neulich wider unsere Nation schrieb, alles, Recht oder Unrecht, was er nur auf eine Weise zu unserem Nachteile zusammenscharren konnte, uns vorwirft, schämte sich demohngeachtet, diese uns zur Last zu legen. ,,An autem verum sit“, sagt er in seinem Prolegomenon, S. 26, ,,quod vulgo in historiis legatur' usw., d. i. ob es wahr ist, was gemeiniglich in den Geschichten, um den Hass der Juden wider die Christen, oder vielmehr den Hass der Christen wider die Juden zu verstärken, angeführt wird, dass sie jährlich bei der Zubereitung des Osterfestes, aus Beschimpfung und Verachtung gegen Christus, dessen Leiden und Kreuzigung die Christen feiern, ein christliches Kind heimlich stehlen, und auf eine grausame Weise opfern, dafür mag ich nicht stehen, — indem er wohl wusste, wie leicht zu den Zeiten, in welchen diese Dinge sich zugetragen haben sollen (besonders nach der Einführung der Inquisition im Papsttume), das Erdichten und Ersinnen war, und wie gar sehr die Geschichten dieses Zeitalters nach den Gesinnungen der Verfasser erdichtet und vorgestellt wurden. In der Tat habe ich nie gesehen, dass jemals eine sichere Erfahrung zum Beweise dieser Beschuldigung wäre angeführt worden. Alle diese Erzählungen gründen sich auf ungewisse Nachrichten des Pöbels, oder auf eine geheime Anklage der Inquisitionsmönche, des Geizes der Ankläger nicht zu erwähnen, welche durstig nach dem Vermögen der Juden, eine solche Bosheit leicht erdichteten. Denn in dem ersten Buche der sizilianischen Konstitutionen, Tit. 7, lesen wir vom Kaiser Friedrich: Si vero Judaeus vel Saracenus sit, in quibus prout certo perpendimus Christianorum persecutio nimis abundat, ad presens etc., d. i. wenn es aber ein Jude oder ein Sarazene ist, wider welche, wie wir in Erwägung gezogen, die Verfolgung der Christen zu heftig sein könnte usw., so bestraft er die Gewalttätigkeit gewisser Christen gegen die Juden. Wenn es sich aber auch vielleicht einmal ereignet hat, dass ein Jude einen Christen ermordete, so müssen wir deshalb nicht sagen, dass sie in allen Orten, wo sie wohnen, jährlich ein Christenkind ermorden; und was das betrifft, was Thomas Cantibratensis (Lib. 2, Kap. 23) behauptet, es sei nämlich zuverlässig bekannt, dass die Juden in jeder Provinz das Los werfen, welcher Ort, oder welche Stadt die übrigen Städte mit Christenblut versehen soll, so kann ich diesem nicht mehr Glauben beimessen, als seinen übrigen Erdichtungen und Lügen, womit er sein Buch angestopft hat. — So weit John Hoornbeeck.

13. Alles dieses ohngeachtet, fehlt es nicht an einigen Geschichten, welche diese oder ähnliche Lästerungen wider ein niedergeschlagenes Volk beweisen sollen, aus welcher Ursache Gott sagt, Zach. 2, 8: Wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an. Ich will einiger Begebenheiten, die zu meiner Zeit sich ereignet haben, flüchtig erwähnen, davon ich zwar kein Augenzeuge gewesen, die aber allgemein erzählt, und ohne den mindesten Widerspruch geglaubt wurden. In meiner Fortsetzung des Josephus Flavius habe ich treulich Beides, die Namen der Personen, der Örter und der Zeit, wo und wann sie sich zugetragen, aufgezeichnet, und werde daher hier bei der Erzählung minder sorgfältig sein.

