Die Verkündigung an die Hirten

Gegen die Erscheinung des Engels wendet sich der älteste der Hirten, der sich in der Achsel auf seinen Stab gestützt hatte, die Hand vor die Augen haltend. Er hat ehrfürchtig den Hut abgenommen. Ein sitzender Hirt, auf seine schwere Keule gestützt, bläst das Hörn. Hinter ihm der dritte, der sich mit der Linken an einen Baum hängt, ruft ihn an und weist auf die himmlische Erscheinung. Lauter uralte Motive. Der Engel im grünen Rock mit roten Flügeln aus blauen Wolken trägt das Schriftband: annuncio vobis gaudium magnum (Siehe, ich verkündige euch große Freude).

Auf dem reichbewegten und farbenreichen Abhang, über dem sich rechts der Wald erhebt, allerlei Getier. Links die sogenannte abessinische Ziege mit Rammsnase und Hängeohren, neben dem sitzenden Hirten der Hund, der aus einem Sack das Frühstück stiehlt, rechts unten eine Schafherde von einem grauen Wolf belauert. Oben strebt ein Ziegenbock (Steinbock?) mit langen Hörnern am Baum hinauf und nascht an den Früchten.


Vor dem Engel erschrecken die Vögel, die an den Früchten der Bäume naschen. Einer sieht sich um, einer hebt schon die Flügel.

Der alte Hirt trägt einen tiefvioletten Rock und karmin Strümpfe. Sein hoher Hut ist grau. Der sitzende hat blauen langen Rock, schwarze Schuh und karmin Kappe. Um den Hals hat er eine gelbe Pilgerflasche. Der dritte hat einen feuerroten Rock und grünen Hut, der das kurzbärtige Antlitz bei den Augen überschneidet.

Dieses Bild gehört in Bezug auf Originalität der Typen und der Komposition und in seinem feingestimmten Reichtum an Farben und Tönen zu den wichtigsten des Meisters.

361 Die Verkündigung an die Hirten


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meister Bertram tätig in Hamburg 1367-1415