Zweite Fortsetzung

Bruni hatte eine glückliche Hand. Im Jahre 1852 wurde er abermals nach Paris zu der berühmten Versteigerung der Sammlung des Marschalls Soult geschickt und erwarb dort für die Eremitage mehrere ausgezeichnete spanische Gemälde, wie den wunderbaren „Hl. Laurentius" von Zurbaran, den „Hl. Petrus im Gefängnis" von Murillo und die „Kreuztragung" von Sebastiano del Piombo. Diesen Aufenthalt in Paris benutzte er auch, um in Privatsammlungen einige gute Bilder aufzuspüren, wobei er unter anderem von dem Herzog von Morny ein prächtiges Bildnis von Rembrandt kaufte.

Der Tod Nikolaus’ I. fiel mit dem Krimkriege zusammen und unterbrach für einige Zeit das rasche Wachstum der Eremitage. Aus Sparsamkeit oder auch aus Gleichgültigkeit scheute sich sein Sohn vor jeder größeren Ausgabe für das Russische Nationalmuseum. Er beschränkte sich auf Gelegenheitskäufe von Bildern in Petersburg, meist Werken zeitgenössischer russischer Maler, die damals noch ihren Platz in der Eremitage hatten und erst später unter Nikolaus II. im Russischen Museum vereinigt wurden. Dennoch ließ sich Kaiser Alexander II. zweimal zu bedeutenden Ausgaben verleiten, einmal bei der Erwerbung eines großen Teiles des Campana-Museums in Rom im Jahre 1861, einschließlich der acht Fresken von Raffael aus der Villa Mills auf dem Palatin, das andere Mal beim Ankauf von vier Gemälden, die der Herzog Litta in Mailand im Jahre 1865 veräußerte: die berühmte und viel umstrittene „Hl. Jungfrau, das Kind nährend" des Leonardo da Vinci, sonst auch „Madonna Litta" genannt, sodann „Apollo und Marsyas" aus der Schule von Parma, das ehemals dem Correggio selbst zugeschrieben wurde, eine Madonna von Sassoferrato, den man um 1840 ja so hoch schätzte, und „Venus mit Amor" von Lavinia Fontana.


Die Regierung Alexanders III. brachte der Eremitage einige schöne Schöpfungen aus dem Kreise Raffaels, Erwähnt sei vor allem die köstliche, kleine „Madonna mit dem Buche", auch „Madonna aus dem Hause Conestabile-Staffa" genannt, ein Jugendwerk Raffaels, das die Kaiserin Maria in Perugia erworben hatte und der Galerie hinterließ. Eine dankenswerte und für die Entwicklung der Galerie besonders günstige Maßnahme Kaiser Alexanders III. war die der Museumsverwaltung im Jahre 1882 erteilte Erlaubnis, aus allen kaiserlichen Schlössern die besten, dort verstreuten Gemälde auszusuchen, um sie in der Eremitage zu vereinigen, die so um zweiunddreißig wertvolle Werke bereichert wurde, dazu kamen noch die Bilder, die den Pavillon des Arsenals von Zarskoje-Selo schmückten. Zur gleichen Zeit wurde die Sammlung der Eremitage durch ein schönes Fresko des lieblichen Fra Beato Angelico vermehrt: „Die hl. Jungfrau, umgeben von den Heiligen Dominikus und Thomas von Aquino", das früher das Dominikanerkloster in Fiesole geschmückt hatte. Diese Erwerbung war besonders zu begrüßen, da es bis dahin in Russland fast gänzlich an Werken der italienischen Frührenaissance gefehlt hatte. Außerdem ließ der Kaiser die ganze Sammlung des Fürsten Galitzin ankaufen, die eine reiche Bibliothek, vielerlei Kunstgegenstände und 182 Gemälde umfasste, von denen die Hälfte der Eremitage überwiesen, die anderen zur Ausschmückung der kaiserlichen Paläste verwendet wurden. Besondere Erwähnung verdienen: das prachtvolle Tryptichon der „Kreuzigung", das lange Zeit Raffael zugeschrieben wurde und heute als Werk des Perugino gilt, und eine „Verkündigung" von Cima da Conegliano, ein Hauptwerk dieses Meisters. Die meisten anderen Gemälde bereicherten unsere schöne Sammlung von holländischen und flämischen Meistern. Im Jahre 1884 glückte es, das schöne Bild Rogers van der Weyden „Der hl. Lucas zeichnet die Madonna", das der Königin Isabella von Spanien gehört hatte, durch den Ankauf der zweiten Hälfte dieses Werkes bei einem Pariser Antiquar zu ergänzen.