In Wien, der Hauptstadt von Österreich, war unter dem Kaiser Friedrich, bei der Kälte dieser Gegend, ein Teich zugefroren, in welchen drei Leichname (wie nur zu oft dieses geschieht) geworfen wurden. Bei Vermissung derselben fiel die Beschuldigung auf die Juden, welche auf der Stelle angeklagt wurden, dass sie dieselben zur Feier ihres Osterfestes ermordet hätten. Sie wurden in Kerker geworfen, und nach unendlichen vergeblichen Bitten und Vorstellungen dreihundert derselben verbrannt. Als der Teich auftaute, fand man diese drei Körper, die Unschuld kam an den Tag, aber zu spät, nachdem die Grausamkeit verübt war.

Ungefähr vor dreißig Jahren war zu Arguza ein Christenweib, in deren Haus ein kleines Mädchen (von elf Jahren, die Tochter eines benachbarten Edelmannes), reich mit Juwelen geschmückt, kam. Das elende Weib wusste keinen sichern Weg, es zu berauben, als durch dessen Ermordung, schnitt ihm die Brust auf und warf es unter ihr Bett. Das Mädchen wurde bald vermisst, und bei der Erkundigung erfuhr man, dass man es in dieses Haus habe hineingehen sehen. Der Magistrat hielt Nachsuchung, und man fand es tot.

Die Frau gestand die Tat, und gleichsam als wenn sie ihr eigenes Verbrechen dadurch aufhöbe, wenn sie einen Juden, so unschuldig er auch sei, unglücklich machte, so sagte sie, sie hätte es auf Anraten und Zureden eines gewissen Isaak Jeschurun getan, weil dieser Jude zur Feier des Osterfestes Blut nötig hatte. Sie wurde gehangen, der Jude ergriffen, und mit Anwendung alles Witzes zur Erfindung unerhörter und unerträglicher Marter, die einen Perillus zum Erbarmen und Mitleiden hätten bringen können, sechsmal grausam gefoltert. Gleichwohl bestand er auf der Falschheit der Anklage und behauptete, dass diese Bosheit, die er nie verübt, noch je sich habe träumen lassen, auf eine schändliche Weise ihm zugeschrieben werde. Demohngeachtet wurde er zu einer zwanzigjährigen Gefangenschaft verdammt (in welcher er aber nur drei Jahr blieb), wo er in einer dazu aufgeführten viereckigen Mauer nackt angeschlossen, durch ein Loch mit Brot und Wasser kümmerlich gefüttert werden sollte, damit er in seinem eigenen Unräte umkommen möchte. (Dieses Mannes Bruder, Joseph Jeschurun, lebt noch jetzt in Hamburg.) Der Elende rief Gott an, flehte zu ihm, ein Zeugnis seiner Unschuld durch ein Zeichen an den Tag zu legen, und die Richter, die mit so wenig Erbarmen, als Gerechtigkeit, ihn so grausam und unmenschlich plagten, vor seinen göttlichen Richterstuhl zu fordern, und der Ewige war ein gerechter Richter, denn der Fürst starb plötzlich bei einem Schmause, den nächsten Sonntag, nachdem er den Urteilsspruch gegeben, und eben so fielen während der Zeit seiner Gefangenschaft die erwähnten Richter nach und nach hin, und starben. Dies wurde weislich von den wenigen übrigen bemerkt, und für eine besondere göttliche Vorsicht gehalten; sie entschlossen sich daher, um sich selbst zu retten, ihn in Freiheit zu setzen. Dieser Mann kam wohlbehalten heraus, reiste durch ganz Italien, wo er zur Verwunderung aller, die von seinen Leiden wussten, gesehen wurde, und starb einige Jahre nachher zu Jerusalem.

