Alexander und seine Werkzeuge

Armfeld, der Balaschow nicht leiden konnte und von ihm zu sagen pflegte: „ce petit lieutenant de police veut être un homme d'Etat; quel ridicule!“, wollte bei dieser günstigen Gelegenheit auch ihn stürzen, beging aber darin einen Fehler, daß er mich dem Kaiser empfahl, in der Voraussetzung, ich würde, um schnell Karriere zu machen, alle geheimen Umtriebe Balaschows an den Tag bringen und zu meinen eigenen Gunsten Ssperanski auf den Leib rücken. Balaschow beging aufs neue einen Fehler, als er bei Anknüpfung seiner vermeintlichen Bekanntschaft mit Ssperanski und Magnitzki zum Vermittler Bologowskoi wählte. Dieser, in ganz Petersburg von einem zum andern herumfahrend, rief das Misstrauen des Kaisers wach, der natürlich von allem durch seine Spione unterrichtet war, an denen er leider keinen Mangel hatte. Als ich auf den Schauplatz trat, hatte Balaschow sich schon so verwickelt, daß der Kaiser ihm nicht mehr traute, und Armfeld hatte schon für ihn un exil temporaire in Bereitschaft gesetzt. Der Kaiser war, glaube ich, erfreut, als er an mir jene Aufrichtigkeit entdeckte, die ich dem Kaiser gegenüber für notwendig hielt. Der Kaiser hatte von den Grafen Markow und Rostoptschin Briefe erhalten, durch welche Weishaupt, Rosenkampf u. a. in die Sache mitverwickelt wurden. Alles dies machte den Kaiser noch schwankender in bezug auf Ssperanski. Das brachte eine allgemeine Verwirrung hervor, und je mehr Personen in Aktion waren, desto mehr erging sich das Publikum in allerhand Gerede, Mutmaßungen und Erfindungen über uns und Ssperanski, den man schon gar nicht mehr anders nannte, als einen Verräter, so daß also der Zweck erreicht war.

Mein Fehler bestand darin, daß ich, ohne in den Charakter des Kaisers näher einzudringen, in ihm nicht den Menschen, sondern nur den Kaiser sah, vor dem, wie vor Gott, nichts verheimlicht werden müsse und der gar keinen Gewinn davon haben könne, seine Untertanen zu betrügen. Auf diese Weise wurden alle an dem Spiel Beteiligten, außer dem Kaiser, welcher allein handelte und welcher allein mit Armfeld zusammen dem ganzen Verlauf des Dramas eine bestimmte Richtung gab, hinters Licht geführt. Wir arbeiteten wie Telegraphenapparate, deren Drähte sich in den Händen des Kaisers befanden. Warum plagte man sich? Um Dinge, die im Kopfe des Kaisers schon längst entschieden waren und von denen man nichts wußte und nichts ahnte.


Alle unsre Streitigkeiten, all unser Hinundherfahren diente nur dazu, den #aß des Publikums gegen Ssperanski noch mehr anzufachen!

Ssperanski, Magnitzki und Bologowskoi wurden verschickt. Balaschow verlor seine Ministerstelle, blieb aber Generaladjutant. Armfeld behielt seinen finnländischen Posten. Eine moralische Einbuße erlitten ich und Wojejkow; denn Armfeld und Balaschow und zuletzt auch der Kaiser selbst bezeichneten mich als denjenigen, der Ssperanski des Verrates überführt hatte; in Wirklichkeit lag aber ein solcher gar nicht vor; man verschickte uns aber nicht, verabschiedete uns auch nicht, sondern wir wurden unsrer Stellungen beraubt und zur Armee abkommandiert und kamen dadurch in eine schiefe Stellung.

Der Kaiser befahl mir, am 26. März 1812, nach Wilna zum Kriegsminister Barklay de Tolly zu reisen. Alles ging so eilig, daß ich schon am 27. März Petersburg verließ und am 14. April 1812 in Wilna ankam.