Dritte Fortsetzung

Alles in allem war die Revolution für die Galerie, was seinerzeit der große Brand von 1812 für Moskau gewesen war.

Nachdem sich der erste Sturm gelegt hatte, sah sich die Eremitage hinreichend unterstützt und imstande, ihre Reichtümer zu vermehren, wo sich Gelegenheit dazu bot. Aber die Umstände waren für Neuerwerbungen keineswegs günstig, obwohl es eine Zeit beispiellosen Aufruhrs im Leben der Völker war. Eine Menge Kunstwerke waren aus Russland entfernt, andere blieben einsam in den leeren Häusern zurück Caravaggios Meisterwerk „Der ruhende Bacchus", das schon von Bellori erwähnt wird, war die einzige wichtige Erwerbung in dieser Übergangszeit. Die folgenden Jahre waren für die Eremitage nicht viel günstiger, diesmal aus Gründen anderer Art; die fast leere Museumskasse konnte kaum die laufenden Ausgaben decken. Damals nun schuf die „Gesellschaft zur Förderung der Künste" eine scharfe Kontrolle des Marktes, wobei sie auf alles achtete, was für unsere Museen von Bedeutung war, und die Gelegenheiten wahrnahm, die sich ihr boten.


Auch die Möglichkeit, über die in den kaiserlichen Schlössern angehäuften Kunstwerke frei verfügen zu können, ein Vorteil, den die Revolution selbst mit sich brachte, führte der Galerie des Museums eine Menge schöner Gemälde zu. Obwohl diese Bilder von jeher in den Inventaren der Eremitage geführt wurden, die auch verpflichtet war, über ihre Instandhaltung zu wachen, erstreckten sich die Anrechte unseres Museums in Wirklichkeit doch nur auf die Gemälde in den unbewohnten Schlössern und Pavillons. Die von der kaiserlichen Familie bewohnten Schlösser wurden tatsächlich von dieser Überwachung nicht berührt. Man hatte daher auch oft zu beklagen, dass vorzügliche Bilder, die in der Galerie Ehrenplätze verdient hätten, sich in den für die Umgebung der kaiserlichen Familie bestimmten Nebengebäuden der Schlösser und sogar in den Wohnräumen untergeordneter Hofbeamten befanden. Allein der Inhalt des Schlosses von Gatschina, der dort mangelhaft aufgestellt war und in Stand gehalten wurde, hätte ein Museum mit bemerkenswerten Gemälden bilden können.

Jetzt ist die Eremitage unbeschränkter Herr all dieser Kunstwerke und bestrebt, hiervon den besten Gebrauch zu machen, während sie über ihre eigenen Interessen wacht, schützt sie auch die der Gebäude, die sie in gewissem Sinne schädigt. Bisher hat sie von der Regierung für ihre Sammlung gefordert und auch erhalten: eine „Heilige Familie", „Die Koketten" und „Der eingebildete Kranke" von Watteau, „Der Tausch" und „Ein Konzert" von Lancret, eine glänzende „Flucht nach Ägypten" von Tizian, ein vortreffliches „Frauenbildnis" von Verspronck, das „Bildnis eines Paares" von Lorenzo Lotto, eine prächtige „Bekehrung des hl. Paulus" von Veronese, das „Bildnis der Frau Bolotte und ihrer Tochter" von Santerre, eine Reihe von Werken Pesnes, der unter den in der Eremitage gut vertretenen Franzosen noch fehlte, darunter ein großes Bildnis Friedrichs des Großen in ganzer Figur, ein vorzügliches „Stilleben" von Streek, mehrere meisterhafte Phantasiestücke von Hubert Robert und eine Menge anderer Gemälde, die noch keinen festen Platz in der Eremitage haben, da die Museumsverwaltung Wert darauf legt, nicht durch verfrühte Neuordnungsarbeiten den Besuch der Galerie zu erschweren. Dennoch waren einige davon schon auf Ausstellungen im Museum zu sehen, um dort das Gesamtbild einer Schule zu vervollständigen oder einen bestimmten Zeitabschnitt zu vertreten.