14. Die berühmte Glaubenshandlung (Auto-da-fe), welche gewöhnlich zu Toledo gehalten wird, wurde im Jahre 1632, in Gegenwart des Königs von Spanien, in Madrid gefeiert, wo die Inquisitoren dem Könige und der Königin einen Eid abnahmen, dass sie den katholischen Glauben in ihrem Reiche beschützen und aufrecht halten wollen. In der Nachricht von dieser Glaubenshandlung findet man aufgezeichnet, wie eine Familie aus unserer Nation verbrannt worden, nachdem sie auf der Folter die Anklage einer Dienstmagd eingestanden, welche (aufgebracht durch einige Beleidigungen) vorgab, sie hätten ein Bild geschlagen und gegeißelt, und dieses habe unter den Streichen einen großen Teil Blut von sich gelassen, und mit heftiger Stimme geschrieen: „Warum geißelt ihr mich so grausam?“ Der ganze Adel merkte wohl, dass alles falsch sei, aber von Dingen der Inquisition darf niemand reden.

15. Im Jahre 1631 ereignete sich zu Lissabon folgende wahre Geschichte. Eine gewisse Kirche vermisste in einer Nacht eine silberne Büchse, in welcher die papistische Hostie befindlich war. Ein junger, ziemlich vornehmer Knabe unserer Nation, mit Namen Simao Pires Solis, war dieselbe Nacht in der Nachbarschaft vorbeigegangen, um eine Dame zu besuchen; bloß auf diese Anzeige hin wurde er ergriffen, ins Gefängnis geworfen und erschrecklich gemartert. Sie schnitten ihm die Hände ab und verbrannten ihn, nachdem sie ihn durch die Straßen geschleift hatten. Ein Jahr nachher bekannte ein Dieb, Unter dem Galgen, dass er die Schachtel mit der Hostie geraubt hätte, und nicht jener arme Unschuldige, den sie verbrannt hätten. Der Bruder dieses jungen Mannes war ein Mönch, ein großer Gottesgelehrter und Prediger; jetzt lebt er als Jude in Amsterdam und nennt sich Eliasar des Solis.

16. Es möchten vielleicht einige sagen, die Leute wären nicht zu tadeln, die den Juden etwas aufbürden, das sie selbst mit eigenem Munde bekannten; aber wahrlich, diese müssen die Marter und Qualen, die so sprechen machen, wenig kennen. Der Arzt eines portugiesischen Grafen wurde eingezogen, weil man ihn für einen Juden hielt. Der Graf ersuchte einen von den Inquisitoren schriftlich, er möchte seine Loslassung besorgen, weil er gewiss wüsste, dass der Arzt ein wahrer, aufrichtiger Christ sei; aber dieser konnte die ihm angetane Folter nicht aushalten, gestand selbst, dass er ein Jude sei, und ward ein Büßender. Der Graf, sehr aufgebracht darüber, stellte sich krank, und ließ durch einen seiner Bedienten den Inquisitor bitten, dass er zu ihm kommen und ihn besuchen möchte. Als er kam, befahl er ihm, zu gestehen, dass er ein Jude sei, ferner, dass er dieses mit eigener Hand niederschreibe, und als er sich dessen weigerte, befahl der Graf einigen seiner Bedienten, ihm einen glühenden Helm (womit er sich zu dieser Absicht bereits versehen hatte) auf den Kopf zu setzen. Dieser, unfähig die gedachte Folter auszuhalten, nahm ihn auf die Seite, gestand ihm, und schrieb es mit seiner eigenen Hand, dass er ein Jude sei. Der Graf nahm darauf Gelegenheit, ihm seine Ungerechtigkeit, Grausamkeit und Unmenschlichkeit zu verweisen; auf gleiche Weise, sagte er, als Ihr bekennet, tat es auch mein Arzt, ungerechnet, dass Ihr gegenwärtig schon ohne das Feuer, ohne Gefühl der Marter, mehr bekannt habt. Dass durch ähnliche Instrumente der Grausamkeit zärtlich erzogene Kinder, oder sonst Personen, die weichlich gelebt haben, zum Geständnisse gezwungen werden können, dass sie ein Bild gegeißelt oder ähnlicher sträflichen Misshandlungen sich schuldig gemacht haben, beweiset die tägliche Erfahrung. Es war aus dieser Ursache bei dem israelitischen Senate nie die Folter gebräuchlich; sondern konnte bloß durch das Zeugnis zweier Zeugen überführt werden.

