Karpowo

Des andern Morgens stand ich früh auf, ließ anspannen und begab mich mit den acht Vertrauensmännern nach dem Dorf Karpowo. Kurz darauf rief einer meiner Begleiter: „Da ist auch schon Karpowo!“ Als wir das Dorf erreicht hatten, befahl ich den Vertrauensmännern sich in der ersten Bauernhütte zu verstecken, einen von ihnen behielt ich bei mir, die übrigen sollten auf weitere Befehle von mir warten. Kaum war ich bis zur Kirche gekommen, als die Sturmglocke zu läuten anfing. Ich schickte meinen Begleiter aus den Glockenturm, mit dem Befehl, noch starker zu läuten. Inzwischen war aus einem der Kirche gegenüber gelegenen Hause der mit Schlägen arg zugerichtete Geistliche getreten und zu mir herangekommen. Er wiederholte mir, was ich schon in Brelj gehört hatte, und gab mir den Rat, umzukehren, denn die Bauern hatten einander das Wort gegeben, den ersten, der aus der Apanagenverwaltung zu ihnen gefahren kommen würde, zu töten. „Haben Sie keine Furcht,“ antwortete ich, „machen Sie sich bereit, ein feierliches Gebet für das Wohlergehen unsres Allergnädigsten Herrn und Kaisers abzuhalten;“ ich selbst stellte mich in der Vorhalle beim Eingang in die Kirche auf. Es erschien der Vertrauensmann vom Glockenturm und teilte mir mit, daß das Volk, dichte Staubwolken aufwirbelnd, von allen Seiten herbeiströme. In der Tat fanden sich binnen kurzer Zeit Tausende von Menschen ein. „Guten Tag, meine Herren,“ sagte ich zu ihnen, als sie sich der Kirche genähert hatten, „ich habe selbst Befehl gegeben, stärker zu läuten, damit ihr schneller zusammenkämet, und habe euch zum feierlichen Gebet versammeln lassen; wollen wir aufbrechen,“ dabei schritt ich selbst voran. Alle strömten mir nach, und kaum eine Viertelstunde darauf war schon kein Platz mehr in der Kirche. Das Gebet nahm seinen Anfang, und nach Beendigung desselben befahl ich dem neben mir stehenden Beamten, den Ukas vorzulesen, der auf meinen Namen von der Verwaltung ausgestellt war und kraft dessen ich die Ursachen der Unzufriedenheit der Bauern zu untersuchen hatte. Bevor ich die Kirche verließ, wandte ich mich an die Volksmasse und sagte mit lauter Stimme: „Jetzt wollen wir uns aufs Amt begeben.“ Ich schritt wohlgemut vorwärts; neben mir der Geistliche, bleich, nach Atem ringend, und hinter uns das Volk. Das allzu lärmende Stimmengewirr in der Volksmasse veranlaßte mich, stehen zu bleiben und: „Still!“ zu rufen; alles verstummte. Wir waren am Ziel. Ich betrat die Amtsstube; sie war so eng, daß kaum zwanzig Personen darin Platz finden konnten. Ich ließ einen Tisch ins Freie tragen, den Kasten mit den Papieren, Abrechnungen u. s. w., und einen Stuhl für mich selbst. Als dies geschehen war, ließ ich den eigen-mächtig von den Bauern abgesetzten Dorfschulzen, den von ihnen gewählten Schreiber u. s. w. vortreten. Es erschien ein hochgewachsener, kräftiger, rothaariger Bauer und sagte: „Ich bin von der Dorfgemeinde zum Schulzen gewählt; alle übrigen, die früheren, sind auf Beschluss der Dorfgemeinde in eiserne Fesseln geschmiedet.“ — „Wo?“ — „Neben dem Amtshause.“ — „Wer hat die Schlüssel?“ — „Und wenn ich sie hätte?“ — „Nun dann, mein Lieber, komm mit mir, ich muß den früheren Schulzen verhören.“