Erste Erziehung

Eingeschüchtert durch die Greuel der Revolution, gab meine Mutter ihren ursprünglichen Plan auf und schickte mich nach Reval, dessen Gymnasium einen guten Ruf hatte. Damals war Reval noch eine deutsche Stadt, und da ich kein Wort Deutsch verstand, so befand ich mich das erste Jahr meiner Schulzeit in größter Verlegenheit. Die Professoren hatten schon alle Hoffnung, daß ich noch was Ordentliches lernen konnte, aufgegeben, als ein eigentümlicher Zufall meine Fähigkeiten zur Entwickelung brachte. Ich verliebte mich nämlich als zwölfjähriger Knabe sterblich in die fünfundzwanzigjährige Tochter eines meiner Professoren. Diese war vernünftig genug, mir zu erklären, sie würde nur dann meine Neigung erwidern, wenn ich fleißig sein wollte. Das war für mich ein Sporn und weckte in mir das Bestreben, immer mehr und mehr meine Kräfte anzuspannen. In vier Jahren machte ich mit Glanz alle Klassen durch und erhielt schließlich in der letzten und obersten Klasse für hervorragende Leistungen einen silbernen Degen. Ganz Reval wandte diesem kleinen Wunder seine Aufmerksamkeit zu. Fürst Nikolai Wassiljewitsch Repnin, der als Generalgouverneur nach Reval versetzt war, besuchte das Gymnasium, und ich hatte die Ehre, ihm auf weißem Atlas ein gedrucktes, von mir selbstverfasstes Gedicht zu überreichen. Dieses erste Erzeugnis meiner Muse scheint unwiederbringlich verloren gegangen zu sein, denn auch der Verfasser selbst kann sich keines einzigen Verses aus jener Ode erinnern, welche ihm die Ehre verschaffte, an einem Diner teilzunehmen, das die gesamte derzeitige vornehme Welt Revals beim Fürsten in Katharinental versammelte. Der Major Engel, Adjutant des Fürsten, hatte den Auftrag erhalten, für meine Bewirtung zu sorgen. Nach aufgehobener Tafel ließ der Fürst mich zu sich rufen. Er dankte mir nochmals für die ihm überreichte Ode und entließ mich mit folgenden Worten, die sich tief meinem Gedächtnis eingeprägt haben: „Ich hoffe, daß die Aufmunterung, deren Sie heute gewürdigt worden sind, Ihnen Veranlassung geben wird, sich in den Wissenschaften zu vervollkommnen.“

Der Kommandant Kochius, der Gouverneur Baron Wrangell und andre, alle forderten mich zu den Diners auf, welche sie dem Fürsten zu Ehren veranstalteten. Ich erschien überall im Frack mit dem Degen an der Seite, und kaum konnte es einen glücklicheren Menschen geben als mich! Unterdessen hatte die Urheberin meines Ruhmes geheiratet, und ich weiß nicht, ob aus Verzweiflung, ich schrieb eine Satire auf alle Professoren, weil ich mich für klüger und viel bedeutender als sie hielt, oder — ich entsinne mich dessen nicht mehr genau — war es der Wunsch, eine Uniform tragen zu können, der mich veranlaßte, ein Gesuch um eine Anstellung im Staatsdienst einzureichen, ohne vorher von meiner Mutter die Erlaubnis dazu eingeholt zu haben; so ganz hatte mich mein Ruhm geblendet und mich mit Selbstvertrauen erfüllt.