17. Andere führen vielleicht an, diese Geschichten mögen wohl richtig sein, aber sie sind nicht geheiligt oder canonisch. Ich antworte: Liebe und Hass, sagt Plutarch, verdirbt die Wahrheit jedes Dinges, wie die Erfahrung hinreichend zeigt, wenn wir die Sachen, die geschehen, betrachten, wie eine und dieselbe, in einer und derselben Stadt, zu einer und derselben Zeit, auf verschiedene Weise erzählt wird. Ich selbst habe es in meinen eigenen Geschäften so gefunden. Es ging z. B. allgemein die Rede, dass Unsere Nation die St. Paulskirche gekauft habe, um sie zu ihrer Synagoge zu machen, ungeachtet sie vorher ein der Diana geheiligter Tempel war. So sind noch mancherlei andere Dinge von uns erzählt worden, die unserer Nation nie in den Sinn gekommen. So habe ich eine fabelhafte Erzählung von dem Verfahren eines großen Konziliums von Juden gesehen, die sich auf der Ebene von Nagy-Ida in Ungarn versammelt haben sollten, um zu bestimmen, ob der Messias gekommen oder nicht.

18. Da es klar ist, dass den Juden der Genuss jeder Art Blutes unerlaubt, das Ermorden eines Menschen geradezu durch unser Gesetz verboten sei, und dass die vorher angeführten Gründe dem Verstände eines jeden fasslich und einleuchtend sein müssen, so weiß ich, es wird vielen, besonders den Frommen und Freunden der Wahrheit, an der Untersuchung liegen, wie diese Verleumdung entstanden, woher ihr erster Ursprung abzuleiten sei? Ich möchte antworten, dass diese Bosheit aus verschiedenen Ursachen ihnen zur Last gelegt wird.

Erstlich, sagt uns Rufinus, der vertraute Freund des heiligen Hieronymus, in seiner Übersetzung des zweiten Buches des Werkes des Josephus, das er wider Apion, den Grammatiker, schrieb (der griechische Text fehlt hier), wie Apion, dem Antiochus zu Gefallen, diese Verleumdung ersonnen, um dessen Gottlosigkeit zu entschuldigen, und dessen treulose Behandlung der Juden, da er durch ihr Vermögen seinen Mangel ersetzte, zu rechtfertigen. Propheta vero aliorum est Apion usw. Apion ist ein Prophet worden, und sagte, dass Antiochus im Tempel ein Bett fand, auf welchem ein Mann gelegen, einen Tisch, mit allen Leckerbissen der See und des Landes und Flügelwerken besetzt, vor sich habend, der, über den Eintritt des Königs erstaunt, ihm zu Füßen gefallen und ihn als seinen Retter verehrt habe, als käme er, ihm zu helfen, und ihm beizustehen; er streckte seine rechte Hand aus und bat um Freiheit. Als der König ihm befahl, sich niederzusetzen und zu erklären, wer er wäre, warum er hier wohne, und was die Ursache dieses seines reichhaltigen Vorrates sei, so klagte der Mann jämmerlich mit Seufzern und Tränen über seine Not, und sagte ihm, er sei ein Grieche, und als er außer der Provinz reiste, um sich seinen Unterhalt zu verschaffen, so sei er plötzlich ergriffen, von einigen fremden Männern gefangen und in den Tempel gebracht worden, wo er eingeschlossen worden, von niemanden gesehen zu werden, aber mit allen Arten von Leckereien gefüttert werde. Diese unerwarteten Wohltaten verursachten ihm erst Freude, dann Verdacht, nachher Erstaunen, und endlich zuletzt merkte er aus den Ratschlägen des Priesters, der zu ihm kam, dass die Juden jährlich zu einer gewissen bestimmten Zeit, zufolge ihres geheimen Gesetzes, einen fremden Griechen fangen, und nachdem sie ihn während eines ganzen Jahres köstlich gefüttert haben, in einen gewissen Wald bringen und töten. Alsdann opfern sie, ihren feierlichen Gebräuchen und Zeremonien gemäß, seinen Körper, ein jeder schmeckt seine Eingeweide, und während der Opferung dieses Griechen, legen sie einen feierlichen Eid ab, dass sie den Griechen einen unsterblichen Hass und Groll nachtragen wollen. Die Reste dieses umgebrachten Mannes werfen sie alsdann in eine gewisse Grube. Nach diesem lässt Apion diesen Mann sagen, dass ihm nur noch wenige Tage bis zu dieser Hinrichtung übrig seien, und den König bitten, dass er, der die griechischen Götter verehre und fürchte, das Blut seiner Untertanen an den Juden rächen, und ihn von dem nahen Tode befreien möchte. Diese Fabel (sagt Josephus) ist so voll von gräulicher Unverschämtheit, als von traurigen Auftritten. Ich wünschte, dass Sie vielmehr die Widerlegung dieser Verleumdung hier lesen, als dass ich sie an deren Stelle hinschreibe. Sie finden sie in der Genfer Ausgabe des Josephus S.,1066.

