Von Reval nach Moskau

Mein Dienst war nicht schwer; jeden Auftrag, den mir der Admiral gab, vollführte ich nach Kräften, mit dem ganzen Eifer der jungen Jahre. Da ich auf den Kredit meines Vorgesetzten hin in den besten Hauseen Revals Zutritt hatte, so vertanzte ich die übrige Zeit, verliebte mich und hatte mir im allgemeinen „il dolce far niente“ zur Devise gemacht. Das Kartenspiel war damals nicht so stark verbreitet, wie heutzutage. Es schickte sich nur für alte Herren, ältere Damen und Männer der höheren Rangstufen, für einen Offizier war es ebenso verpönt, wie der Besuch nicht aristokratischer Gesellschaft und unmäßiges Zechen im Freundeskreise. Sowohl das eine wie das andre verschloß ihm den Zutritt zu der besten Gesellschaft. Aber das Leben in einem ausgedehnten Bekanntenkreise erforderte große Ausgaben; ich geriet in Schulden. Als der Admiral davon hörte, ließ er mich zu sich rufen: „Borgen und seine Schuld nicht bezahlen, ist ein verfeinerter Diebstahl,“ sagte er, „reisen Sie nach Moskau zu Ihrer Frau Mutter, legen Sie ein Geständnis ab und bitten Sie um Gnade.“ In jener Zeit war es nicht schwer, Urlaub zu erhalten, es hing einzig und allein vom Vorgesetzten ab. Ich erhielt einen Reisepass als Kurier. Der Admiral versah mich mit Briefen an seine Mutter, seinen Onkel, seine Brüder, und ich beeilte mich, über Pskow zum Besuch meiner Heimatstadt aufzubrechen, welche ich noch so gut wie gar nicht kannte. Die Vorbereitungen zur Reise beanspruchen bei einem unbemittelten Offizier nicht viel Mühe: ein Koffer, etwa anderthalb Arschin [eine Elle, ca. 35 cm lang] lang und ein Arschin breit, Wäsche, ein Hut in einer Schachtel aus Baumrinde waren die Hauptgegenstände meines Gepäckes, ein alter Uniformrock auf dem Leibe, ein weniger gebrauchter im Koffer, der Degen an der Seite und ein Schafspelz mit dickem Tuchüberzug beschwerten nicht den Postschlitten und waren keine große Last für die Pferde. Da aber die Reise ziemlich langweilig und einförmig war und sich auf derselben nichts Bemerkenswertes ereignete, so übergehe ich sie und komme auf die nächstfolgenden Ereignisse zu sprechen.