Diese Ausstellungen, die Alexander Benois, der jetzige Leiter der Gemäldegalerie der Eremitage, veranstaltete, vereinten in gleicher Weise die besten Gemälde aus den Privatsammlungen, die der Galerie im Interesse ihrer Erhaltung anvertraut wurden. Viele dieser Bilder sind dazu bestimmt, auch späterhin in den Räumen unseres Museums zu bleiben.

Wie schon erwähnt, ist die Eremitage ein unlöslicher Teil des Winterpalais, das nur teilweise bewohnt wurde. Einige der zahlreichen Bauteile, aus denen es sich zusammensetzt, wurden für die glänzenden Feste und Hoffeierlichkeiten der Herrscher reserviert, andere, wie die von Nikolaus I. verschwenderisch umgebaute „alte Eremitage" Katharinas, dienten fürstlichen Besuchern als Wohnungen. Die in ihren Räumen sehr beengte Eremitage verlangte seit Jahren nach weiterem Platz für ihren Zuwachs, ohne jedoch bei Hofe Gehör zu finden, und sie scheute daher auch nach dem Sturz des Kaiserreichs keine Mühe, ihre Wünsche zur Geltung zu bringen. Bei näherer Untersuchung zeigte sich jedoch, dass die alte Eremitage zu klein war, um die zahlreichen Sammlungen von Kunstgegenständen aufzunehmen. Die Regierung überzeugte sich davon und überließ im Jahre 1922 auf ihre wiederholten Bitten das ganze Winterpalais der Museumsverwaltung, die alsbald davon Besitz nahm. Eine sehr interessante Ausstellung der französischen Meister des achtzehnten Jahrhunderts wurde kürzlich darin veranstaltet.

Künftig wird also das Winterpalais, der ehemalige Hauptsitz der Staatsgewalt, ein prunkvoller Bau, dessen prächtige Architektur und großartige Verhältnisse der guten Wirkung der dort in Menge vorhandenen Kunstwerke nur nachteilig waren, der allumfassenden Kunst ein unvergleichlicher Tempel werden außer einigen Teilen, die als Zeugen der Vergangenheit ebenso wie eine Bildnisgalerie erhalten bleiben sollen. Lind es gibt wohl auch für eine ehemalige Residenz kaum eine bessere Bestimmung als die, die geheiligte Stätte zu werden, an der im Glanze ihrer Unsterblichkeit eine höhere, hehrere und unantastbarere Herrlichkeit herrschen soll, die Herrlichkeit der Kunst, dieser erhabene Ausdruck des Großen, Wahren und Schönen.

Petrograd, April 1923
P. P. von Weiner
050 068 Carlo Maratti. Papst Clemens IX.

050 068 Carlo Maratti. Papst Clemens IX.

051 069 Carlo Dolci. Maria Magdalena

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052 070 Giovanni Battista Tiepolo. Maecenas stellte dem Kaiser Augustus die freien Künste vor

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053 071 Giovanni Battista Tiepolo. Das Gastmahl der Kleopatra

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054 072 Antonio da Canale, gen. Canaletto. Empfang des Grafen Gergi in Venedig

054 072 Antonio da Canale, gen. Canaletto. Empfang des Grafen Gergi in Venedig

055 073 Antonio da Canale, gen. Canaletto. Abreise des Dogen von Venedig zur Vermählung mit dem adrianischen Meere

055 073 Antonio da Canale, gen. Canaletto. Abreise des Dogen von Venedig zur Vermählung mit dem adrianischen Meere

056 074 Benedetto Luti. Der kleine Flötenspieler

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057 075 Luis de Morales. Mater dolorosa

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058 078 Jusepe de Ribera, gen. Lo Spagnoletto. St. Prokopius von Böhmen

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