Erste Fortsetzung

Dagegen war die Epoche Alexanders I., der das Andenken seiner Großmutter ehrte, reich an Erwerbungen von Kunstwerken. Der Kaiser begann damit, einen Teil der Sammlungen Giustiniani und mehrere andere Gemälde in Petersburg selbst zu kaufen, um dann im Jahre 1814, während seines langen Aufenthaltes im Auslande nach dem Sturz Napoleons I., eine reiche Ernte an Kunstschätzen zu halten, deren Aufzählung folgt. Die Galerie von Malmaison, der Residenz der Kaiserin Josephine, sei hier zuerst erwähnt. Diese prachtvolle Sammlung enthielt unter anderem auch die Gemälde, die vor den Napoleonischen Kriegen einen Teil der Kasseler Galerie bildeten. Die hervorragendsten Stücke, die der Eremitage bei dieser Gelegenheit einverleibt wurden, sind: „Die Hl. Katharina" von Luini, drei vorzügliche Teniers: „Die Schützengilde von Antwerpen", „Die Wache" und die „Affen in der Küche", die „Kreuzabnahme" von Rembrandt, drei Potters und endlich die vier berühmten Bilder von Claude Lorrain: „Der Morgen", „Der Mittag", „Der Abend" und „Die Nacht", die der französischen Schule in unserem Museum neuen Glanz brachten. Vierundsiebzig Gemälde von gutem Ruf, namentlich der größere Teil der Sammlung des Bankier Coesvelt in Amsterdam, auf die er während der Kriege in Spanien und Italien die Hand legen konnte, vervollständigten in diesem selben Jahre zusammen mit den besten Stücken aus der ebenfalls in Amsterdam erworbenen Sammlung Hope die Galerie der Eremitage.

Nach dem Beispiel seiner Großmutter bemühte sich Alexander unermüdlich um den Ausbau der Eremitage. Im Jahre 1819 beauftragte er den General Trubetzkoï, auf seinen Reisen durch Frankreich und Italien alle wertvollen Gemälde zu kaufen, die er bekommen könne, was dieser Fürst mit sicherem Geschmack ausführte. Doch war die von dem Baron Vivant Denon, dem damaligen Direktor des Louvre, getroffene Auswahl noch wertvoller für die Eremitage, denn sie erwarb „Die Anbetung der Weisen" von Botticelli (bis 1861 Mantegna zugeschrieben), „Die Segnung Isaacs" von Murillo, „Die Marter des hl. Petrus" und den „Mandolinenspieler" von Caravaggio, die „Anbetung der Weisen" von Lambert Lombard, drei Bruchstücke eines Gemäldes von Pourbus dem Jüngeren und zahlreiche andere kostbare Werke.


Nach dem Tode Alexanders I. im Jahre 1825 fasste Nikolaus I. den Entschluss, die Eremitage in ein Museum umzuwandeln. Dafür war ein vollständiger Umbau ihrer Räumlichkeiten notwendig, der im Jahre 1840 nach den Plänen des bayerischen Hofarchitekten Klenze begonnen und zehn Jahre später vollendet wurde. In dem neuen, eine ungeheure Fläche bedeckenden Gebäude wurden bestimmte, unter der Kaiserin Katharina erbaute Teile erhalten, während das Innere, dem Geschmack der Zeit entsprechend, gänzlich umgebaut wurde, nur die Loggien von Raffael, die in den Gesamtplan einbegriffen waren, wurden geschont. Das stolze Peristyl dieses Denkmals mit seinen berühmten Karyatiden, die in Granit von Serdobol aus ganzen Blöcken herausgemeißelt wurden, vervollständigt in großartiger Weise das Gesamtbild des Baus, der seinen Namen „Eremitage-Palais" vollkommen rechtfertigt. Vielleicht erschwerte man gerade, um diesem „Palais" das Ansehen einer kaiserlichen Residenz zu wahren, den Zutritt zum Museum mit langweiligen Formalitäten. So durfte beispielsweise kein Besucher anders als im Frack erscheinen und nicht, ohne vorher beim Hausmeister gleichsam seinen Pass vorgezeigt zu haben, die Schwelle überschreiten, Schikanen, deren Albernheit man erst fünfundzwanzig Jahre später einsah.