In den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts lässt sich eine gewisse Änderung im System der Ankäufe für die Eremitage feststellen. Die Beamten des Museums fangen an, nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu arbeiten, indem sie bei der Anordnung der Gemälde die historische Entwicklung zu veranschaulichen und doch die gute Wirkung der Räume zu erhalten suchen. Um Lücken der Galerie auszufüllen, wurden hier und da einzelne Werke von Meistern erworben, die darin noch nicht vertreten, aber doch notwendig waren, um bestimmte Phasen der Kunstgeschichte zu kennzeichnen. Aus diesem Grunde wurden unter dem letzten Herrscher, Nikolaus II., zahlreiche Bilder für die Sammlungen unseres Museums gekauft, andere wieder von verschiedenen Plätzen nach der Eremitage überführt, wie z. B. aus Warschau fünf Bilder aus dem Lasienki-Palais, darunter Fragonards reizendes Gemälde „Der verstohlene Kuss", da die Galerie noch kein Werk dieser Art besaß, und aus Zarskoje-Selo ein wenig später „Die Polin" von Watteau.

Die Vollendung des Russischen Museums im Jahre 1898 ermöglichte es, die Werke russischer Maler, unter ihnen einige von ungeheuren Ausmaßen, dort unterzubringen und in den nun weniger beschränkten Räumen der Eremitage die Meisterwerke der fremden Schulen vorteilhafter zu hängen, als es sich bis dahin hatte machen lassen. Auch brachte ein Wechsel in der Leitung der Galerie eine etwas lebhaftere Museumstätigkeit mit sich. Eine ungewöhnlich hohe Summe, die für die Eremitage ausgeworfen wurde, erlaubte es, ihre Sammlungen um Peruginos „Hl. Sebastian" römischer Herkunft und eine Madonna des Leonardo zu vergrößern, die sich in der Sammlung der Mme Louis Benois befand, und 720 Gemälde aus der Sammlung Semenoff Tianschansky, die zu günstigen Bedingungen zu haben und für die Galerie besonders wertvoll waren, da dieser verdienstvolle Sammler lange Jahre niederländische Gemälde, vor allem Bilder der Klein-Meister zusammengebracht hatte, die der Eremitage gänzlich fehlten, darunter einige Meisterwerke von großem Ruf. Für einen aufs genaueste bearbeiteten Katalog seiner Sammlung und für dessen Veröffentlichung hatte Semenoff-Tianschansky noch bei seinen Lebzeiten gesorgt.