Zweitens, diese berüchtigte Anklage und schreckliche Bosheit vom Ermorden der Kinder und dem Essen ihres Blutes ist schon von alters her den Christen von den Heiden zur Last gelegt worden, um sie verhasst zu machen, und das gemeine Volk wider sie aufzubringen, wie aus dem Tertullian in seiner Apologia contra gentes, Justin (Martyr) in der Apologia ad Anton. 2, Eusebius Cäsarensis, 1.5. Kap. 1. u. 4., Pineda in seiner Monarchia ecclesiastica 1. 11., Kap. 52, und aus verschiedenen andern hinreichend zu ersehen ist, und eben diese Grausamkeit wird jetzt von ihnen aus demselben Grunde den Juden Schuld gegeben, da sie sich der ihnen gemachten gleichen Beschuldigung kaum mehr erinnern. Aus derselben Absicht und auf gleiche Weise, wie sie die Sache als eine fälschliche Anklage leugneten, leugnen auch wir sie, und ich möchte sagen, vielleicht noch mit etwas mehrerem Grunde, indem wir keine Art von Blut genießen dürfen, wozu die Christen sich nicht verpflichtet halten.

Nun war die Ursache dieser Verleumdung überall eine Niederträchtigkeit einiger, welche aus Verlangen nach ihrem Hab und Gut und nach dem Besitze ihrer Reichtümer, diese ungeheure Beschuldigung erdichtet und eingeführt, um unter dem besonderen Verwände, ihr eigenes Blut zu rächen, ihrer Bosheit einen Anstrich zu geben. Und ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit, dass, als ich einst einem Rabbi (der aus Polen nach Amsterdam kam) wegen der übermäßigen Zinsen, welche sie in Deutschland und Polen von den Christen fordern, Vorwürfe machte, und ihm sagte, wie mäßig sie in Holland und Italien wären, so antwortete er, wir sind gezwungen, es so zu machen, indem sie so oft falsches Zeugnis wider uns aufstellen, und auf einmal mehr von uns heben, als wir in vielen Jahren von ihnen zu gewinnen imstande sind; und so ist es, wie die Erfahrung zeigt, mit unserem armen Volke, unter diesem Vorwand und Anstrich, gewöhnlich gegangen.