Gewiss genügt die Eremitage bei weitem nicht den Anforderungen moderner Museumskunde. So ist z. B. die Beleuchtung ungenügend, doch lassen die Anmut der Verhältnisse, der blendende Reichtum der Einrichtung und der Glanz der Ausstellungssäle in Verbindung mit den unsterblichen Meisterwerken, die sie beherbergen, jene leichten Mängel vergessen. Man muss auch daran denken, dass die Eremitage, unter Katharina II. kaiserliche Residenz, niemals ganz den Charakter ihrer ursprünglichen Bestimmung verloren hat. Unter ihren Nachfolgern hat bis zur Regierung des letzten Romanoff dieses Palais oft als zauberhafter Rahmen für Hofbälle und -Schauspiele gedient, und auch der einzige Zugang zum Eremitage-Theater, einer schönen Schöpfung von Quarenghi, zu der er vom Olympischen Theater in Vicenza angeregt wurde, grenzte an das Museum.

An dem Ausbau und der Einrichtung der Eremitage nahm Kaiser Nikolaus I. gleichsam als Erholung von seinen Regierungsgeschäften den lebhaftesten Anteil.

Nach seinen ausdrücklichen Weisungen und Angaben arbeiteten die kaiserlichen Werkstätten unablässig an der Verschönerung der Säle, die schon mit seltenen Möbeln, Vasen, Riesenkandelabern und Tischen von überraschender Schönheit angefüllt waren. Auch vernachlässigte er die Vergrößerung der Gemäldesammlungen nicht, aber unter dem schlechten Einfluss einiger Personen seiner nächsten Umgebung gestattete er leider den Verkauf mancher Gemälde der Galerie für eine geringe Summe, die der Kasse der Museen zufloss, jedoch die Kunstfreunde heute keineswegs für den empfindlichen Verlust entschädigen kann, dessen Bedeutung man damals nicht erkannte. Dieser bedauerliche Irrtum lässt sich auch nicht damit entschuldigen, dass er unter allgemeiner Zustimmung begangen wurde.

Die Ankäufe unter der Herrschaft Nikolaus I. beginnen im Jahre 1826. Zunächst wurden zehn Gemälde den Erben des Grafen Miloradowitsch abgekauft. Es folgten einige dreißig Bilder, die gewissermaßen das Gegenstück zu dem Ankauf von Malmaison bilden. Diese Gemälde waren das Eigentum der Herzogin von St. Leu, der Exkönigin Hortense, die die Reste der Galerie ihrer Mutter mit ihrer eigenen Sammlung vereinigt hatte. Darunter befanden sich der „Hl. Sebastian" von Ribera, ein „Bildnis eines jungen Mannes" von Rembrandt, das „Familienbildnis" von van der Heist und andere von nicht geringerem Wert. Weitere Beachtung verdienen dreiunddreißig Gemälde — darunter „Der hl. Hieronymus in Extase" von Ribera, „Die Kreuzabnahme" Annibale Carraccis, „Die Marter des hl. Sebastian" von P. da Cortona, „Christus vor Kaiphas" von Honthorst — , die beim Verkauf der bedeutenden Galerie des Principe de la Paz, des offenkundig schwermütigen Günstlings Karls IV., im Jahre 1828 zu Paris erworben wurden. Zweiunddreißig vorwiegend spanische Bilder wurden im Jahre 1834 von dem russischen Konsul in Cadix Geßler erworben. Sie waren mit den einundfünfzig Gemälden aus dem Besitz des spanischen Gesandten am russischen Hofe als beträchtlicher Zuwachs zu der an sich schon sehr reich vertretenen spanischen Schule für die Eremitage von großem Wert. Zwei Jahre später ließ der Kaiser die sieben besten Bilder einer neuen Sammlung ankaufen, die in Stichen im Jahre 1836 in London veröffentlicht wurde. In seinem prächtigen Wohnsitz „Carlton-Terrace" in London hatte sie derselbe W. G. Coesvelt zusammengebracht, der seinerzeit einen großen Teil seiner Galerie dem Kaiser Alexander I. abgetreten hatte. Die „Madonna di Casa Alba" von Raffael, die sich unter diesen Bildern befand, könnte allein den Eifer erklären, mit dem der Kaiser den Ankauf betrieb, aber es waren noch andere Meisterwerke von Künstlern wie Giulio Romano, Annibale Carracci und Domenichino darunter.

