Paul I.

Die Regierungszeit Kaiser Pauls I. war zu kurz, um etwas Wichtiges auf staatlichem und politischem Gebiet zu leisten; ihre Bedeutung liegt darin, daß sie der ganzen bisherigen Phantasmagorienwelt die Maske von der Stirn riß, neue Ideen und Begriffe zur Geltung brachte.

Der junge Pole Jljinski, der unter dem Großfürsten Paul Petrowitsch gedient hatte, war der erste, welcher sich eiligst nach Gatschina aufmachte, um seinem Wohltäter das nahe bevorstehende Ableben der Kaiserin zu melden. Aber schon hatte Graf N. A. Zubow sich zu Pferde mit einer formellen Meldung auf den Weg gemacht und langte noch vor Jljinski an. Der Graf war vom Fürsten P. A. Zubow und andern namhaften Persönlichkeiten abgesandt worden, aber die Anregung dazu war vom Grafen A. G. Orlow ausgegangen. Es scheint also danach angenommen werden zu müssen, daß man in diesem kritischen Augenblick eine Art Staatsrat einberufen hatte. An dem Tage, wo Katharina den Schlaganfall hatte, speiste der Großfürst mit seiner Familie in der Gatschinaschen Mühle. Vor dem Diner erzählte er der bei ihm versammelten Gesellschaft, unter andern waren Pleschtschejew, Kuschelew, Graf Bibikow anwesend, einen Traum, den er in der letzten Nacht gehabt hatte. Er habe das Gefühl gehabt, von einer unsichtbaren Kraft emporgehoben zu werden; trotzdem, daß er öfters erwacht und wieder eingeschlafen wäre, hätte derselbe Traum sich mehreremal wiederholt. Zu seinem großen erstaunen sei auch die Großfürstin in der vergangenen Nacht von ähnlichen Träumen beunruhigt worden.


Nach aufgehobener Tafel ließ Kutaissow in der sogenannten Rosenlaube den Kaffee servieren. In diesem Moment sah der Großfürst den Grafen N. A. Zubow sein Pferd an den Zaun binden und da er sämtliche Zubows für seine Todfeinde hielt, erblasste er, ließ die Tasse fallen und sagte, zur Großfürstin gewandt, mit zitternder Stimme: „ma chère, nous sommes perdus.“ er glaubte, der Graf wäre gekommen, um ihn zu verhaften und auf das Schloß Lohde abzuführen, wovon schon lange die Rede war. Zubow kam in größter Eile, mit unbedecktem Haupte, auf die Laube zugelaufen, fiel, als er eingetreten, vor Paul auf die Kniee und erstattete Bericht über den hoffnungslosen Zustand der Kaiserin. Der Großfürst wird dunkelrot im Gesicht, hebt mit der einen Hand Zubow vom Boden auf und ruft, sich mit der andern vor die Stirn schlagend: „Welch ein Unglück!“ Er vergießt Tränen, bestellt einen Wagen, ärgert sich darüber, daß sein Befehl nicht rasch genug ausgeführt wird, geht schnellen Schrittes in der Laube auf und nieder, reibt sich krampfhaft die Hände, umarmt die Großfürstin, Zubow, Kutaissow und richtet an sich selbst die Frage: „Werde ich sie noch lebend antreffen?“ Kurz, er war außer sich vor Schmerz oder — vor Freude, wer kann das wissen? Man glaubt, daß dieser schnelle Übergang vom Schrecken zur Überraschung eine heftige Wirkung auf seine Nerven und das Gehirn selbst ausgeübt. Kutaissow, der mir dies erzählte, bedauerte es, dem Großfürsten nicht sofort zu Ader gelassen zu haben.