Haft

Zwei Schildwachen standen neben der Tür, welche der Offizier öffnete.

Wir traten ein; in der Mitte des Zimmers stand ein großer Tisch, auf weichem ganze Stöße von Papier nebst Tinte und Feder lagen.


„Das ist ihr Arbeitszimmer,“ sagte der Offizier, und nachdem er die zweite Tür aufgemacht, fügte er hinzu: „Und das hier Ihr Schlafzimmer.“

„Wie!“ antwortete ich, „dieses grüne Bett mit seinen an das Krankenhaus erinnernden Decken soll mein Lager sein?“

Der Offizier schien über meine Bemerkung betroffen zu sein. „Befehlen Sie, dasselbe hinauszutragen? Worauf werden Sie aber zu schlafen geruhen?“

„Auf meinem Pelz; ich habe auch ein Federkissen, das hier lassen Sie aber fortschaffen.“

Als das geschehen war, fragte ich den Offizier: „Was bedeuten die Schildwachen? Befinde ich mich etwa unter Arrest?“

„So ist es befohlen worden,“ antwortete er. Ich begab mich in das erste Zimmer zurück, nahm Papier und Feder zur Hand und richtete an Potapow folgende Zeilen:

,,In meinem Brief habe ich darum gebeten, freiwillig vor das Angesicht Seiner Majestät treten zu können. Ich bin hierher gebracht worden. Ich habe Papiere mitgenommen, die von der Hand des verstorbenen Kaisers Alexander I. stammen. Posten stehen vor der Tür, als gelte es einen Arrestanten zu bewachen; folglich befinden sich auch die Papiere des Kaisers Alexander unter Arrest. Bitte, uns aus dem Arrest zu befreien und die Posten zu entfernen. Fliehen oder aus dem Fenster springen kann ich nicht; es ist zu hoch und zudem bin ich weder hierzu, noch dazu fähig. Die Posten zu meiner Bewachung sind unnötig. Jakob de Sanglen.“

Ich verabschiedete mich von dem Offizier, indem ich sagte: „Übergeben Sie dieses Schreiben an den General Potapow,“ legte mich mit den Kleidern auf meinen Pelz und schlief vor Müdigkeit fest ein.

Am andern Morgen erschien der Offizier mit einein Korbe, der ein Teeservice, ein Pfund Tee, eine Flasche Rum und Semmeln enthielt. Nachdem er alles vor mich hingestellt, sagte er: „Auf Befehl des Kaisers ist die Schildwache entfernt worden.“

„Wie ist das zugegangen?“ fragte ich.

General Potapow hat Ihr Schreiben zum Grafen Tschernyschew geschickt und dieser wiederum an den Kaiser; darauf folgte der Befehl,, die Schildwache zu entfernen.“

„Das geht alles recht gut,“ sagte ich zu mir selbst; „was wird nun weiter kommen?“ Zu Mittag brachte mein Offizier in einem kleinen kupfernen Topf ein Essen von verdächtiger Beschaffenheit. Wiederum ging ein Schreiben an Potapow ab: „Durch die Gnade des in Gott entschlafenen Kaisers Alexander I. beziehe ich ein Gehalt von viertausend Rubeln, und außerdem bin ich nicht so bettelarm, um ein solches Mittagessen zu schlucken. .Ich bitte um die Erlaubnis, aus dem besten Gasthause ein anständiges Mittagessen holen lassen zu dürfen.“

Eine Stunde darauf erhielt ich von Potapow die gewünschte Erlaubnis. Aber dazu kam es gar nicht; es fanden sich die zu meiner Verfügung gestellten Diener ein, deckten den Tisch und servierten ein ausgezeichnetes Mahl.

„Von wem?“ fragte ich.

„Das wissen wir nicht,“ war die Antwort.