Gott Vater straft Adam und Eva

Von links ist Gott Vater rasch herangekommen, die Linke hält noch den Mantel zusammengerafft, die Rechte zeigt strafend auf den verbotenen Baum. Gott Vater spricht mit hochgezogenen und gerunzehen Brauen und zornig geöffnetem Mund mit herabgezogenen Mundwinkeln, die Zähne scheinen eben noch aus dem Dunkel. Adam steht geknickt hinter dem Baum, bis über die Knie von kleinen Bäumen verdeckt. Er weist mit der Rechten auf Eva: das Weib, das du mir gegeben hast. Eva, deren Figur rechts vom Rahmen überschnitten wird, schreitet, sich halb umwendend nach rechts und zeigt auf die Schlange, die sich unter den Bäumen am Boden windet. Die Gestalt der Eva überrascht uns heute noch. Sie steht Gott Vater sehr viel kühner gegenüber als der gebrochene Adam, sie gibt noch gar nichts zu. Halb abgewendet spricht sie über die Achsel. Das alles wird durch die rein formale Behandlung in hoher Schönheit und bis zum letzten ausgedrückt. Evas Gebärde ist aus dem Wesen des Weibes empfunden. Kein Mann würde in dieser Situation so auftreten können. Sehr gewagt, aber wirkungsvoll ist das Motiv der Beine, die sich überschneiden, und der sehr starken Überschneidung der Figur durch den Rahmen. Der Baum der Erkenntnis ist ein Apfelbaum mit roten Früchten im grünen Laube.

207 Die Entdeckung des Sündenfalls.


Die Komposition entspricht nach ihrem Gedankeninhalt in jedem Zuge derselben Szene auf der Bernwardstür in Hildesheim, der formale Aufbau ist freilich ganz verschieden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meister Bertram tätig in Hamburg 1367-1415