In der Geschichte der Eremitage spielt auch die Frage der Schenkungen eine wichtige Rolle. Da das Museum das ausschließliche Eigentum des regierenden Kaisers war, musste für jede Schenkung und jedes Vermächtnis an das Museum in einem recht umständlichen Verfahren die Zustimmung des Herrschers eingeholt und die Angelegenheit sehr verschwiegen behandelt werden, Bedingungen, die denen, die ihren Namen durch eine Stiftung verewigen wollten, dies fast unmöglich machten. Kaiser Nikolaus II. sah die Nachteile eines solchen Verfahrens ein und ließ dies hinfort wie an allen anderen Galerien handhaben. Die Folgen dieses weisen Entschlusses machten sich bald bemerkbar. So erhielt die Eremitage von dem Fürsten Wolkonsky ein großes Gemälde von S. Ricci: „Der Raub der Sabinerinnen“, von Herrn Balaschow ein gutes Bild von Palma dem Jüngeren, eine Apostelgruppe aus einer „Himmelfahrt Mariä", ein Bruchstück der Decke der Scuola di S. Girolamo in Venedig, das im Jahre 1828 ins Ateneo Veneto gebracht wurde, von dem General Durnowo „Zwei Apostel" von Greco, der in der Eremitage durch ein unbedeutendes Bildnis nur spärlich vertreten war, von den Erben des Grafen Gregor Stroganoff eine Madonna von Simone Martini und ein verziertes Tabernakel von Fra Beato. Die Erben des Grafen Paul Stroganoff stifteten ein zierliches Rundbild von Filippino Lippi, eine „Pieta“ von Cima da Conegliano, ein stimmungsvolles Interieur von P. Janssens und mehrere andere wertvolle Bilder. Und Herr Surow, ein hervorragender Sammler, bestimmte, dass nach seinem Tode die Leitung der Eremitage selbst die Stücke bezeichnen solle, die aus seiner Sammlung für das Museum am meisten erwünscht seien, der Wunsch des Stifters wurde im Jahre 1916 durch eine Auswahl von zwanzig Gemälden erfüllt. Unter den Männern, deren Namen mit goldenen Lettern in der Geschichte der Eremitage verzeichnet sein sollten, muss auch der im Jahre 1912 verstorbene Herr Hitrowo genannt werden. Dieser, ein Mann von feinem und sicherem Geschmack, hat sicherlich keinen schöneren Ruhmestitel als das Vermächtnis, durch das er der Eremitage mehrere kostbare Bildnisse der englischen Porträtisten des achtzehnten Jahrhunderts hinterließ. Bei den fabelhaften Preisen der schon damals in Europa sehr gesuchten Werke dieser englischen Meister konnte die Eremitage, der es an den nötigen Mitteln fehlte, solche Gemälde nicht erwerben, und die Freigebigkeit des Stifters, der ihr einen Gainsborough und Werke ersten Ranges von Romney, Raeburn und Hoppner vermachte, ist schon deshalb von unschätzbarem Wert, weil die Galerie vor dieser Schenkung nur wenige und ganz vereinzelte Bilder der englischen Schule besaß.

Während der Revolution von 1917, die auch für die Eremitage außergewöhnliche Folgen hatte, war der Bestand der Galerie dauernd bedroht, nicht nur in ihrer Sicherheit durch die außer Rand und Band geratene Volksmenge, sondern auch durch die Ansprüche fremder Länder. Kaum hatte man sich mit Deutschland geeinigt, da verlangte Polen schon in anmaßender Weise die Auslieferung aller Gemälde polnischer Herkunft. Dass aber die Abtretung einiger Bilder an Polen der einzige Schaden gewesen ist, den unser Museum während der Revolution erlitten hat, ist allein der Wachsamkeit der Verwaltung der Eremitage und vor allem der unermüdlichen Sorge ihres Leiters Herrn Troïnitsky zu danken, der in diesen gefahrvollen Jahren der Erfüllung seiner schwierigen Aufgabe seine ungewöhnlichen Fähigkeiten und den besten Teil seiner Kraft, ja sogar seine Gesundheit geopfert hat.

036 054 Paris Bordone. Sinnbild. Flora, Venus und Mars

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037 055 Jacopo Robusti, gen. Tintoretto. Die Geburt Johannes des Täufers

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038 056 Paolo Caliari, gen. Veronese. Die Auffindung Mosis

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039 057 Alessandro Varotari, gen. Padovanino. Bildnis einer jungen Frau

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040 058 Michelangelo Amerighi, gen. Caravaggio. Martyrium des hl. Petrus

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041 059 Michelangelo Amerighi, gen. Caravaggio. Der Mandolinenspieler

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042 060  Annibale Carracci. Ruhe auf der Flucht nach Ägypten

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043 061 Bernardo Strozzi. Tobias heilt seinen Vater

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044 062 Guido Reni. Auf der Flucht nach Ägypten

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045 063 Guido Reni. Aus der Judendzeit der Jungfrau Maria

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046 064 Domenico Feti. Bildnis eines Schauspielers

046 064 Domenico Feti. Bildnis eines Schauspielers

047 065 Domenico Feti. David

047 065 Domenico Feti. David

048 066 Luca Giordano. Die Grablegung

048 066 Luca Giordano. Die Grablegung

049 067 Salvator Rosa. Der verlorene Sohn

049 067 Salvator Rosa. Der verlorene Sohn

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