Neuerungen

Von diesem Tage lebten wir in beständiger Furcht, mit dem Gefühl, daß uns etwas Unangenehmes bevorstand. Die plötzlichen Veränderungen in allen Zweigen der Verwaltung, namentlich die Einführung der neuen Uniform, war für uns junge Offiziere und zum Teil auch für die alten ein harter Schlag. Anstatt der hübschen, noch aus der Zeit Peters des Großen stammenden Uniformen wurden in der Flotte dunkelgrüne Röcke mit einem weißen Stehkragen eingeführt, nach dem seit Peter III. verhassten preußisch-holsteinischen Schnitt. Das Toupet wurde abgeschafft. Es wurde befohlen, die Haare über den Kamm zu scheren, ein ganz schmales Halstuch, aus Zeug oder aus Wolle gestrickt, zu tragen, desgleichen einen langen Zopf und zwei pomadisierte Socken, welche über den Ohren hervorstanden; der Degen sollte nicht an der Seite, sondern hinten angebracht werden. Man versah uns mit hohen Handschuhen aus Elenleder, nach Art derjenigen, welche die alten Ritter trugen, und mit Schaftstiefeln. Ein niedriger Dreimaster bildete den Abschluß dieses schönen Kostüms. Der Frack wurde für das Militär bei hoher Strafe verboten und den runden Hut durfte niemand mehr tragen. So ausgestattet konnten wir einander kaum noch wiedererkennen, das Ganze glich einer täglich sich wiederholenden Maskerade, und keiner konnte dem andern begegnen, ohne zu lächeln; die Damen aber lachten laut bei unsrem Anblick und nannten uns Vogelscheuchen, rnonstres. Aber allmählich gewöhnte man sich doch daran, und trotz unsrer sonderbaren Kostümierung begannen wir, ganz wie früher, zu tanzen und beim schönen Geschlecht Beifall zu finden.

Es ist unbegreiflich, wie Kaiser Paul, ein kluger, gebildeter, feinfühlender Mann, dem es nicht unbekannt war, wie sehr man die Uniformen seines Vaters haßte, sich der öffentlichen Meinung zum Trotz dazu entschließen konnte, sogleich eine so gänzlich wertlose Neuerung einzuführen und damit alle Welt gegen sich aufzubringen. Besonders machte sich das in der Garde bemerkbar. Die Abschaffung der von Peter dem Großen eingeführten Uniform erschien den einen als Nichtachtung, den andern als Verbrechen. Die Gardeoffiziere aus seinen Hofmännern in Liniensoldaten zu verwandeln, eine strenge Disziplin einzuführen, kurz alles auf den Kopf zu stellen, hieß die öffentliche Meinung verachten und die gesamte zur Zeit bestehende und durch die Tradition geheiligte Ordnung umstoßen. Sollte er wirklich der Meinung gewesen sein, es sei jetzt der geeignete Zeitpunkt, um das auszuführen, was seinem Vater misslungen war, jetzt, nach dem glänzenden und berückenden Zeitalter Katharinas! Die Folge davon war, daß ein großer Teil der Gardeoffiziere den Abschied nahm. Wo aber einen Ersatz für dieselben finden? Der Kaiser führte seine gatschinaschen Offiziere in die Garde über, und zwar ohne Berücksichtigung der früher von Peter getroffenen Bestimmungen, mit demselben Range, weichen sie in den damals missachteten Seebataillonen gehabt hatten. Die Notwendigkeit dieser Maßregel wollte niemand anerkennen, geschweige denn darin einen Akt der Großmut sehen, zur Belohnung derjenigen, welche seine traurige Sage in Gatschina mit ihm geteilt hatten. Alle waren der Meinung, daß dies aus Opposition gegen Katharina geschehe. Leider waren die zur Garde versetzten Offiziere, mit sehr wenigen Ausnahmen, dieser Ehre nicht würdig und konnten den Abgang der früheren nicht ersetzen. Niemand beneidete sie darum, daß der Kaiser ihnen mit offener Hand Landgüter austeilte; das war der Sohn für das, was sie in Gatschina ausgestanden, aber der Garde hätten sie nicht angehören dürfen; denn in dieser Sphäre konnten die gatschinaschen Offiziere nicht heimisch werden.