Im Jahre 1836 erwarb Nikolaus I. noch für 1OO.OOO Rubel zweiundvierzig Gemälde aus der Sammlung des Fürsten Lobanoff-Rostowsky, die eigens für das neue Palais in Moskau bestimmt waren, mit Ausnahme einiger, die der Eremitage verblieben, und zehn Bilder italienischer Herkunft, die der Besitzer, General Fürst Lieven, dem Kaiser anbot. Fast die gleiche Anzahl von Gemälden wurde in München angekauft. Schließlich kam im Jahre 1845 eine wichtige Schenkung des Oberkammerherrn D. P. Tatistchef hinzu. Als dieser Standesherr russischer Gesandter in Wien war, hatte er dort mit Kennerblick Gemälde von hohem Wert gesammelt, von denen er nun einen Teil der Eremitage vermachte, wie die beiden Flügel eines Triptychons von Jan van Eyck, eine kostbare Kopie des „Abendmahls" von Leonardo von der Hand Marco d'Oggionos, Werke von Bugiardini, Francia, Murillo, Morales u. a.

Das Jahr 1850 war eines der glücklichsten für die aufblühende Eremitage. Neun der besten Werke Tizians, wie „Die hl. Maria Magdalena", „Der hl. Sebastian" und ein unschätzbares Kleinod: „Die Venus mit dem Spiegel", von der die Galerie schon aus der Sammlung Malmaison eine schöne Kopie besaß, wurden aus der Galerie Barberigo in Venedig erworben und alsbald nach Russland gebracht. Die Perlen der Sammlung des Königs Wilhelm II. der Niederlande, die im Laufe desselben Jahres zur Versteigerung kam, wurden einzeln von dem Direktor der Gemäldeabteilung der Eremitage, dem Künstler Bruni, ausgewählt; sie brachten der Galerie dreißig wundervolle Bilder, „Die Verkündigung" von Jan van Eyck, ein Bruchstück des Gemäldes „Der hl. Lukas zeichnet die hl. Jungfrau" von Roger van der Weyden, „Die Colombine" Fr. Melzis, das „Bildnis eines Greises", das man lange Raffael zuschrieb, jetzt aber Bacchiacca zugewiesen hat, und andere berühmte Gemälde, wie eine „Kreuzabnahme" von Mabuse, die Bildnisse des Grafen Olivarez und des spanischen Königs Philipp IV. aus der Werkstatt des Velazquez, „Die Marter der hl. Katharina" von Guercino und das „Bildnis eines jungen Mannes" von Alessandro Allori.

023 041 Meister aus dem Kreise Giorgiones. Maria mit dem Kinde

023 041 Meister aus dem Kreise Giorgiones. Maria mit dem Kinde

024 042 Giorgio Barbarelli, gen. Giorgione. Judith

024 042 Giorgio Barbarelli, gen. Giorgione. Judith

025 043 Tiziano Vecellio. St. Sebastian

025 043 Tiziano Vecellio. St. Sebastian

026 044 Tiziano Vecellio. Die büßende Magdalene

026 044 Tiziano Vecellio. Die büßende Magdalene

027 045 Tiziano Vecellio. Die Toilette der Venus

027 045 Tiziano Vecellio. Die Toilette der Venus

028 046 Tiziano Vecellio. Danae

028 046 Tiziano Vecellio. Danae

029 047 Andrea Meldola, gen. Schiavone. Jupiter und Jo

029 047 Andrea Meldola, gen. Schiavone. Jupiter und Jo

030 048 Jacopo Palma. Männliches Bildnis

030 048 Jacopo Palma. Männliches Bildnis

031 049 Sebastiano Luciani, gen. del Piombo. Bildnis des Kardinals R. Pole

031 049 Sebastiano Luciani, gen. del Piombo. Bildnis des Kardinals R. Pole

032 050 Sebastiano Luciani, gen. del Piombo. Die Kreuzabnahme

032 050 Sebastiano Luciani, gen. del Piombo. Die Kreuzabnahme

033 051 Alessandro Bonvicino, gen. Moretto. Der Glaube

033 051 Alessandro Bonvicino, gen. Moretto. Der Glaube

034 052 Francesco Vecellio. Maria mit dem Kinde

034 052 Francesco Vecellio. Maria mit dem Kinde

035 053 Paris Bordone. Eine Edelfrau mit Kind

035 053 Paris Bordone. Eine Edelfrau mit Kind

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