19. Und dies war der Fall öfter; die Leute beleidigten die Juden, um ihre eigene Bosheit zu entschuldigen, wie z. B. der Vorfall zu der Zeit eines gewissen Königs von Portugal war. Der Ewige beraubte ihn eine Nacht des Schlafes (so wie den König Ahasverus) und er ging auf einen Altan des Palastes, von welchem er die ganze Stadt übersehen konnte; von da bemerkte er (der Mond schien helle) zwei Menschen, welche einen toten Körper trugen, und ihn in den Hof eines Juden warfen. Sogleich fertigte er ein paar Bediente ab, mit dem Befehle, mit einer scheinbaren Nachlässigkeit diesen Leuten nachzuspüren, zu folgen und sich ihre Wohnung zu bemerken, welches sie ausrichteten. Den nächsten Tag entstand ein Aufruhr und Tumult in der Stadt, man klagte die Juden als Mörder an. Darauf ließ der König die Schelme ergreifen und sie gestanden die Wahrheit, und als er in Erwägung zog, dass dies Geschäft durch eine besondere göttliche Vorsicht geleitet wurde, so berief er einige weise Männer der Juden, und fragte sie, wie sie den vierten Vers des hundertundeinundzwanzigsten Psalm verdolmetschen? Und sie antworteten: Siehe, der Hüter Israel schläft noch schlummert nicht. ,,Unrichtig,“ erwiderte der König; „denn wenn er nicht schlummert, um wie viel weniger wird er schlafen? Die wahre Verdolmetschung ist diese: Siehe, der Herr schlummert nicht, und lässt den nicht schlafen, der Israel hütet. Gott, der auf euch acht hat, hat mir meinen Schlaf genommen, damit ich ein Augenzeuge derjenigen Bosheit sein möge, welche diesen Tag euch zur Last gelegt worden.“ Diese und viele ähnliche Begebenheiten kann man in dem Buche Schebet Jehuda lesen, wie oft, wenn unsere Nation, solcher erdichteter Verleumdung halber, am Rande des Unterganges war, die Wahrheit sich von selbst zu ihrer Errettung entdeckt hat.

20. Über diesen Blutgegenstand ist schon vormals vor einem von den Päpsten von einem völligen Konzilium gehandelt, gestritten und endlich entschieden worden, dass es nichts als eine bloße Verleumdung sei. Er gab auch darauf den Juden die Freiheit in seinen Ländern zu wohnen, und machte, dass die italienischen Fürsten ein gleiches taten, sowie auch Alfonso der Weise, König von Spanien. Und gesetzt auch, dass irgendeiner eine solche Tat begangen, wie ich nie von einem Juden glaube, so wäre es doch eine große Grausamkeit, wegen eines einzigen Mannes Bosheit eine ganze Nation zu bestrafen!

21. Doch wozu mehr Worte über diese Sache, da es so offenbar ist, dass über uns kömmt, was von allen Propheten vorausgesagt ist? Moses Deut. 28, 61 : Dazu alle Krankheit und alle Plage, die nicht geschrieben sind in dem Buche dieses Gesetzes, wird der Herr über dich kommen lassen usw., darum dass du nicht gehorcht hast der Stimme des Herrn deines Gottes. David führt im vierundvierzigsten Psalm eine traurige Klage über die Übel und die schändliche Schmach, von welchen wir in dieser Gefangenschaft umgeben sind, als wenn wir der Mittelpunkt dieses Elends wären; denn wir werden ja, sagt er, um deinetwillen täglich erwürgt und sind geachtet wie Schlachtschafe. Ebenso spricht er im vierundsiebzigsten Psalm und in mehreren.

Ezechiel erwähnt dieser Verleumdung ausdrücklicher. Der ewig gelobte Gott verspricht Kap. 36, 13, dass eine Zeit kommen wird, wo sie des Verschlingens der Menschen oder des Essens des. Menschenblutes nicht mehr werden beschuldigt werden, zufolge der wahren und reinen Auslegung des gelehrten Don Isaak Abarbanels. Der gelobte Gott wird nach der Größe seiner Erbarmung mit seinem Volke Mitleiden haben, und alle Beschuldigungen Israels von der Erde wegnehmen, dass sie nicht mehr gehört werden mögen, wie durch Isaiah prophezeiet worden. Und dies mag von diesem Punkte genug sein!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menasse ben Israels Rettung der Juden